Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Hans-Jürgen W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Winkelmeier-Becker
meine Frage zielt auf den Fraktionszwang, der wohl doch vorhanden ist, obwohl jeder Abgeordnete nur nach seinem Gewissen handelt und nur diesem verpflichtet ist.
Die Bundeskanzlerin höchstpersönlich, hatte nämlich diesen Fraktionszwang im Zuge der Abstimmung „Ehe für alle“ aufgehoben.
Ich denke, das Sie sich sicherlich mal mit diesem Thema beschäftigt haben, da Sie ja wieder für den Bundestag kandidieren. Ich bitte daher um Ihre Meinung und Einschätzung dieser doch sehr sehr wichtigen Angelegenheit.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
H. W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage hier auf abgeordnetenwatch.de zum „Fraktionszwang“. Einen durchsetzbaren "Fraktionszwang“ gibt es nicht, denn wie Sie richtig anmerken ist jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet. Bei Parteien, die ihre Abgeordneten vor allem über Wahllisten bestimmen (so fast alle Parlamentarier der Linken und der Grünen) besteht natürlich ein gewisses "Drohpotenzial", z.B. bei häufiger abweichendem Abstimmungsverhalten bei der nächsten Wahl nicht wieder aufgestellt zu werden. Gegenüber direkt gewählten Abgeordneten, die nicht von der Aufstellung auf der Liste ihrer Partei zur Wahl abhängig sind, bestehen dagegen kaum Möglichkeiten der "Disziplinierung", zumal wenn sie auch außerhalb der Politik eigenständige berufliche Optionen haben. Was es in der CDU/CSU- Bundestagsfraktion - so wie in jeder Fraktion - gibt, ist eine gemeinsam getragene Fraktionsdisziplin. Das bedeutet, dass es innerhalb der Fraktion offene und kontroverse Diskussionen zu allen Themen gibt. Wurde dann ein Beschluss mit Mehrheit gefasst, so besteht die Erwartung, dass dies auch nach außen geschlossen mitgetragen wird. Davon profitiert jeder Abgeordnete oder jede Arbeitsgruppe, die die Mehrheit der Fraktion braucht, um ihre Positionen und Verhandlungsergebnisse auch tatsächlich umsetzen zu können. Jeder Abgeordnete muss entscheiden, wo er trotzdem im Einzelfall von der gemeinsamen Linie abweichen will. Alternativ steht jedem die Möglichkeit einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung offen, um Bedenken in der Sache zu verdeutlichen. Wenn in den Medien zu lesen ist, dass der „Fraktionszwang“ wie etwa bei der „Öffnung der Ehe“ aufgehoben wurde, dann bedeutet dies, dass die interne Diskussion und Abstimmung einer gemeinsamen Position von Anfang an entfällt.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker