Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Otto R. bezüglich Finanzen
Der Bundefinanzminister läßt durch seinen Mitarbeiter im Lande verkünden, daß der deutsche Steuerzahler nicht nur ein drittes mal Geld an Griechenland geben solle sondern gleichzeitig auch noch auf die vereinbarte Rückzahlung bisheriger Geldgaben verzichten möge. Das entspricht einem Schuldenschnitt, den es doch nicht geben sollte. Nichts anderes ist es, wenn mit noch weniger Zins zurückgezahlt wird und die Rückzahlung so weit in die Zukunft hinein verschoben wird, daß das Geld dann nichts mehr wert ist, weil die Inflation es aufgefressen hat.
Diesen Schuldenschnitt – eine Forderung des IWF – wird der Gouverneursrat bzw. das Direktorium des ESM im Herbst beschließen.
Könnte beides zusammen für Sie ein Grund sein, am Mittwoch den 19. August 2015 mit nein zu stimmen?
Es grüßt Rudolf Gerhard
Sehr geehrter Herr Rosenbaum,
vielen Dank für Ihre Zuschrift zur Entscheidung des Deutschen Bundestages zu weiteren Hilfen für Griechenland.
Da ich mir auch in diesem Fall mein "Ja" nicht leicht gemacht habe, erlauben Sie mir bitte, Ihnen meine Entscheidung, auf die es übrigens keinerlei "Druck" von irgendeiner Seite gab, kurz zu begründen.
Die griechische Regierung hat es auch mir nicht leicht gemacht, Vertrauen in ihre Reformbereitschaft und -Fähigkeit aufzubringen. In den letzten Wochen ist jedoch eine Wende in Athen zu erkennen. Die Einsicht ist da, dass es nur mit einschneidenden Reformen gehen wird. Das sieht auch der Bundesfinanzminister so, der sich wahrlich nicht dem Vorwurf ausgesetzt hat, der griechischen Seite irgendwelche Vorschuss-Lorbeeren zukommen zu lassen. Herr Dr. Schäuble konstatiert nunmehr der Regierung und dem Parlament in Athen die notwendige Kooperationsbereitschaft.
Erlauben Sie mir einen Vergleich aus dem täglichen Leben, den ich in diesem Fall für passend halte: Es soll ja Familien geben, wo sich manche Sprösslinge richtig daneben benehmen und statt die Regeln derer zu beachten, unter deren Tische sie die Füße setzen, ihre Füße auf ebendiese Tische legen. Was macht da die Familie? Wann wird ein Mitglied ausgestoßen, sich selber überlassen?
Wo Einsicht zu erkennen ist und der Wille, sich in die Gemeinschaft einzufügen, da darf auch die europäische Familie nicht einfach eines ihrer Mitglieder abschreiben. Jetzt, da selbst Präsident Tsipras, der ursprünglich mit ganz anderen Versprechungen angetreten ist, den Weg der Reformen mitträgt, sehe ich einen Weg, den Griechenland und die anderen EU-Länder gemeinsam gehen können.
Ich bin überzeugt, dass die Reformen schnell greifen werden, vielleicht nicht sofort in puncto Steuereinnahmen, aber in Bezug auf mehr Rechtmäßigkeit und damit auch Gerechtigkeit der Verwaltung, Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung und auch in Bezug auf eine bessere Politik ohne Rücksicht auf die eigene Klientel. Die Vereinbarung mit Griechenland spricht diese Punkte recht offen an.
Es ging bei unserem "Ja" zum dritten Hilfspaket aber nicht nur um Griechenland. Die Verweigerung weiterer Hilfen hätte das deutsch-französische Verhältnis und damit die Europäische Union extrem belastet. Deutschland wäre für die Zukunft in einem möglichen Konflikt in Gefahr geraten, ohne gewichtige Verbündete isoliert zu werden. Der Schaden wäre weitaus größer, als das, was im Zuge der weiteren Hilfe für Griechenland auf dem Spiel steht. Ich habe mich mit meinem "Ja" nicht nur dafür entschieden, Griechenland noch eine Chance auf den Verbleib im Euro und eine gute Zukunft zu geben, sondern ich habe mich gleichzeitig für das große Ganze eines Europas entschieden, dessen Zusammenhalt in Zukunft immer wichtiger wird.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion