Resilenz des Bundesverfassungsgerichts?
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker
Mich freuen Pläne, das Bundesverfassungsgericht resilenter zu machen gegen Schwächungen wie in Israel oder Polen.
Gesetze machen stelle ich mir vor wie bei der Technik mit gefährlichen Produkten, wo man eine Fehler-Folge-Analyse (FMEA) macht.
Ein möglicher Fehler wären MeToo- oder Bossing-Vorwürfe. Das BVerfG ist eine große Behörde mit vielen Mitarbeitern, die alle viel weniger mächtig sind als die gewählten 16 Richter. In anderen Institutionen wie beim Film, Theatern, Universitäten, den Kirchen hat es für die Institution gefährliche Vorwürfe gegeben. Die Vorwürfe müssen ja nicht stimmen, sie brauchen nur mit geschickter Agitation vorgetragen zu werden.
Wie möchten Sie diesen berücksichtigen?
2. Mir scheint, das B. ist zu langsam. 1 Jahr für die einfache Frage nach Zuständigkeit des Gesetzgebers, wo das Bayrische LVerfG nach 2 Monaten fertig war. 11 Monate für die Wahlprüfung in Berlin. Fällt Ihnen was ein, wie das schneller gehen kann?
Sehr geehrter Herr S.,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Ich sehe es genauso wie Sie, dass wir unser Verfassungsgericht vor extremistischen verfassungsfeindlichen Einflüssen schützen müssen. Die Diskussion darüber hat nun im politischen Berlin Fahrt aufgenommen und ich hoffe, dass wir diesbezüglich gemeinsam mit der Ampel-Koalition schnell zu guten Lösungen kommen. In der vergangenen Woche habe ich zu dem Thema dem juristischen Medium LTO auch ein ausführliches Interview gegeben, das Sie hier bei Interesse gerne nachlesen können: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verfg-gg-aenderung-resilienz-schutz-richterwahl-blockade-union-ampel/.
Ihre Sorge, dass es auch gefährliche Bewegungen „von innen“ heraus in der Verwaltung des Gerichtes geben könnte, die dazu führen, dass die Arbeitsfähigkeit der Richterinnen und Richter negativ beeinträchtigen würde, teile ich nicht. Die für die Bundesverfassungsrichter bestehenden Verhaltensleitlinien und weitere Regeln halte ich für ausreichend. Handelt ein Richter „entehrend“ oder begeht bspw. eine Straftat, kann das BVerfG nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG den Bundespräsidenten ermächtigen, die betroffene Person aus dem Amt zu entlassen. Dies muss allerdings zunächst erstmal geprüft werden. Dies sind alles rechtsstaatliche Aspekte, die eine innere Funktionsfähigkeit des BVerfG absichern. Ein einfacher (nicht belegbarer) Vorwurf wird daher aus meiner Sicht nicht zu Schwierigkeiten führen in Bezug auf die Resilienz des Gerichts, zumal bei der Anzahl von 16 Richtern immer noch Handlungsfähigkeit gegeben ist, selbst wenn ggf. ein Richter von etwaigen Vorwürfen betroffen sein sollte. Im Übrigen wirkt schon die strenge Auswahl der Richter insoweit schützend, dass dort integre Personen mit einer sehr hohen fachlichen, aber auch menschlichen Qualifikation ausgewählt werden.
Die Länge der Verfahren hängt vom jeweiligen Sachverhalt und der Gewichtung ab. In Fällen wie bei der Wahlprüfungsbeschwerde bezüglich der Wahlen in Berlin sind viele Aufklärungsschritte erforderlich, in diesem Fall vor allem das Beleuchten sämtlicher Vorgänge in den vielen einzelnen Wahllokalen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer des Bundesverfassungsgerichts betrug im Zeitraum von 2013 bis 2022 bei rund 82 Prozent der Verfahren bis zu einem Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker