Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Hans-Joachim G. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
wie ich lese, sind Sie als Richterin tätig gewesen. Im WDR- Fernsehen ("Planet Wissen") hat nun ein wissenschaftlich ausgewiesener Richterkollege (Prof. Thomas Fischer, BGH) geäußert, dass in einer außerordentlich großen Zahl der Fälle überflüssigerweise Gutachten von Richtern in Auftrag gegeben werden (1). Demgegenüber sieht die Verbands- Funktionärim Andrea Tietz "kein manifestes Problem" (2). Der ehemalige Richter Bergmann äußerte: "Wenn der Richter meint, die Oma sei sachverständig, dann ist die Oma sachverständig."(3). Mich würde dazu Ihre -juristisch sachverständige- Meinung interessieren:
Stimmt die Einschätzung, dass Richter Ihre gesetzliche Letzt-Verantwortung gern delegieren oder gibt es "kein manifestes Problem"? Haben Gutachter die Pflicht, den Gutachtensauftrag zurückzugeben, wenn sie selber merken müssen, dass sie als Gehilfe des Gerichts nicht infrage kommen, weil sie keine spezifische -z.B. humanwissenschaftliche- Sachkunde (außer "Oma" zu sein) haben? Wie könnte man -als Richterin- die konkrete Tätigkeit seiner Gehilfin -der Gutacherin/ Psychiaterin/Psychologin- in einem ganz konkreten Fall besser überprüfen als durch die komplette Videografie des Untersuchungsgespräches? Herrn Krystek hatten Sie geraten, sich bzgl. der Einführung der Videografie (zur Vermeidung von Justizirrtümern) an das Ministerium zu wenden (4). Hat sich denn auch der Rechtsausschuß dorthin gewendet bzw. Sie? Falls nein: Was hinderte daran?
Für die vollständige und wahrheitgemäße Beantwortung meiner Fragen bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Hajo Gärtner
1) ab min 16:50 hier: https://www.youtube.com/watch?v=P1E8Uyu8Owo
2) ab min 17:20 ebenda
3) ab min 17:35 ebenda
4) http://www.abgeordnetenwatch.de/elisabeth_winkelmeier_becker-778-78578--f434354.html#q434354
Sehr geehrter Herr Gärtner,
zunächst darf ich auf die bereits geltenden Vorschriften über den Sachverständigenbeweis im Prozess gem. §§ 404 ff. ZPO (insbesondere § 407a ZPO) verweisen. Auf Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde die Reform des Sachverständigenrechts bereits in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Deshalb konnte nun vor der Sommerpause vom deutschen Bundestag und vor kurzem vom Bundesrat das Gesetz zur Reform des Sachverständigenrechts verabschiedet werden, das die Neutralität von gerichtlichen Gutachtern stärken und die Qualität und Termingerechtigkeit der von ihnen erstellten Gutachten verbessern soll. Damit reagieren wir auf eine Vielzahl von Bürgerschreiben und Presseberichten, die auf Defizite bei der Gutachtenqualität hinweisen und die Unabhängigkeit gerichtlich bestellten Sachverständiger in Frage stellen. Künftig sollen nur noch Sachverständige mit einer psychologischen, psychotherapeutischen oder ärztlichen Berufsqualifikation berufen werden, Pädagogen kommen nur noch in Betracht, wenn sie über eine diagnostische oder analytische Zusatzqualifikation verfügen. Außerdem müssen Sachverständige in jedem Stadium des Verfahrens sorgfältig prüfen, ob sie mit der Ausführung in einen Interessenkonflikt kommen. Gutachter, die dieser Offenlegungspflicht nicht nachkommen, haben künftig mit einem empfindlichen Ordnungsgeld zu rechnen. Zudem verliert der Sachverständige in solchen Fällen seinen Vergütungsanspruch. Mit dem Gesetz wird insgesamt für eine bessere und effizientere Durchführung des Sachverständigenbeweises gesorgt.
Mit dem BMJV haben wir im gesamten Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich eng zusammengearbeitet.
Freundliche Grüße
Elisabeth Winkelmeier-Becker