Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Carlos C. bezüglich Verkehr
Hallo Frau Winkelmeier-Becker
ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie Sie zur geplanten Privatisierung der deutschen Autobahnen stehen.
Vor allem interessiert es mich zu erfahren, weshalb der Steuerzahler dafür haften muss wenn der private Investor Verlust oder gar Insolvenz wird.
lg
Carlos
Sehr geehrter Herr Crespo,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur „Infrastrukturgesellschaft“. Eine Privatisierung von Autobahnen wird es nicht geben. Wie ich bereits Herrn Lüdder hier auf abgeordnetenwatch.de geantwortet habe, war der Hintergrund der Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr (Art. 90 GG) die Änderung des Grundgesetzes zur Neuregelung der Finanz- und Verwaltungsbeziehung zwischen Bund und Ländern.
Durch die Infrastrukturgesellschaft erhält der Bund im Kern die Verantwortung für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung der Bundesautobahnen. Der Bund kann sich zur Erledigung dieser Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Das kann eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft sein; diese Gesellschaft und mögliche Tochtergesellschaften müssen dauerhaft im unveräußerlichen Eigentum des Bundes bleiben. Sogar eine Beteiligung privater Investoren ist grundgesetzlich ausgeschlossen.
Ziel der Regelungen ist die Beseitigung der bestehenden erheblichen Reibungsverluste durch eine Entflechtung von Landes- und Bundeszuständigkeiten. Hier ist bisher die Erfahrung, dass durch das Auseinanderfallen von Planungs- und Finanzierungszuständigkeiten auf Bundes- und Länderbehörden viele Vorhaben verzögert oder gar nicht betrieben werden, weil das Land andere Prioritäten setzt; so z.B. in der Vergangenheit in NRW, wo selbst Projekte, die mit Vordringlichem Bedarf im Bundesverkehrswegeplan standen, schlicht nicht geplant und betrieben wurden.
Das Eigentum des Bundes am Straßennetz und an der Gesellschaft privaten Rechts ist im Grundgesetz festgeschrieben, d.h. das Eigentum bleibt vollständig beim Bund und ist unveräußerlich. Damit ist eine materielle Privatisierung ausgeschlossen; von einem Ausverkauf der Autobahnen kann also keine Rede sein.
Davon zu unterscheiden sind sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) zur Finanzierung (ohne Beteiligung am Eigentum!), die weiterhin in geringem Umfang möglich bleiben. Dabei übernimmt ein privater Investor den Bau und die Unterhaltung eines Autobahnabschnitts für viele Jahre. Wie bisher schon muss der wirtschaftliche Vorteil eines solchen Verfahrens im Einzelfall nachgewiesen werden. Dabei wird eine Lebenszeitbetrachtung angestellt, d. h. alle zu erwartenden Leistungen bis zum Ende der Lebenszeit (Zeitpunkt der notwendigen grundlegenden Erneuerung der Straße) werden einberechnet.
Hier die entscheidende Passage der Grundgesetzänderung:
Artikel 90 wird wie folgt geändert:
1. Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Der Bund bleibt Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich.“
2. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
„(2) Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen. Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
Ihre Sorge, dass der Steuerzahler bei Zahlungsausfall oder Insolvenz haften soll, kann ich nicht nachvollziehen. Sie können mir diese Sorge gerne genauer erläutern. Wenden Sie sich dafür auch per E-Mail an elisabeth.winkelmeier-becker@bundestag.de
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker