Warum bremst Olaf Scholz, Ihr Kanzlerkandidat, vehement das überfällige Projekt der gemeinschaftlichen Finanzierung einer EU-Armee? Steht Ihre Partei zur manchmal sog. "Zeitenwende"?
Warum bremst Olaf Scholz, Ihr Kanzlerkandidat, vehement das längst überfällige Projekt der gemeinschaftlichen Finanzierung einer EU-Armee?
Steht Ihre Partei zur manchmal sog. "Zeitenwende"?
Ist die isolationistische Blockadehaltung des Kanzlers angesichts der Erwartungshaltung der neuen US-Administration mitten im Angriffskrieg in Europa angemessen? Sind finanzierungspolitische Synergie- und Einspareffekte einer gemeinschaftlichen EU-Armee in der SPD durchgerechnet?
Braucht Europa jetzt keine gemeinsame Verteidigung mehr, die Olaf Scholz mal vor dem 24.2.22 selbst anstrebte? Muss der Frieden nicht (gemeinschaftlich) verteidigt werden? Wird am deutschen Verteidigungswesen die Sicherheit in Europa genesen?
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/eu-ruestung-verteidigung-schulden-100.html
https://www.n-tv.de/politik/Scholz-strebt-EU-Armee-an-article22456515.html
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Sehr geehrter Herr Felix H.,
danke für Ihre Frage. Um Sie zu beantworten, muss ich zuerst ein Missverständnis aufklären:
Olaf Scholz spricht sich in dem von Ihnen zitierten Artikel nicht gegen eine gemeinschaftliche Finanzierung einer EU-Armee aus, sondern gegen eine gemeinschaftliche Verschuldung der Europäischen Union für Rüstungsausgaben. Das sind zwei verschiedene Dinge.
Über das Ziel sind sich die meisten EU-Staaten und auch Deutschland einig: Wir benötigen mehr Zusammenarbeit in der EU und müssen mehr Geld in unsere eigene Sicherheit investieren.
Schätzungen der EU-Kommission zufolge sind in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe von rd. 500 Mrd. Euro notwendig. Die Frage ist nun: Wo soll das Geld dafür herkommen? Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten:
Erste Option: Die EU könnte gemeinschaftlich neue Schulden in Form eines Fonds aufnehmen, um daraus ihren Mitgliedern Geld zu überweisen. Die derzeitigen strengen Schuldenregeln würden aber weiterhin gelten, die einzelnen Mitglieder dürften ihren nationalen Schuldenstand also bis zu einer gewissen Grenze nicht erhöhen.
Zweite Option: Die EU könnte stattdessen ihre strengen Schuldenregelungen lockern und alle Mitglieder dürften mehr Schulden aufnehmen, als das bisher der Fall ist – allerdings nur für ihre Verteidigungsausgaben.
Olaf Scholz spricht sich für die zweite Lösung aus, weil sie effizienter ist und die Handlungsfähigkeit aller Staaten langfristig erweitert. Auch die Niederlande oder Österreich sprechen sich für diese Lösung aus. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen ist ebenfalls dazu bereit Spielräume auszuloten, um eine nationale Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu ermöglichen.
Olaf Scholz hat also keine europäische Lösung hin zu mehr gemeinsamer Verteidigung blockiert, sondern einen anderen, langfristig sinnvolleren Weg dahin aufgezeigt.
Auch aus meiner sozialdemokratischen Sicht ist das langfristige Ziel, eine Europäische Verteidigungsunion zu schaffen, um die in der NATO festgelegten Fähigkeiten gemeinsam zu erreichen. Kein einzelner europäischer Staat ist mehr dazu in der Lage, seine Sicherheit im Alleingang zu gewährleisten. Wir sind auf mehr Zusammenarbeit zwingend angewiesen, gerade mit Blick auf die neue US-Regierung. Dazu ist auch eine wettbewerbsfähige und effiziente Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Europa notwendig.
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an mich oder mein Büro.
Mit freundlichen Grüßen,
Falko Droßmann