Frage an Felix Martin von Margot A. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Martin,
Kennen Sie den offenen Brief/die Initiative für ein neues Wirtschaftswunder? https://neues-wirtschaftswunder.de/about/q-a
Wie positionieren Sie sich dazu? Setzen Sie sich dafür ein, daß die Forderungen aus dieser Initiative bekannt werden und in Verhandlungen über Wirtschaftshilfen in der Coronavirus-Krise im Bundestag einfließen?
Mit freundlichen Grüßen.
M. A. (für die Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Kassel)
Liebe Frau Arabin,
vielen Dank für Ihre Frage.
Als Abgeordneter im hessischen Landtag setze ich mich gemeinsam mit meinen Kolleg*innen sowie unseren Minister*innen in der Landesregierung dafür ein, dass Hessen mutig und entschlossen voran geht, u.a. beim Klimaschutz, bei der Verkehrswende, der Energiewende und der Agrarwende. Die Initiative ist sowohl mir, als auch der Grünen Bundestagsfraktion bekannt. Wir sind bei der Umsetzung unserer Ziele in stetigem Austausch mit unseren Kolleg*innen im deutschen Bundestag, die - teilweise gegen große Widerstände aus der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen - genau die Themen auf die Tagesordnung bringen, die auch die „Initiative Neues Wirtschaftswunder“ formuliert.
Was die inhaltliche Positionierung dazu angeht, möchte ich auf die ausführliche und gute Antwort unserer Bundesvorsitzenden und MdB Annalena Baerbock verweisen, der Sie eine ähnliche Frage gestellt haben. Ich teile die Ausführung vollumfänglich:
„Sehr geehrte Frau Arabin,
vielen Dank für die Übersendung des offenen Briefes. Er teilt genau unsere Vorstellungen hin zu einer sozial-ökologischen Transformation unserer Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt.
Die Konjunkturprogramme müssen europäisch gedacht bzw. in Europa aufeinander abgestimmt sein, beispielsweise verknüpft über den Green Deal, damit sich alle Länder im europäischen Binnenmarkt entwickeln können. Niemand wird es alleine schaffen. Für dieses historische Moment gibt es keine Blaupause. Anders als nach der Finanzkrise werden wir uns in Deutschland dieses Mal nicht einfach aus der Rezession herausexportieren können. Die Nachfrage ist global eingebrochen. Und wir müssen eine Antwort darauf finden, dass sich alte soziale Schieflagen durch Corona verschärfen und neue auftun.
Bei all dem ist es die zweite große Aufgabe unserer Zeit, die Klimakrise zu bewältigen. Wir erleben nach zwei Hitzesommern schon die nächste Dürre. Knochentrockene Äcker, Waldbrände im April, das ist auch die Realität in unserem Land. Und gegen die Klimakrise wird es keinen Impfstoff geben. Nicht in diesem Jahr und auch in keinem anderen. Wir werden als Weltgemeinschaft scheitern, wenn die jetzt geplanten Maßnahmen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen noch beschleunigen. Es ist daher entscheidend, jetzt die Weichen richtig zu stellen. Ohne Frage ist die Rezession mit voller Kraft zu bekämpfen, Jobs und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Tun wir das aber mit einer alten Politik und alten Mitteln, produzieren wir neue Unsicherheit und steuern auf gigantische soziale und wirtschaftliche Schäden zu. Unser Handlungsrahmen müssen der Pariser Klimavertrag und die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung sein.
Das Leitbild unseres grünen Handelns ist klar: Wir brauchen eine konsequente Transformation nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft hin zu nachhaltigen Materialien, Ressourcen- und Energieeffizienz. Wir haben eine doppelte Aufgabe und doppelte Chance: die durch Corona bedingte Wirtschaftskrise und die Klimakrise zusammen anzugehen. Herzstück des Auswegs aus der Krise muss der Europäische Green Deal sein. Ersten Versuchen, diesen unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie aufzuweichen oder in Teilen zu verschieben, stellen wir uns entschieden entgegen. Der Green Deal muss zum Pakt für die ökologisch-soziale Transformation der Wirtschaft werden.
Es wird massive Anstrengungen und beispiellose Programme brauchen, um diese Herausforderungen zu lösen. Jetzt ist die Zeit großer und kreativer Antworten und entschlossenen Handelns. Wir müssen auf der einen Seite kurzfristig stimulieren und stabilisieren und zudem den Kurs in Richtung Klimaneutralität und Zukunftsfähigkeit setzen. Dabei ist völlig klar: Ein solches Konjunkturprogramm ist auch innerhalb von vielen Jahren so nur einmal leistbar. Umso entschiedener und vorausschauender muss jetzt der richtige Weg zum Wiederaufbau eingeschlagen werden.
Es braucht Direkthilfen für die Branchen, die im Shutdown stillstehen müssen, und Konjunkturstimuli für die, die langsam wieder anlaufen. Dabei ist klar, dass aus Steuermitteln finanzierte Wirtschaftshilfen in der Rezession an Vorgaben gekoppelt werden müssen: Wenn Aktienkonzerne Dividenden oder den Manager*innen Boni auszahlen, können sie keine Hilfe vom Staat erwarten. Unternehmen, die in der Krise mit staatlichen Geldern unterstützt wurden und in Zukunft wieder Dividenden auszahlen wollen, müssen diese Hilfen an den Staat zurückzahlen. Unternehmen, die Staatshilfe beantragen, sollten zunächst offenlegen müssen, in welchem Land sie welchen Gewinn machen und wie viele Steuern sie zahlen. Öffentliche Gelder dürfen unter keinen Umständen dazu beitragen, dass bestehende Steuerschlupflöcher gar geweitet werden. Staatliche Beteiligungen an Unternehmen sind an die Bedingung von ökologischen und sozialen Kriterien für die jeweiligen Branchen gebunden. Wenn der Staat sich mit Steuergeldern an Unternehmen beteiligt, muss er auch Mitspracherechte haben und Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen können, wie private Investoren auch.
Diese Punkte - sowie viele weitere, die uns tagtäglich erreichen - wie auch von der von Ihnen angesprochenen Initiative - sind für unsere Überlegungen und daraus abgeleitetes politisches Handeln die Richtschnur.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock“