Frage an Emanuel Kotzian von Simon S. bezüglich Verbraucherschutz
In Deutschland existiert derzeit die sogenannte Datei "Gewalttäter Sport". Sie ist nach einem Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig, da das Urteil aber noch nicht rechtskräftig ist, blockt die Regierung derzeit jeden Versuch der Abschaffung/Änderung ab.
In der Datei sind derzeit über 11.000 Fußballfans gespeichert, ein Eintrag ist durch eine einfache Personalienaufnahme möglich, die Folgen können verheerend sein (Meldeauflagen, Gefährderansprachen, Ausreiseverbote).
Weitere Informationen zur Datei gibts hier:
http://www.stadionwelt.de/neu/sw_fans/index.php?folder=sites&site=news_detail&news_id=2864
Würden sie sich für eine Abschaffung dieser Datei einsetzen, die derzeitige Praxis beibehalten oder eine Änderung dieser Datei befürworten (wenn ja, wie?)?
Danke im Voraus!
Sehr geehrter Herr Schmidt,
danke für Ihre Frage. Sie ist die allererste die ich über diesen Kanal erhalte!
Ihre Frage kann ich nur mit einem klaren Ja beantworten. Nach Überzeugung der Piratenpartei hat die datentechnische Erfassung und Überwachung seitens des Staates in den letzten Jahren überhand genommen und ist im Allgemeinen nicht mehr hinnehmbar. Oft außerhalb der verfassungsrechtlich garantierten Rechtstaatlichkeit. Manchmal sogar innerhalb juristischer Grauzonen, welche einer echten Demokratie nicht würdig sind. Bei der von Ihnen genannten Datei „Gewalttäter Sport“ sehe ich drei Probleme:
1) Die Erfassung erfolgt nicht zwingend durch ein Gericht. Damit haben „Eingetragene“ weniger Möglichkeiten sich gegen diese Eintragung juristisch zu wehren.
2) Es besteht die Gefahr der doppelten Bestrafung! Es gibt keine sachliche Begründung weshalb ein Gewalttäter innerhalb eines Sportstadions anders bestraft werden soll, als an der Bushaltestelle oder anderen Orten. (Stellen Sie sich bitte die Absurdität, Orwell´sche Dimension´ und die täglichen Konsequenzen einer Datei „Gewalttäter Bushaltestelle“, „Gewalttäter Wald“ oder „Gewalttäter Tankstelle“ vor!)
3) Der Entzug der Reisefreiheit stellt einen unverhältnismäßigen und zu tiefen Eingriff in die bürgerlichen Rechte dar, als das er ohne gerichtliche Einzelprüfung ausgesprochen werden darf. Jeder Fall des Entzugs der persönlichen Freiheit setzt aus unserer Sicht ein unabhängiges Gerichtsverfahren voraus. An diesem Monopol von Gerichten darf nicht gerüttelt werden.
Natürlich ist die Piratenpartei - sowie auch explicit ich - gegen Gewalt! Egal ob im Stadion oder an anderen Orten. Gewalttäter, die den friedlichen Ablauf von Sportveranstaltungen stören müssen bestraft werden. Allerdings von einem unabhängigem Gericht und innerhalb rechtstaatlicher Normen. Aus meiner Erfahrung als Schöffe am Nürnberger Jugendgericht kann ich Ihnen versichern dass schon heute Gerichte direkte Auflagen aussprechen. Diese zielen auf die individuelle Straftat ab und treffen im Einzelnen den Verurteilten direkt und viel effektiver. Sie sind darüberhinaus klar zeitlich definiert und an einen rechtstaatlichen juristischen Weg gekoppelt. Für diese „Arbeitsteilung“ der Verfassungsorgane stehen wir ein! Um die Möglichkeiten der unabhängigen Gerichte zu stärken sollte aber Seitens des Gesetzgebers darüber nachgedacht werden, ob neben Haft- und finanziellen Bußandrohungen, dem Strafgesetzbuch bzw. den einzelnen Paragrafen zeitgemäße Formen der Strafandrohung beizufügen sind. Hiermit hätten wiederum Richter eine viel klarere Vorgabe und ein zeitgerechtes Instrumentarium um mit verschiedenen Formen der Kriminalität umzugehen.
Ihre Frage nehme ich zum Anlass am nächsten Bundesparteitag der Piratenpartei zwei inhaltliche Anträge zu stellen. Einen zum Themenkomplex „Strafrecht im 21sten Jahrhundert“ und einen zum Thema „Hooligans“. Diese werden allerdings erst nach dem 27.09.09 formuliert, da sich die Piratenpartei geeinigt hat bis zu den Wahlen keinerlei neue Themen zu diskutieren, und sich auf die gemachten Aussagen zu konzentrieren. Ich hoffe Ihre Frage zufriedenstellen beantwortet zu haben. Gerne stehe ich für weitere Fragen zur Verfügung.
Emanuel Kotzian