Portrait von Eva Bulling-Schröter
Eva Bulling-Schröter
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Eva Bulling-Schröter zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Florian D. •

Frage an Eva Bulling-Schröter von Florian D. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Eva Bulling-Schröter,

Der Friedensnobelpreisträger IPPNW schreibt:
"Die am 1. August 2001 in Kraft getretene rot-grüne Strahlenschutzverordnung erlaubt die unbegrenzte Freisetzung radioaktiver Abfälle in die Umwelt. Alte stillgelegte Atommeiler können abgerissen und der strahlende Bauschutt schlichtweg auf der nächsten Hausmülldeponie abgeladen werden. Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, rechnet mit zigtausend Strahlentoten aufgrund der neuen Verordnung."
Beleg:
www.ippnw.de/Atomenergie/strahlenschutz

1.
Ist die Information von IPPNW zutreffend?

2.
haben Sie nicht bereits vor 10 Jahren im Bundestag herausgearbeitet, daß bei einem sog. Super-Gau in der Bundesrepublik Deutschland nach seriösen Kalkulationen für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Gesamtschäden von ca. 10 700 Mrd. DM erwartet werden?

3.
Ist durch das seit dem 11. September 2001 zusätzlich mögliche Terror - Risiko der Betrieb von Atomkraftwerken nicht geradezu kriminell?

4.
Ist das Atomkraftwerk Biblis vor allem deshalb noch am Netz, weil DIE ROTGRÜNEN ihre Regierungszeit vertrödelt und alle Chancen zur Stillegung versiebt haben? Wollten weder Jürgen Trittin als ROTGRÜNER Bundesumweltminister noch Priska Hinz, seine heutige Kollegin in der Bundestagsfraktion von Bündnis `90 / DIE GRÜNEN, das Atomkraftwerk Biblis ernsthaft abschalten? Schoß Priska Hinz als damalige ROTGRÜNE "Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Hessen" nicht den Vogel ab, als sie medienwirksam eine Stillegungsverfügung der Öffentlichkeit präsentierte und dann "vergaß", diese Stillegungsverfügung auch dem Nuklearkonzern RWE als Betreiber zuzustellen?

5.
Was werden Sie gegen diese vom Friedensnobelpreisträger IPPNW kritisierten und oben weiter ausgeführten unhaltbaren Zustände unternehmen?

Mit freundlichen Grüßen

Florian Dengler

Portrait von Eva Bulling-Schröter
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Herr Dengler,

hier meine Antworten.

Der Friedensnobelpreisträger IPPNW schreibt: Die am 1. August 2001 in Kraft getretene rot-grüne Strahlenschutzverordnung erlaubt die unbegrenzte Freisetzung radioaktiver Abfälle in die Umwelt. Alte stillgelegte Atommeiler können abgerissen und der strahlende Bauschutt schlichtweg auf der nächsten Hausmülldeponie abgeladen werden. Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, rechnet mit zigtausend Strahlentoten aufgrund der neuen Verordnung. Beleg: http://www.ippnw.de/Atomenergie/strahlenschutz.htm

1. Ist die Information von IPPNW zutreffend?

Ja, ich gehe davon aus, dass sie zutrifft. Durch Gespräche mit Dr. Pflugbeil weiß ich, dass er vor allem die potentiell gefährlichen Möglichkeiten anprangern wollte, die die schlechte Novelle der Strahlenschutzverordnung kriminellen Entsorgern bietet. Das solche Entsorgungen bereits passieren, gibt es allerdings keine Belege. Dementsprechend auch keine, dass momentan Menschen gesundheitlich durch AKW-Abrissabfälle gefährdet werden. Der Anhang 3, Tabelle 1 der Strahlenschutzverordnung bietet jedoch durch unakzeptable hohe Grenzwerte insbesondere bei Tritium (H-3) sowie durch Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Spalten der Tabelle bei der Beurteilung der Strahlendisposition die Möglichkeit, dass leicht und mittelverstrahlte Abrissabfälle aus AKWs aus Strahlenschutzrecht herausfallen und als normale Abfälle behandelt werden können.

2. haben Sie nicht bereits vor 10 Jahren im Bundestag herausgearbeitet, daß bei einem sog. Super-Gau in der Bundesrepublik Deutschland nach seriösen Kalkulationen für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Gesamtschäden von ca. 10 700 Mrd. DM erwartet werden? Ist durch das seit dem 11. September 2001 zusätzlich mögliche Terror - Risiko der Betrieb von Atomkraftwerken nicht geradezu kriminell?

Die Tatsache, dass eine ganze Reihe von AKW`s gegen einen Flugzeugabsturz nicht gesichert sind, ist inzwischen bekannt und auch breit in den Medien diskutiert. Sicher erinnern sie sich noch an solche Vorschläge, wie die Stationierung von Boden -Luft-Raketen rund um AKW`s oder eine mögliche Vernebelung bei Gefahr. Ich halte das alles für hanebüchen. Die Antwort kann nur die schnellstmögliche Abschaltung aller AKW`s sein. Eine Verlängerung der Laufzeiten kommt darum für uns nicht in Frage.

3. Ist durch das seit dem 11. September 2001 zusätzlich mögliche Terror - Risiko der Betrieb von Atomkraftwerken nicht geradezu kriminell?

GG Art. 2(2) besagt: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Mit dem Weiterbetreiben von AKW`s besteht das Risiko eines Terroranschlages weiter, das lässt jede Interpretation auf ihre Frage zu. Zusätzlich stelle ich mir die Frage, inwieweit ein mögliches Terror-Risiko durch Auslandseinsätze der Bundeswehr und der Beteiligung Deutschlands an Kriegen verstärkt wird, Ich lehne Auslandseinsätze aus diesen und vielen anderen Gründen ab und habe in allen Legislaturen meiner Tätigkeit als Abgeordnete gegen Auslandseinsätze gestimmt.

4. Ist das Atomkraftwerk Biblis vor allem deshalb noch am Netz, weil DIE ROTGRÜNEN ihre Regierungszeit vertrödelt und alle Chancen zur Stilllegung versiebt haben? Wollten weder Jürgen Trittin als ROTGRÜNER Bundesumweltminister noch Priska Hinz, seine heutige Kollegin in der Bundestagsfraktion von Bündnis `90 / DIE GRÜNEN, das Atomkraftwerk Biblis ernsthaft abschalten? Schoß Priska Hinz als damalige ROTGRÜNE "Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Hessen" nicht den Vogel ab, als sie medienwirksam eine Stillegungsverfügung der Öffentlichkeit präsentierte und dann "vergaß", diese Stillegungsverfügung auch dem Nuklearkonzern RWE als Betreiber zuzustellen?

Bei der Diskussion um das sogenannte Ausstiegsgesetz hätte es im Bundestag seinerzeit eine rechnerische Mehrheit von SPD/Grüne und PDS gegeben. Die damalige Fraktion der PDS hätte einem sofortigen Ausstieg aus der Atomwirtschaft ohne Wenn und Aber zugestimmt. Der Wirtschaftflügel der SPD war natürlich mehrheitlich gegen solche Bestrebungen. Leider war es der rotgrünen Regierung letztlich am Wichtigsten, diesen Ausstieg entschädigungslos zu realisieren. Es war jedoch bis zum Schluss rechtlich umstritten, ob überhaupt Entschädigungen bei einem schnelleren Ausstieg hätten gezahlt werden müssen. Wir hatten damals den Vorschlag unterbreitet, notfalls auch mit einer Entschädigung aus der Atomwirtschaft auszusteigen, um das Ziel so schnell als möglich zu erreichen.

Mit dem, dann von der Regierungsmehrheit verabschiedeten Atomausstiegsgesetz wurde den Energiekonzernen eine Verstromungsgarantie gegeben, die sie vorher nie hatten. Sie wird auch schamlos ausgenutzt, beispielsweise dadurch, dass AKWs, die kurz vor Ende der Restlaufzeit stehen, für „Reparatur und Revision“ vom Netz genommen werden, damit sie in die nächste Wahlperiode hinüber gerettet werden können. Von dieser erhoffen sich die Versorger, den Ausstiegsbeschluss unter einer neuen Regierung zu kippen. Ähnliche Ziele werden durch die Übertragung von Restlaufzeiten zwischen den Kraftwerken verfolgt. Zudem ist der Weiterbetrieb abgeschriebener Atomkraftwerke eine Lizenz zum Gelddrucken. Diese komfortable Lage wollen die Betreiber natürlich verlängern. Was das Verhalten der Grünen betrifft, so kann sich jede/r selbst eine Meinung bilden.

5. Was werden Sie gegen diese vom Friedensnobelpreisträger IPPNW kritisierten und oben weiter ausgeführten unhaltbaren Zustände unternehmen?

Die Linke steht nach wie vor für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie. Das heißt für uns eine Forcierung von regenerativen Energien und Energieeinsparung durch Vermeidung sowie die drastische Erhöhung der Energieeffizienz. Die Versicherungspflicht für AKW`s muss angehoben werden. Die Gewinne, die die AKW-Betreiber durch ihre steuerfreien Rückstellungen und durch den Strompreisanstieg infolge des Emissionshandels machen können, müssen abgeschöpft werden. Damit könnten viele notwendige Maßnahmen finanziert werden, die eine Kompensation der Strommengen für die abgeschalteten AKW`s und Kohlekraftwerke darstellen.
Bezüglich der Strahlenschutzverordnung prüfen wir, wie wir hier erneut parlamentarisch aktiv werden können.

Mit freundlichen Grüßen
Eva Bulling – Schröter MdB