Frage an Ernst-Ewald Roth von Matias Leão R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
"Allgemeinverbindlichkeitserklärungen (AVE) von Tarifverträgen"
Sehr geehrter Herr Roth!
Laut Wikipedia hat sich seit Beginn der 1990er Jahre der Anteil der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge an allen geltenden Ursprungstarifverträgen von 5,4 % auf 1,5 % im Jahr 2008 verringert. Der wichtigste Grund für diesen Rückgang liege in der zunehmend ablehnenden Haltung der Arbeitgeberseite zu diesem Instrument: In den Tarifausschüssen hätten die Arbeitgebervertreter in den letzten Jahren sehr viel häufiger als früher von ihrem Vetorecht gegen AVE-Anträge Gebrauch gemacht – manchmal auch gegen den Willen des betreffenden Branchenarbeitgeberverbands. Die Folge sei, dass die Allgemeinverbindlichkeit in Branchen, in denen sie früher regelmäßig beantragt und ausgesprochen wurde (wie z. B. dem Einzelhandel), heute kaum noch eine Bedeutung hat.
Ich bitte Sie höflich freundlicherweise Stellung zu nehmen, wie stark die Tarifbindung in den Branchen in Wiesbaden gilt und welche Hoffnungen Tarifpartner wie im Kurzfilm vorgestellt in die zukünftige Entwicklung der AVE seitens des Landes setzen können?
Mit besten Dank und Grüßen
gez. Hr. Rautenberg
Sehr geehrter Herr Rautenberg,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema allgemeinverbindlicher Tarifverträge und Ihr Interesse an meiner Position hierzu.
Ich möchte Sie gleich zu Beginn meiner Antwort auf die Beantwortung Ihrer gleich lautenden Frage durch meine Wiesbadener Kollegin aus dem Deutschen Bundestag Heidemarie Wieczorek-Zeul, MdB verweisen.
Sie nimmt zu diesem Thema ausführlich Stellung und nimmt dabei Bezug auf das Wahlprogramm der SPD im Bund.
Sie schreibt aber auch, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nur zum Teil Schutz vor Armutslöhnen bieten, da in etlichen Tarifverträgen auch Löhne zwischen vier und sieben Euro pro Stunde vorgesehen sind.
Hier setzen wir als hessische SPD an und fordern in unserem Regierungsprogramm 2014-2019, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Durch zurückgehende Tarifbindung und zunehmende Dumpingtarifverträge geraten die Löhne immer mehr unter Druck. Deshalb brauchen wir einen flächendeckenden gesetzlichen dynamischen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro – auch in Hessen. Wir werden deshalb Bundesratsinitiativen ergreifen, bis ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland durchgesetzt ist. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, prüfen wir die Einführung eines Landesmindestlohngesetzes nach Vorbild des Landes Bremen.
Die öffentliche Hand muss als Arbeitgeber Vorbild sein für eine gute Lohnentwicklung, für Mitbestimmung, gute Arbeitsbedingungen und für eine faire Arbeitszeit. Das Land muss über die öffentliche Vergabe sowie die Wirtschaftsförderpolitik Einfluss nehmen, um den Niedriglohnsektor und prekäre Arbeitsverhältnisse einzudämmen. Diesen Anspruch werden wir mit einem Tariftreue- und Vergabegesetz für Hessen einlösen, das bei öffentlichen Aufträgen einen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro garantiert. Für die Umsetzung und weitere Anpassung werden wir eine Mindestlohnkommission unter Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitgebern einsetzen.
Nochmals vielen Dank für Ihr Interesse!
Mit freundlichen Grüßen
Ernst-Ewald Roth, MdL