Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Jan G. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Winkelmann-Becker,
es ist unübersehbar, dass die Politik seit Jahren immer mehr auf das Militär als Mittel der Politik setzt, um auf Krisen in der Welt zu reagieren und "die Interessen Deutschlands zu verteidigen.
Meine Fragen sind:
- Inwieweit werden Ihres Erachtens die Möglichkeiten Deutschlands gewaltfrei auf Konflikten Einfluss zu nehmen bereits genutzt? Was könnten Bundestag und Bundesregierung zudem unternehmen (Stichwort: Aktionsplan Krisenprävention) ?
- Wie bewerten Sie den Umbau der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" und die (Kampf-) Einsätze wie in Afghanistan? Warum liegt bis heute keine Wirkungsanalysen des dt. Engagements in Afghanistan vor?
- Wie bewerten Sie die große Zahl an Rüstungsexporten Deutschlands (laut SIPRI Platz 3 weltweit) und die Absicht der Bundesregierung, Staaten wie Saudi-Arabien (die Menschenrechte ignorieren) aufzurüsten, damit sie "unsere Interessen" in der Region verteidigen?
- Wie stehen Sie dazu, dass die NATO weiterhin den Einsatz von Atomwaffen in ihrer Strategie vorsieht und das Arsenal erneuern will? Wie bewerten Sie, dass in diesem Rahmen weiterhin Atomwaffen in Deutschland lagern und im Einsatzfall von deutschen Soldaten "bedient" werden?
- Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, dass nicht die Bundeswehr politische Bildung in Schulen anbietet und durchführt, sondern dies direkt und ausschließlich durch Lehrtkräfte erfolgt?
Für eine baldige Antwort wäre ich Ihnen dankbar.
Mit freudlichen Grüßen
Jan Gildemeister
Sehr geehrter Herr Gildemeister,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich hiermit beantworte:
- Inwieweit werden Ihres Erachtens die Möglichkeiten Deutschlands gewaltfrei auf Konflikten Einfluss zu nehmen bereits genutzt? Was könnten Bundestag und Bundesregierung zudem unternehmen (Stichwort: Aktionsplan Krisenprävention) ?
Antwort: Schon seit einigen Jahren verfolgt Deutschland den Ansatz der vernetzten Sicherheit. Hinter diesem Ansatz verbirgt sich die Verknüpfung aller Instrumente der Deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Das sind konkret, der diplomatische Dienst, die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Entwicklungshilfe) und schlussendlich die Fähigkeiten der Bundeswehr. Hierdurch kann auf jede Krise in geeigneter Art- und Weise reagiert werden.
- Wie bewerten Sie den Umbau der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz"
und die (Kampf-) Einsätze wie in Afghanistan? Warum liegt bis heute keine Wirkungsanalysen des dt. Engagements in Afghanistan vor?
Antwort: Die Bundeswehr ist bereits seit dem Einsatz auf dem Balkan eine Armee im Einsatz. Jedoch hat man es in den Jahren zuvor versäumt die Bundeswehr auf diese Realität hin zu strukturieren. Durch die Neuausrichtung ist die Bundeswehr heute und in Zukunft befähigt auf alle möglichen Herausforderungen in den denkbaren Einsatzszenaren zu reagieren. Hinsichtlich der militärischen Fähigkeitsanalyse finden regelmäßig am Ende der Einsätze der Großverbände Beurteilungen in Berichtsform statt, die vom BMVg ausgewertet werden. Die Gesamtanalyse z.B. für Afghanistan liegt aber in der Zuständigkeit des federführenden Ressorts, das ist wie immer bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr das Auswärtige Amt. In den Fortschrittsbericht der Bundesregierung für Afghanistan finden diese Auswertungen regelmäßig Niederschlag.
- Wie bewerten Sie die große Zahl an Rüstungsexporten Deutschlands (laut SIPRI Platz 3 weltweit) und die Absicht der Bundesregierung, Staaten wie Saudi-Arabien (die Menschenrechte ignorieren) aufzurüsten, damit sie "unsere Interessen" in der Region verteidigen?
Antwort: Die Höhe der Anzahl der Rüstungsexporte (Zuständigkeit BMWi) entsteht vor allem deshalb, weil Deutschland innerhalb der EU und NATO Gerät und Ausrüstung im größeren Umfang exportiert hat. Hier werden alle Geräte, die militärische Verwendung finden, als Rüstungsgut aufgeführt, so auch z.B. der Mercedes Geländewagen, der mit dem zivilen Modellen baugleich ist und aufgrund dieser Tatsache z.B. in anderen Ländern nicht als militärisches Gut geführt wird. Gleiches gilt für Lkw usw..
Für Exporte z.B. nach Saudi Arabien gilt: Hier ist besonders wichtig, dass bei möglichen Rüstungsexporten in die arabische Welt die Sicherheit Israels nicht gefährdet wird. Zudem muss es eine enge Abstimmung mit unseren Bündnispartnern geben. Ohne Zweifel entspricht Saudi-Arabien nicht unseren Maßstäben einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Bundesregierung schweigt zu diesen Defiziten keineswegs. Gleichzeitig ist Saudi-Arabien ein einflussreicher Faktor in der Region, der eine wichtige Rolle für den Friedensprozess im Nahen Osten spielen kann. Riad ist ferner ein strategisches Gegengewicht gegen den Einfluss Irans, dessen Streben nach einer atomaren Bewaffnung und Teherans Unterstützung terroristischer Organisationen wie der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gaza-Streifen. Gerade in diesen Tagen, in denen der Syrienkonflikt den Nahen Osten zu destabilisieren droht, sind stabile politische Staaten und verlässliche Partner wichtig. Und, es ist doch keine Erkenntnis der neuesten Tage, dass man durch Partnerschaft mehr Veränderungen z.B. bei Menschrechtsfragen schafft als durch Gegnerschaft. In diesem Sinne werden die Exportanfragen geprüft und ggf. nach Abwägung aller Argumente genehmigt oder abgelehnt.
Unter Rot-Grün wurden bereits im Jahr 2001 Waffen für 31 Millionen D-Mark an Saudi-Arabien geliefert. Darunter befanden sich unter anderem auch Revolver, Pistolen, Teile für Gewehre und Karabiner, Maschinenpistolen und Maschinengewehre. Im Jahr 2005 - also ebenfalls noch unter Rot-Grün - wurden sogar Scharfschützengewehre ausgeliefert. Dies alles sind Waffen, die besonders in Konflikten mit Aufständischen zum Einsatz kommen. Die Genehmigung von solchen Rüstungsexporten ist der Exekutive überlassen, die geheim darüber berät. Der Bundestag wird im jährlichen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung darüber aber im Nachhinein informiert. Ich würde es begrüßen, hier zu mehr Kontrollrechten des Bundestages zu kommen.
- Wie stehen Sie dazu, dass die NATO weiterhin den Einsatz von Atomwaffen in ihrer Strategie vorsieht und das Arsenal erneuern will? Wie bewerten Sie, dass in diesem Rahmen weiterhin Atomwaffen in Deutschland lagern und im Einsatzfall von deutschen Soldaten "bedient" werden?
Antwort: Präsident Obama hat in seiner jüngsten Berliner Rede Russland zu einer neuen Abrüstungsrunde eingeladen. Die russische Regierung hat bis zum heutigen Zeitpunkt kein positives Signal auf dieses Angebot gesandt. Vielmehr hat der russische Präsident angekündigt die atomaren Streitkräfte des Landes zu erneuern. Als glaubhafte Abschreckung verfügt die NATO deshalb weiterhin über ein geringes Arsenal an Atomwaffen in Europa. Wir sollten uns aber von dem Kalte-Krieg-Denken lösen. Diese NATO Waffen sind gegen Niemanden gerichtet sondern dienen der glaubhaften Abschreckung, z.B. auch in Richtung Iran.
Die Atomare Teilhabe garantiert Deutschland eine aktive Rolle in der atomaren Planungsgruppe der NATO. Aus unserer Sicht ist es besser über die Einsatzbedingungen dieser Waffen mitreden zu können, als vor vollendete Tatsachen gesetzt zu werden. Der von Präsident Obama aufgezeigte Weg, einer umfassenden atomaren Abrüstung, ist der sicherste Weg hin zum Ende der atomaren Teilhabe und der Planung mit diesen Waffen auf NATO Ebene.
- Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, dass nicht die Bundeswehr politische Bildung in Schulen anbietet und durchführt, sondern dies direkt und ausschließlich durch Lehrkräfte erfolgt?
Antwort: Die Bundeswehr führt die sicherheitspoltische Weiterbildung in den Schulen nicht auf eigene Imitative durch, sondern wurde von der damaligen Regierung Willy Brandt SPD dazu verpflichtet. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr sind auf das Grundgesetz vereidigte Angehörige eines Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland und wurden dezidiert auf diese Aufgabe vorbereitet. Die Jugendoffiziere sind die Experten für Sicherheitspolitik. Ich begrüße es, dass sie für die Information und Diskussion in den Schulen zur Verfügung stehen. Soweit gewünscht, kann ja ebenso ein Vertreter z. B. Ihrer Organisation, der Kirchen o.ä. hinzugezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker