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Emanuel Kotzian
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Frage von Patrick L. •

Frage an Emanuel Kotzian von Patrick L. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Kotzian,

die Piratenpartei ist eine der wenigen Parteien die sich in der Diskussion um sogenannte "Killerspiele" offen gegen eine Kriminalisierung der Jugendkultur stellt. Die deutschen Jugendschutzbestimmungen sind im internationalen Vergleich unheimlich hoch angesetzt, kein anderes europäisches Land kennt so etwas wie eine Indizierung welche in vielen Fällen einem Verkaufsverbot gleich kommt.

Trotzdem kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu tragischen Amokläufen an deutschen Schulen, zuletzt an der Albertville-Realschule in Winnenden im Jahr 2008. Zufällig war ich an diesem Tag nur einen Nachbarort weit entfernt, ein beklemmendes Gefühl!

Was sind Ihre konkreten Vorschläge solch tragische Ereignisse zu verhindern?

Mit freundlichen Grüßen
Patrick Linnert

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Linnert,

vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre wichtige Frage.

Solch ein Amoklauf macht einen jeden betroffen. Ein Ereignis von solcher Brutalität und Sinnlosigkeit sollte zum Nachdenken anregen, was man als einzelner und was die Gesellschaft als Ganzes tun kann, damit sich so etwas nicht wiederholt. Wir müssen uns dabei aber klar sein, dass die Ursachen vielschichtig sind, und dass es eine einfache Antwort auf diese Frage nicht gibt.

Der Todesschütze von Winnenden war ein 17-jähriger der eine Schusswaffenausbildung hatte. Er hatte im Elternhaus Zugang zu großkalibrigen Waffen.
Sicherlich weiß jeder aus eigener Erfahrung, dass Jugendliche in emotional schwierigen Situationen zu Überreaktionen neigen. Deswegen muss die Frage erlaubt sein, ob es notwendig ist, dass Jugendliche als Schützen ausgebildet werden und Sportschützen gefährliche Schusswaffen zu Hause haben. Betrachten wir hingegen den Beitrag, den beispielsweise sogenannte Killerspiele (Ego Shooter), Action-Filme und Paintball zu Amokläufen leisten könnten, so ist dieser in der psychologischen Forschung als äußerst gering eingestuft.

Die Ursache für Amoktaten, die im Übrigen seit Jahrhunderten in allen Weltregionen beschrieben werden, sehen Psychologen jedenfalls als „ unkalkulierbare Reaktion auf die Lebensumstände, Eltern, Vorgesetzten, Nachbarn, Lehrer, Behörden u.a., von denen man sich missverstanden, ungerecht behandelt, gekränkt oder gedemütigt fühlt. Und manchmal auch als verzweifelte Reaktion auf die eigenen unzureichenden Möglichkeiten, die ständig einengenden Grenzen, Belastungen und Zwänge durch eigene Ungeschicklichkeit, Unfähigkeit u.a." (Prof. Dr.med. Volker Faust).

Deswegen wird man wohl nie alle Amoktaten verhindern können. Es kann aber gelingen, durch eine Kultur des Miteinanders, des Hinschauens, des Mitgefühls und der gegenseitigen Verantwortung Menschen zu helfen bevor sie in Ausnahmesituationen abgleiten.

Verbote von Spielen, die in der Praxis dann kaum durchzusetzen wären, sind der gesunden Entwicklung von Jugendlichen mit Sicherheit nicht zuträglich, sie fühlen sich noch weiter eingeengt und bevormundet.

Ein Verbot von Ego Shootern würde deren Beliebtheitsgrad bei Jugendlichen noch steigern und wäre selbst bei abgeschaltetem Internet nicht durchsetzbar, schon in den 80er Jahren hatte fast jeder Jugendliche der einen Computer hatte verbotene und nicht verbotene Spiele als "Raubkopien".

Völliges Unverständnis habe ich deswegen dafür, wenn Herr Schäuble ein Verbot von Ego Shootern und Paint Ball anstrebt, nachdem er sich erst im September 2007 dafür eingesetzt hat, Sportschützen unter 21 Jahren solle es wieder erlaubt werden, großkalibrige Waffen zu kaufen und mit nach Hause zu nehmen.

Solche Widersprüche lassen Herrn Schäubles Bemühungen doch sehr unmotiviert erscheinen, man will halt dem Wähler zeigen, das man etwas getan hat, ob es wirkt ist letztlich egal.

Meine persönliche Meinung:

Man muss kein Freund von Egoshootern und Paintball sein, aber die Diskussion sollte ehrlich und sachlich erfolgen. Dann wird man feststellen, dass ein Verbot davon faktisch niemandem nützt.

Bei Waffen sieht es etwas anders aus, mit Waffen kann man direkt Menschen töten und es passiert in Deutschland jeden Tag, dass Menschen durch Schusswaffen zu Schaden kommen.
Auch hier ist Augenmaß und eine sachliche Diskussion gefragt. Ich finde, dass das Leben umso sicherer ist, umso weniger Menschen mit Waffen unterwegs sind.
Es würde ja auch niemand ernsthaft fordern, Kriegswaffen wie Mörser und Raketen in Privathand zuzulassen. Wenn es um Gewehre und Pistolen geht, dann muss der Schaden gegen den Nutzen abgewogen werden. Und der Nutzen den ich sehe, wenn diese Waffen mit nach Hause genommen werden können, statt sie im Schützenverein zu lassen, ist beinahe Null.

Man darf jedoch nicht erwarten, dass sich durch generelle Schusswaffenverbote Amoktaten gänzlich verhindern lassen. Amoktäter, die keinen Zugang zu Schusswaffen haben, verwenden dann beispielsweise Messer, Äxte, Sprengstoff oder Fahrzeuge oder sie beschaffen sich illegal Schusswaffen. Fast ein Drittel aller Amoktaten wird im Übrigen durch Menschen verübt, die beruflichen Umgang mit Waffen haben, wie etwa Soldaten, Polizisten und Förster, die durch Waffenverbote sowieso kaum eingeschränkt wären.

Ich muss Sie also enttäuschen, falls Sie von mir eine einfache Antwort auf die Frage erhofft haben, wie man Amokläufe verhindern kann.Dafür ist ein Reifeprozess in unserer gesamten Gesellschaft notwendig, den man nicht per Gesetz verordnen kann.
Jeder einzelne ist dabei gefordert, durch einen umsichtigen und verantwortungsbewussten Umgang mit seinen Mitmenschen das Zusammenleben zwischen den Menschen zu verbessern.

Wir als Piraten wollen unseren Beitrag dazu leisten, in dem wir an einer Gesellschaft mitarbeiten, die gerechter, sozialer und lebenswerter ist, als die, die wir heute in Deutschland vorfinden. Dazu gehört für uns als erstes der Kampf für die verfassungsgemäß verbürgten Menschenrechte, für die Selbstbestimmung des Menschen und gegen totalitäre Auswüchse des Staates. Wir wissen aber, dass ein tiefergehender gesellschaftlicher Wandel notwendig ist.

Wie sie wissen, ist unsere Partei noch jung und die Diskussion bei den Piraten zu diesem Thema ist noch keineswegs abgeschlossen. Generell lehnt die Piratenpartei ein Verbot von sogenannten „killerspielen“ ab.

Wenn Sie Ihre Meinung in diese Diskussion einbringen wollen, dann kommen Sie doch einfach mal bei einem unserer Piratenstammtische vorbei oder beteiligen sich bei uns im Onlineforum an der Diskussion.

Es grüßt,

Ihr Emanuel Kotzian