Sehr geehrter Herr Funke, Sie haben am 28.4.2022 für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gestimmt. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Hinweis:
Im Friedrichschlösschen des Barockgartens Großsedlitz wurden bis Ende der 1950'er Jahre Kriegsversehrte behandelt. Ich kann mich noch sehr gut an die vielen Männer mit fehlenden und verstümmelten Gliedmaßen erinnern. Sie waren im Dorf überall präsent.
Sie werden gewiss meinen, dafür bin ich und auch meine Generation nicht verantwortlich. Sicher, aber wir als Nation und im besonderen Fall Sie als Bundestagsabgeordneter sollten uns der inneren Stimme bewusst sein, eben diesen 2. Weltkrieg verursacht zu haben. Ich setze weiter voraus, Ihnen ist bekannt, dass der spanische Bürgerkrieg der Test für deutsche Waffen und Ausrüstungen für den 2. Weltkrieg war.
https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-guernica-zerstoerung-spanien-buergerkrieg-100.html
https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Virtuelle-Ausstellungen/Der-Angriff-Auf-Guernica/der-angriff-auf-guernica.html
Und heute die Ukraine ...
Ich hätte gern gewusst, ob Sie diese Tatsachen vor der Abstimmung am 28.4. reflektiert haben?
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage. Diese Abstimmung habe ich nicht leichtfertig getroffen. In der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine haben wir direkt nach dem Angriff einen Paradigmenwechsel vollzogen. Deutschland liefert ebenso wie viele andere westliche Verbündete Waffen an die Ukraine, damit sich das Land gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wehren kann.
Die Bundesregierung hat klare Leitlinien, die die militärische Unterstützung der Ukraine rechtfertigen und mich dazu verleitet haben, für die Waffenlieferung zu stimmen.
Zum einen trifft die Bundesregierung die Entscheidungen über die militärische Unterstützung in enger Abstimmung mit den Bündnispartnern in der Europäischen Union und der NATO. Es finden regelmäßige Gespräche und Abwägungsentscheidungen auf allen Ebenen statt, um deutsche Alleingänge zu vermeiden.
Zum anderen soll die Verteidigungsfähigkeit des NATO-Bündnisgebiets erhalten bleiben. Zu dem Amtseid des Bundeskanzler Olaf Scholz zählt unteranderem, die Fähigkeit der Bundeswehr zur Bündnis- und Landesverteidigung nicht zu schwächen. Daraus resultieren schwierige Abwägungsfragen bei der Entscheidung darüber, welche Waffen in die Ukraine geliefert werden können. Daher sollen keine Waffen aus den Beständen der Bundeswehr geliefert werden, die ihre Fähigkeit einschränken, Deutschland oder das Gebiet unserer Verbündeten in der NATO gegen einen russischen Angriff zu verteidigen. Auch darum haben wir das Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden Euro initiiert. Wir liefern der Ukraine aus den bestehenden Beständen der Bundeswehr das, was die Bundeswehr zum derzeitigen Zeitpunkt guten Gewissens entbehren kann. Da die Mittel der Bundeswehr begrenzt sind und wir der Ukraine über die direkten Lieferungen hinaus helfen wollen, leisten wir zusätzliche finanzielle Rüstungshilfe.
Eine weitere Richtlinie betrifft die Vermeidung einer Kriegsbeteiligung Deutschlands oder der NATO. Alle Bündnispartner sind sich einig, dass eine Ausweitung des Krieges verhindert werden muss und tun alles dafür, eine direkte militärische Konfrontation zwischen der NATO und Russland zu vermeiden. Aus diesem Grund ist die NATO etwa dem Wunsch der Ukraine nach Einrichtung einer Flugverbotszone nicht nachgekommen. Denn diese hätte einen direkten Eingriff von NATO-Flugabwehr und Kampfflugzeugen in den Krieg bedeutet.
Aufgrund dieser wohlbedachten Richtlinien, unter denen die Waffen geliefert werden, und der Bedeutsamkeit der nötigen Verteidigung der Ukraine gegen Russland, habe ich mich für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine entscheiden.
Ich kann verstehen, wenn ich Ihre Zweifel und Bedenken mit meinem Schreiben nicht gänzlich ausräumen konnte. Dennoch hoffe ich Ihnen erläutert zu haben, warum aus meiner Sicht eine Lieferung von schweren Waffen nötig und richtig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Funke
Mitglied des Deutschen Bundestags