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Esra Limbacher
SPD
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Frage von Miriam Y. •

Ein großer Teil der demokratischen Gesellschaft versucht seit über einem Jahr, die Politik zu überzeugen, ein AfD-Verbotsverfahren anzustrengen - warum weigert sich die Politik noch immer?

Die AfD zeigt ihr wahres Gesicht – die Forderung nach Remigration hat es nun sogar ins Wahlprogramm geschafft (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-parteitag-324.html). Phrasen, die AfD müsse man inhaltlich stellen oder sie ließe sich gar von Herrn Merz halbieren, sind Phrasen geblieben.

Im Sinne unserer wehrhaften Demokratie hat die Gesellschaft ihren Beitrag geleistet: Die Menschen haben in einer der bundesweit größten Petitionen gefordert, einen Verbotsantrag zu stellen (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verbot-unterschriften-100.html). Vor einem Jahr haben allein an drei Wochenenden fast 2 Mio. Menschen gegen rechts demonstriert (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/demonstrationen-gegen-rechtsextremismus-102.html).

Demokratische Politiker haben dieses Engagement begrüßt – ihren Part aber nie erfüllt. Aus Bürgersicht fühlt sich das zunehmend wie unterlassene Hilfeleistung an. Wie können Sie das in unserer heutigen Welt noch rechtfertigen?

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Antwort von
SPD

Guten Tag Miriam Y.,

vielen Dank für Ihre Frage! Als Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag teilen wir Ihre Sorgen und beobachten eine sich immer schneller drehende Radikalisierungsspirale bei der AfD. Wir erkennen eindeutig, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies wird durch eine Vielzahl von Äußerungen, auch von höchsten Vertreterinnen und Vertretern der Partei, deutlich. Aufgrund unserer politischen Geschichte stellt unsere Verfassung jedoch sehr hohe Ansprüche an ein Parteiverbot und setzt eine akribische Beweisführung voraus.

Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Demnach sind solche Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.

Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfas-sungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat.

Aufgrund dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in unserer Demokratie sehr hoch. Auch eine Haltung, die oberste Verfassungswerte in Zweifel zieht, nicht anerkennt oder abgelehnt, genügt dem Bundesverfassungsgericht nach vergangenen Urteilen nicht, um ein Verbot auszusprechen. Vielmehr muss bewiesen werden, dass die angeklagte Partei planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass die Beseitigung erfolgreich sein kann. Dies muss in einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt werden, das nach bisherigen Erfahrungen mindestens 1,5 Jahre, wenn nicht länger, in Anspruch nimmt und hohe Voraussetzungen und Ansprüche an diese Beweisführung stellt. 

Aufgrund ihrer immer deutlicher zutage tretenden Haltung führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall. Die Rechtmäßigkeit dieser Beobachtung wurde durch das Verwaltungsgericht Köln und nun auch durch das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsinstanz bestätigt. Das Bundesamt darf damit Erkenntnisse über die Handlungen der AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sammeln. 

Ich sehe das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Pflicht, eine äußerst sorgfältige Beweisaufnahme gegen die AfD zu führen. Die Auswertung dieser Erkenntnisse durch den Verfassungsschutz spielt auch für uns als Fraktion eine Rolle, wenn wir darüber entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen. Es handelt sich um eine politische Entscheidung mit großer Tragweite, da der Antrag ausschließlich auf ein Verbot der Partei gerichtet sein kann. Eine richterliche Prüfung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei kann dagegen nicht beantragt werden. Die Beweissammlung muss deshalb umfassend sein, bevor wir entscheiden zu können, dass wir den Weg nach Karlsruhe beschreiten.

Dies alles darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rechtsextremes Gedankengut, wie es die AfD als Partei kanalisiert, nicht an erster Stelle durch ein Parteiverbot zu bekämpfen ist. In der Tradition unserer langen Geschichte setzen wir uns als Sozialdemokraten für demokratische Aufklärung, politische Bildung und die Entkräftung von Verschwörungstheorien im Kampf gegen den Rechtsextremismus ein. Unser primäres Ziel muss es sein, die AfD politisch zu stellen. Nur auf diese Weise können wir aufzeigen, wie sehr diese Partei den Wohlstand und eine gute Zukunft für unsere Gesellschaft bedroht.

Mit freundlichen Grüßen

Esra Limbacher

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