Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Lutz-Peter H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
Ich habe in einem Artikel der Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit folgender Überschrift gelesen :
"Schwarzseher gesucht: GEZ führt die größte Rasterfahndung aller Zeiten durch." ( http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/02/19/schwarzseher-gesucht-gez-fuehrt-groesste-rasterfahndung-aller-zeiten-durch/comment-page-8/#comments )
Die Einwohnermeldeämter übertragen persönliche Informationen von 70 Millionen Bundesbürgern. Sie werden genutzt um so genannte "Schwarzseher" zu ermitteln, die damit eine simple Ordnungswidrigkeit begehen. Die Rasterfahndung wurde in den 70ziger Jahren zur Fahndung nach Terroristen eingesetzt. Sie ist eine EDV unterstützte Suche nach Zielpersonengruppen unter Verwendung öffentlicher oder privaten Datenbanken http://de.wikipedia.org/wiki/Rasterfahndung.
Laut Verfassungsgericht ist eine Rasterfahndung nur "bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig" < http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg06-040.html >
Der Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert hat das Vorgehen als "eindeutig verfassungswidrig" bezeichnet. Seine Bedenken wurden ignoriert. Datenschützer dürfen offensichtlich nur mahnen und haben keine weitere Machtbefugnis.
Aus < http://www.onlinekosten.de/news/artikel/51645/0/Datenschuetzer-Weichert-Beitragsservice-genauso-schlimm-wie-GEZ >
Ich persönlich bin sehr beunruhigt darüber, wie leicht öffentlich erhobene Daten für solche Aktionen verfügbar sind. Besonders ärgert mich, dass ich nie erfahre, wer wann und aus welchen Grund Informationen über mich eingeholt hat.
Meine Frage ist, was Sie und die CDU planen, um den Schutz des Bürgers vor Ausforschung weiter zu verbessern. Insbesondere interessiert mich ihre Position zur Rolle der Datenschützer und einer eventuellen Informationspflicht des Staates gegenüber dem Bürger, wenn Daten an dritte weiter gegeben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Lutz-Peter Hofmann
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 24.02.2013.
Leider etwas populistisch wurde der Abgleich von Meldedaten der Einwohnermeldeämter durch den Beitragsservice der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den vergangenen Monaten mit einer Rasterfahndung verglichen. Während letztere eine polizeirechtliche Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten darstellt, und in der Strafprozessordnung sowie den Polizeigesetzen der Bundesländer geregelt ist, handelt es sich bei dem einmaligen Meldedatenabgleich um eine Maßnahme, die den Übergang zum geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag ermöglichen und eine Beitragsgerechtigkeit sicherstellen soll.
Rechtsgrundlage ist übrigens kein Bundesgesetz, für das der Bundestag zuständig wäre, sondern der Rundfunkstaatsvertrag. Dieser ist auf Ebene der Bundesländer geschlossen worden und es haben sowohl die 16 Ministerpräsidenten (für NRW z.B. Hannelore Kraft) als auch die Landesparlamente zugestimmt.
Der Abgleich der Meldedaten steht in Zusammenhang mit der Umstellung auf den geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag zum 01. Januar 2013. Danach gilt in Zukunft die Regel: eine Wohnung – ein Beitrag. Nach Mitteilung des ARD-Generalsekretariats ist dafür der einmalige Abgleich der Daten volljähriger Bürger erforderlich. Im März hat der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit diesem Abgleich begonnen. Der umstellungsbedingte, einmalige Meldedatenabgleich geschieht auf gesetzlicher Grundlage (§ 14 Abs. 9 Rundfunkstaatsvertrag). Die Daten werden ausschließlich befristet (für maximal 12 Monate) zur Verfügung gestellt und unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen schnellstmöglich gelöscht. Die Verarbeitung der übermittelten Daten unterliegt einer strengen datenschutzrechtlichen Zweckbindung. Der Beitragsservice gibt keine Adressen an Dritte weiter.
Insgesamt handelt es sich um rund 70 Millionen Datensätze. Aufgrund der großen Datenmenge werden diese in insgesamt vier Tranchen aufgeteilt und in den Jahren 2013 und 2014 jeweils im März und im September an den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio übermittelt.
Ziel der Maßnahme ist es, für jede Wohnung einen Beitragszahler zu ermitteln und zu klären, für welche Wohnungen bislang kein Rundfunkbeitrag entrichtet wird. Der Abgleich soll sicherstellen, dass sich alle beitragspflichtigen Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligen. Dies ist notwendig, um Beitragsgerechtigkeit zu erreichen. Ohne Meldedatenabgleich wäre eine noch aufwändigere Klärung vor der Haustür notwendig.
Auf Bundesebene hat die christlich-liberale Koalition mehr als jede andere zuvor erkannt, dass angesichts rasanter technischer Entwicklungen die Herausforderungen an ein modernes Datenschutzrecht wachsen. Deshalb hat das Bundesministerium des Innern - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - eine Stiftung Datenschutz errichtet. Sie hat die Aufgabe, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu prüfen, Bildung im Bereich des Datenschutzes zu stärken, den Selbstdatenschutz durch Aufklärung zu verbessern und ein Datenschutzaudit zu entwickeln. Hierfür wurde einmalig das Stiftungskapital in Höhe von zehn Mio. € zur Verfügung gestellt. Die Stiftung Datenschutz erhält zusätzlich aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern eine jährliche institutionelle Förderung in Höhe von 205.000 €.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker