Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Alex E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker,
Professor Dr. Dietrich Murswiek aus Freiburg schreibt über den Vertrag von Lissabon: Der Vertrag von Lissabon löst die Säulenstruktur der Europäischen Union auf. Dies hat zur Folge, dass die Europäischen Verfassung als Oberverfassung die Verfassungen der Mitgliedstaaten vorprägen und der EU Gerichtshof den nationalen Verfassungsgerichten auch dort als Oberverfassungsgericht übergeordnet wird, wo es um rein innerstaatliche Verfassungsfragen geht. Sie wurde bisher nicht bemerkt und kann nur durch einen völkerrechtlichen Vorbehalt noch gestoppt werden, den diejenigen Mitgliedstaaten noch anbringen könnten, die den Vertrag bislang noch nicht ratifiziert haben.
Siehe: Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ)
2009, Heft 8 (April).
Was halten Sie, die der sog. "EU Verfassung" zugestimmt haben, davon? Werden Sie sich evtl. dafür einsetzen, dass dieser Fall nicht eintreten darf oder halten Sie die Abwertung des Grundgesetzes als vertretungwürdig?
Sehr geehrter Herr Eggert,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Ich habe dem Lissabonvertrag zugestimmt, weil ich eine Stärkung der Europäischen Union für richtig halte. Die ursprüngliche Motivation, den Frieden unter den Mitgliedsländern zu sichern, ist hier ebenso wichtig, wie die Stellung Europas in einer globalisierten Welt. Mit zusammen knapp 500 Millionen Menschen in der Europäischen Union werden wir in einer Weltbevölkerung von ca. 6,75 Milliarden Menschen nur dann ein überproportional hohes Maß an politischem Einfluss haben und unsere Werte gegenüber Staaten wie den USA, aber auch China, Indien und künftig denkbaren staatlichen Zusammenschlüssen in Afrika und Südamerika wahren können, wenn wir unsere Interessen bündeln und gemeinsam vertreten.
In der Diskussion um den Vertrag von Lissabon sind verfassungsrechtliche Bedenken durchaus kontrovers diskutiert worden. Allerdings wurde der von Ihnen angesprochene Aspekt damals nicht ausdrücklich thematisiert. Mit Bundesregierung (einschließlich des für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit zuständigen Bundesministeriums der Justiz), Bundesrat und Bundespräsident haben neben dem Bundestag drei weitere Verfassungsorgane im Ergebnis die Verfassungsmäßigkeit des Vertrages bejaht. Nachdem der Kollege Dr. Gauweiler, MdB, gegen den Vertrag Organklage und Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben hat, hat Professor Dr. Murswiek als sein Prozessvertreter dort seine Bedenken, auf die Sie Bezug nehmen, vorgetragen. Im Rheinischen Merkur hat sich Professor Dr. Paul Kirchhof ähnlich geäußert. Es liegt nun zunächst am Bundesverfassungsgericht, diese Bedenken verfassungsrechtlich zu bewerten. Seine Entscheidung wird in wenigen Wochen erwartet. Diese Entscheidung und die ausführliche Begründung des Gerichts sollten nun in Ruhe abgewartet und etwaige Konsequenzen anschließend geprüft werden.
Freundliche Grüße
Elisabeth Winkelmeier-Becker