Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen?
Sehr geehrter Herr Funke,
meine Tochter ist seit 2021 an CFS erkrankt und kann daher momentan nicht zur Schule gehen. Anlässlich der Diskussion zum Antrag 20/4886 der CDU/CSU am 19.01.2023 im Bundestag waren sich alle Fraktionen einig, dass den Erkrankten dringend geholfen werden muss. Ich würde gern wissen, ob Sie diesem Antrag zustimmen werden. Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank und freundliche Grüße
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 06. Mai 2023 im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME/CFS) und der Sorge um Ihre Tochter.
Dass der von Ihnen angeführte Antrag, „Forschung zu Long COVID, ME/CFS und Post-Vac-Syndrom in Deutschland stärken“ im Mai im Bundestag auch von der SPD-Fraktion abgelehnt wurde hat verschiedene Gründe. In erster Linie ist es richtig und positiv das Thema auf diese Weise in die Diskussion zu bringen und ihm die entsprechende Aufmerksamkeit zu geben. Allerdings laufen die mit dem Antrag einhergehenden unkonkreten Forderungen ins Leere. Bei dem aktuellen unbefriedigenden Stand der Forschung, ist es das Gebot der Stunde auf Grundlagenforschung zu setzen. Denn weder Ursachen noch Erscheinungsbilder der ME/CFS sind wissenschaftlich im Detail bekannt. Dabei hilft auch nicht zwangsweise das Verwenden weitaus größerer Gelder sowie das willkürliche Investieren in verschiedenste Projekte.
Wir brauchen dafür erst eine wissenschaftliche Basis, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das BMBF fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können.
Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen. Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim BMG angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein.
Darüber hinaus hat der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, erst jüngst die Dringlichkeit verstärkter Forschungsanstrengungen zu Long-Covid und ME/CFS öffentlichkeitswirksam unterstrichen. In diesem Zusammenhang hat er angekündigt, sich für die Aufstockung der Forschungsmittel des Bundesministeriums für Gesundheit für diesen Bereich in den kommenden Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages einzusetzen.1
Die Ampelkoalition hat sich außerdem in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel der Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID und ME/CFS-Betroffene verständigt. Nun wird es darauf ankommen, diese Vereinbarung gemeinsam mit Ländern und Kassenärztlichen Vereinigungen auch umzusetzen. Hierzu laufen zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung bereits intensive Gespräche. Mit einer Umsetzung rechne ich derzeit in der zweiten Jahreshälfte 2023.
Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind aber ihrerseits bereits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité — Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen. Um die Versorgungssituation zügig weiter zu verbessern, haben wir im Parlament bereits mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Dezember 2022 den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID zu beschließen. Der G-BA kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht.
Ich kann verstehen, wenn diese Antwort für Sie unbefriedigend ist. Ich möchte Ihnen mit meinen Ausführungen verdeutlichen, dass wir nicht wegschauen, dass wir uns um die betroffenen Menschen kümmern und dass wir vieles in die Wege geleitet haben.
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Funke, MdB