Frage an Eva Botzenhart von Peter S. bezüglich Haushalt
Sehr geehrter Frau Botzenhart,
beim geplanten Elbtower ist die vorgesehene Bruttogeschossfläche in einem Nachtrag zum Grundstückskaufvertrag mit der Signa Prime Selection aufgestockt worden, die Rede ist jetzt von zusammen über 130 000 qm - siehe das Interview mit dem Chef der HafenCity GmbH in der Immobilien-Zeitung:
https://www.immobilien-zeitung.de/1000074655/elbtower-vorstellung-investitionsruine-ist-unfug
Bei der Vertragsvergabe hatte der Senat argumentiert, das Angebot der Signa Prime Selection sei das beste gewesen, wenn man den Preis pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche betrachtet (siehe Antwort auf Frage 2):
Mit der Erhöhung der Quadratmeterzahl von ursprünglich rund 104 000 qm auf rund 130 000 qm fällt bei einem unveränderten absoluten Kaufpreis von 122 Mio. € der Preis pro qm BGF von ursprünglich 1171,51 € auf nur noch 938,46 € pro qm BGF.
Dieser Preis liegt unter dem von einem anderen Bestbieter Anfang 2018 gebotenen Preis von 1060,78 € pro qm (bei einem absoluten Kaufpreis von 131,93 Mio. €).
Kommt damit die Stadt nicht in Konflikt mit dem EU-Vergabe- bzw. Beihilferecht, denn durch den Verkauf des Grundstücks um fast 10 Millionen unter Marktwert wird der Sigma Prime Selection ein erheblicher Vorteil auf Kosten des Hamburger Steuerzahlers verschafft?
Ist der Haushaltsausschuss dieser Frage nachgegangen bzw. wird der Haushaltsausschuss dieser Frage nachgehen, bevor grünes Licht gegeben wird?
Danke im Voraus für Ihre Antwort und
mit freundlichen Grüßen
P. S.
Sehr geehrter Herr Schönberger,
vielen Dank für Ihre Frage zur Aufstockung der Brutto-Grundfläche des geplanten Elbtowers. Es ist gut, dass Sie nachfragen, die Sache ja nicht ganz unkompliziert und mitnichten selbsterklärend.
Es ist richtig, dass die Brutto-Grundfläche (BGF) des geplanten Elbtowers im Zuge des Nachtrags zum Kaufvertrag aufgestockt wurde. Dies hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) auch bei den Beratungen des Stadtentwicklungsausschusses am 12.11.2020 wie folgt zu Protokoll gegeben:
Gesamt – Grundstückskaufvertrag 2018: 135.000 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 159.700 qm
Gesamt oberirdisch – Grundstückskaufvertrag 2018: 98.800 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 122.000 qm
Gesamt unterirdisch – Grundstückskaufvertrag 2018: 36.200 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 37.700 qm
Büro – Grundstückskaufvertrag 2018: 70.000 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 91.000 qm
Hotel – Grundstückskaufvertrag 2018: 16.300 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 11.500
Publikumsbezogene Flächen – Grundstückskaufvertrag 2018: 11.000 qm; „Nachtragsvertrag 1" 2020: 16.200 qm
Der Kaufpreis wurde hierbei nicht angepasst. Diese Tatsache begründet sich wie folgt: das Grundstück wurde mit einem einzureichenden Konzept ausgeschrieben und sowohl anhand des Konzeptes als auch des Preises dann mit diesem Preis als Festpreis vergeben, um gemäß des Bewertungsrasters (Nachzulesen in der Vorabbemerkung des Senats zur Schriftlichen Kleinen Anfrage 21/14277, s. Link am Ende dieses Absatzes) die beste Qualität herauszufinden. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum Höchstgebotsverfahren: Der Festpreis ist von Art und Maß der baulichen Nutzung unabhängig und wurde im Nachtragsvertrag somit nicht angepasst.
https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/63685/elbtower_v_die_menschen_sollen_sagen_das_hat_olaf_scholz_gut_gemacht_welcher_kaufpreis_wurde_verhandelt.pdf
In einem Vertragsvergabeverfahren mit Konzeptausschreibung liegen die Chancen und Risiken der Planung und Genehmigung übrigens bei dem/der Bauherr*in. Wenn er oder sie durch einen optimierten Entwurf mehr Geschossfläche plant, die u.a. durch veränderte Geschosshöhen erreicht wird, müssen weiterhin die von der Freien und Hansestadt Hamburg kaufvertraglich vorgegebenen Anforderungen an Gestaltung, Nutzung, Funktionalität und Qualität des Gebäudes erfüllt werden. Zur gegenüber dem Vorentwurf vorgenommenen Erhöhung des Gebäudes ist es gekommen, weil die Bürgerschaft dem Käufer nachträglich die Vorgabe gemacht hat, eine Aussichtsebene über dem 55. OG in das Gebäude zu integrieren. Die Erhöhung erfüllt zudem auch planerische Vorgaben der Freien und Hansestadt Hamburg bezüglich der genauen Ausgestaltung der Gebäudespitze und der äußeren Linienführung.
So viel zur Erläuterung des Hintergrunds. Nun zu Ihren konkreten Fragen:
1. Kommt damit die Stadt nicht in Konflikt mit dem EU-Vergabe- bzw. Beihilferecht, denn durch den Verkauf des Grundstücks um fast 10 Millionen unter Marktwert wird der Sigma Prime Selection ein erheblicher Vorteil auf Kosten des Hamburger Steuerzahlers verschafft?
Der „Schichtwert“, wie er in der oben verlinkten Schriftlichen Kleinen Anfrage erwähnt wird, ist keinesfalls als Markt- oder Verkehrswert zu verstehen. Um nachzuvollziehen, warum hier keine beihilferechtliche Problematik vorliegt und das Grundstück nicht unter Marktwert verkauft wurde, ist es wichtig, den Unterschied zwischen Markt- und Schichtwert zu kennen: Ein Marktwert ist eine Summe die der Käufer bietet und im Rahmen des Konzeptes für vertretbar hält. Der Schichtwert wird gebildet, um die eingereichten Konzepte in ihrer Qualität vergleichen zu können, indem abgemessen wird, wieviel BGF der jeweilige Bieter für welches Geld bauen will. Er stellt ein Verhältnis und keinen Preis dar. Ihre Aussage „Bei der Vertragsvergabe hatte der Senat argumentiert, das Angebot der Signa Prime Selection sei das beste gewesen, wenn man den Preis pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche betrachtet“ bezieht sich auf den Schichtwert. Hier die nun hoffentlich besser zu verstehende Passage aus der von Ihnen erwähnten Antwort des Senats auf die SKA 21/14277: „In Hamburg ist es üblich, Schichtwerte (vereinfacht: Kaufpreis dividiert durch oberirdische Bruttogeschossfläche (BGF)) als Kenngröße zugrunde zu legen, um nicht einer Maximierung der Grundstücksausnutzung und einer mangelhaften städtebaulichen Qualität Vorschub zu leisten.“ Das Angebot mit dem niedrigsten Schichtwert kann also mitnichten automatisch als das attraktivste Angebot verstanden werden.
Weiter oben habe ich bereits erklärt, was es bedeutet, dass das Grundstück über eine Konzeptausschreibung vergeben und zu einem (von Art und Maß der baulichen Nutzung unabhängigen) Festpreis verkauft wurde: der Kaufpreis wird nicht nachträglich angepasst. Beihilferechtlich würde also lediglich ein Problem bestehen, wenn das Grundstück zum Verkaufszeitpunkt weit unterhalb seines Marktwertes „verscherbelt“ wurde, um jemandem einen Vorteil zu verschaffen. Dies war mitnichten der Fall: Das Grundstück wurde zu einem akzeptablen Preis an einen Käufer vergeben, der im Rahmen der Konzeptausschreibung für die FHH das (gemessen am Schichtwert) attraktivste Angebot vorgelegt hat.
2. Ist der Haushaltsausschuss dieser Frage nachgegangen bzw. wird der Haushaltsausschuss dieser Frage nachgehen, bevor grünes Licht gegeben wird?
Die Angelegenheit stand am 12.11.2020 auf der Tagesordnung des Stadtentwicklungsausschusses.
Da – wie eben erläutert – kein Konflikt mit dem EU-Vergabe- bzw. Beihilferecht besteht, ist der Haushaltsausschuss nicht involviert. Das Protokoll des Stadtentwicklungsausschusses finden Sie hier: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/73500/protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_stadtentwicklungsausschusses.pdf
Ich hoffe Sie können das Verfahren nun etwas besser nachvollziehen. Für Nachfragen stehen mein Kollege Olaf Duge (unser Fachsprecher für Stadtentwicklung & Wohnen) und ich jederzeit gerne zur Verfügung!
Freundliche Grüße
Eva Botzenhart