Frage an Felix Martin von Guido J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Viele gesellschaftliche Akteure - insbesondere die Gewerkschaften - haben die von ihrer Fraktion vorgelegte Novellierung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes scharf kritisiert. „Mit der Novellierung wird keine allgemeine Verpflichtung zur Entlohnung nach Tarif eingeführt, die über die bereits bestehenden Regelungen zum Öffentlichen Personennahverkehr hinausgeht. Bezug genommen wird lediglich auf Bestimmungen, die sowieso verpflichtend sind“, so der DGB.
Was werden Sie im Gesetzgebungsprozess unternehmen, um die Tariftreue wirksam im Gesetz zu verankern?
Lieber Herr Jurock,
das Hessische Vergabe- und Tariftreue Gesetz (HVTG) gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oberhalb von 10.000 Euro. In der vergangenen Wahlperiode haben wir dafür gesorgt, dass soziale und ökologische Kriterien bei öffentlichen Aufträgen verbindlich festgeschrieben werden können. Das HVTG wird nun mit dem Ziel der Vereinfachung, der Stärkung von nachhaltigen Vergabekriterien und der besseren Kontrolle der Einhaltung des Mindest- und Tariflohns modernisiert.
Seit 2018 gewährt der bundeseinheitliche Mindestlohn eine leistungsgerechtere Entlohnung. Unsere Ziele auf Bundesebene sind ein einheitlicher Mindestlohn von 12 Euro sowie eine generelle Stärkung der Tarifbindung im Sinne der Arbeitnehmer*innen. Maßgeblich für die Vergaben nach dem HVTG sind der bundesweit geltende Mindestlohn und weitere Festlegungen wie Tarifverträge nach Tarifvertragsgesetz, Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Diese Kriterien sind von den Bieter*innen in jedem Fall einzuhalten. Im ÖPNV sind Tariflöhne Voraussetzung. Im Baugewerbe überschreiten die dort geltenden Tariflöhne bei weitem den bundesweiten Mindestlohn. Mit den Tarifverträgen, dem bundesweitem Mindestlohn und den genannten weiteren Regelungen sind wirksame Absicherungen gegen Dumpinglöhne vorgesehen. Wie Sie sicherlich aus Ihrer Arbeit für die Gewerkschaft ver.di wissen, werden öffentliche Aufträge öffentlich ausgeschrieben und Unternehmen können sich darauf bewerben. Dies tun sie auch über Landesgrenzen hinaus. In 16 Bundesländern zusätzlich noch 16 landesspezifische Mindestlöhne bei der Vergabe von Aufträgen festzulegen halten wir – auch im Sinne der bundesweiten Vereinheitlichung der Vergaberegeln – nicht für zielführend.
In Gesetzesanhörungen kommen zahlreiche unterschiedliche Verbände und Akteur*innen zu Wort, die oftmals ganz unterschiedliche Interessen vortragen. Wenn der DGB sagt, dass mit der Novellierung keine allgemeine Verpflichtung zur Entlohnung nach Tarif eingeführt wird, dann empfinde ich das nicht als scharfe Kritik, sondern zunächst als Tatsachenbeschreibung. Die Anzuhörenden bilden in aller Regel die gesamte Bandbreite möglicher Meinungen ab. In der Anhörung zum HVTG gab es insofern sowohl Verbände, die sich in Bezug auf öffentliche Aufträge eine allgemeine Verpflichtung zur Entlohnung nach Tarif gewünscht hätten, als auch solche die dies nicht möchten.
Mein Eindruck ist, dass wir uns mit den Gewerkschaften darüber einig sind, die Tarifbindung in ganz Deutschland zu stärken, einen höheren und flächendeckenden Mindestlohn zu realisieren sowie Arbeitsbedingungen grundsätzlich zu verbessern. Während einige diese Aufgaben über öffentliche Aufträge erreichen wollen, wollen wir diese Herausforderungen grundsätzlich angehen und damit die entsprechenden Verbesserungen auch für diejenigen Beschäftigten erreichen, die nicht in einem Unternehmen arbeiten, das gerade einen öffentlichen Auftrag bearbeitet.
Beste Grüße
Felix Martin