Frage an Eva Botzenhart von Luca W. bezüglich Recht
Hallo Frau Botzenhart,
Im Jahr 2015 wurde im Koaltitionsvertrag mit der SPD entschieden das es ein "Modell-Coffeshop" geben sollte zur legalisierung von Marihuana. Soweit ich weiß wurde das Projekt vom Bezirksamt abrupt abgebrochen. Ich habe auch im neuen Koalitionsvertrag nichts dazu finden können, das dass Projekt vielleicht wieder "neubelebt" wird. Wie ist den die aktuelle lage zu diesen Thema?
Mfg,
Luca W.
Hallo Luca,
vielen Dank für die Frage!
Zunächst möchte ich die Hintergründe zum von dir angesprochenen Modellprojekt erläutern:
Im Januar 2015 hat die GRÜNE Bürgerschaftsfraktion (damals noch in der Opposition) mit einem Antrag ein „Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene“ gefordert. Dieser Antrag wurde in der Bürgerschaft debattiert und an den Gesundheitsausschuss überweisen.
Hier findet sich der Antrag: modellprojekt_zur_kontrollierten_abgabe_von_cannabis_an_erwachsene.pdf Und hier das Plenarprotokoll zum Nachlesen: plenarprotokoll_20_106.pdf (buergerschaft-hh.de)
Im Koalitionsvertrag, auf den SPD und GRÜNE sich nach der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 geeinigt haben, wurde dieser Beschluss aufgegriffen und wie folgt festgehalten:
„Die Koalitionsfraktionen werden im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft unter Hinzuziehung von Expertinnen und Experten ergebnisoffen beraten, ob und gegebenenfalls wie ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Hamburg durchgeführt werden sollte.“ (S. 90)
Der gesamte Koalitionsvertrag findet sich hier: https://beschluss.gruene-hamburg.de/2018/07/06/koalitionsvertrag-spd-und-gruene-hamburg-2015/
Der Inhalt des GRÜNEN Antrags wurde dann am 06. November 2015 vom Gesundheitsausschuss als Selbstbefassung aufgegriffen und abgeschmettert. Die Begründung war, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, welches für einen solchen Modellversuch eine Ausnahmegenehmigung erteilen muss, erst rund zwei Monate zuvor einen Antrag vom Bezirksamt Berlin-Kreuzberg abgelehnt hatte, der ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten im Stadtteil forderte. Es wurde angeführt, dass die Argumentation des Instituts zum Berliner Antrag deutlich macht, dass ein solches Projekt bei der gegenwärtigen Rechtslage keine Chance auf Genehmigung hat.
Hier ist das Wortprotokoll der Ausschusssitzung: protokoll_wortprotokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_gesundheitsausschusses.pdf (buergerschaft-hh.de) Nun zu deiner Frage nach der aktuellen Lage zu diesem Thema und einer möglichen Neubelebung des Modellprojekts:
Das Grundsatzprogramm der Grünen enthält die folgende Passage zum Thema Drogenpolitik/Cannabis-Legalisierung, die sich auch mit unserer Haltung hier in Hamburg deckt:
(241) "In der Drogenpolitik braucht es einen Paradigmenwechsel. Statt um eine Kriminalisierung von Abhängigkeitserkrankten und Drogenkonsument*innen geht es um Prävention, Selbstbestimmung, Schadensminimierung, Entkriminalisierung und passgenaue Beratungs- und Hilfsangebote. Cannabis sollte zeitnah legalisiert werden. Eine kontrollierte Abgabe von psychoaktiven Substanzen und eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung sind der richtige Weg für wirksamen Jugend- und Gesundheitsschutz, zur Reduktion schädlichen Gebrauchs von Suchtmitteln, zur Vermeidung von Drogentoten und um dazu beizutragen, kriminellen Strukturen und Drogenkriegen die Grundlage zu entziehen. Um einen wirksamen Jugendschutz zu gewährleisten, setzen wir auf geeignete Präventionsmaßnahmen, Aufklärung und einen faktenbasierten Umgang mit dem Thema. Für Drogen soll nicht geworben werden. Der Nichtraucherschutz muss gestärkt werden." (S. 68 f.)
Das gesamte Grundsatzprogramm zum Nachlesen findet sich hier: https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf
Der aktuelle Koalitionsvertrag enthält jedoch – wie du richtig recherchiert hast – keine Pläne für eine Neubelebung des Modellprojekts. In dieser Sache konnten wir mit der SPD leider keine Einigung erzielen. Solange sich das Betäubungsmittelgesetz nicht verändert, ist es – wie der gescheiterte Antrag für das Hamburger Modellprojekt gezeigt hat – schwierig bzw. unmöglich, solche Projekte durchzusetzen. Erst im September 2020 wurde im Gesundheitsausschuss des Bundestages, das von der Grünen Fraktion per Gesetzesentwurf eingebrachte Cannabiskontrollgesetz, von Union, SPD und AfD abgelehnt. Dies ist ein fortwährendes Procedere, denn die Grüne Bundestagsfraktion hat für Gesetzesentwürfe in diesem Bereich bisher keine Mehrheit zusammen bekommen.
Hier finden sich nähere Informationen zur Ablehnung des Cannabiskontrollgesetzes: https://www.bundestag.de/presse/hib/792930-792930.
Sollten sich mehrere Bundesländer (also auch Länder ohne Grüne Spitze) positiv für eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes aussprechen, könnte es auch vonseiten des Bundesrates zu einer Gesetzesinitiative kommen. Da dies allerdings relativ unwahrscheinlich ist, hoffen wir an dieser Stelle auf positive Veränderungen durch die Bundestagswahl im Herbst und einen neuen Handlungsspielraum der sich dadurch dann auch für uns ergibt.
Ich hoffe ich konnte dir etwas Klarheit verschaffen!
Freundliche Grüße
Eva Botzenhart
(P.S.: Im November letzten Jahres hat sich herauskristallisiert, dass sich der Hamburger Senat erstmalig offen für "Drug-Checking" (also der chemischen Analyse von Substanzen zum Schutz von Konsument*innen) zeigt und einem entsprechenden Antrag im Bundesrat zustimmen würde. Das ist bei uns schon mal ein Schritt in die richtige Richtung und macht Hoffnung.)