Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Andre M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
wie bereits im Thema stehend, wende ich mich bezüglich des Themas "Internet-Sperren" an Sie. In diesem Zusammenhang wurde seitens der Politik, immer wieder beteuert die nun stattfindende Zensur nicht auszuweiten. Doch wie soll man sich soll man sich denn darauf verlassen können, wenn bereits 1 Tag vor der Abstimmung (man scheint sich über das Ergebnis der Abstimmung bereits sehr sicher gewesen zu sein obwohl mehr als 130.000 Unterschriften dagegen abgegeben wurden) die Kommission für Jugendschutz der Landesmedienanstalten (KJM)bei der BPjM einen Antrag auf Indizierung der Internetseiten von österreichischen Händlern von Konsolenspiele beantragt? Was hier mittlerweile stattfindet ist eine Zensur, die der Art und weise wie es in China stattfindet in nicht aber auch gar nicht nachsteht. Also erklären Sie mir bitte, warum ich Ihnen bei der nächsten Wahl meine Stimme geben sollte, wenn Sie 1) Petitionen mit mehr als 130.000 Stimmen einfach ignorieren und 2) Anfangen das Internet zu zensieren.
Mit freundlichen Grüßen
A. Makowski
Sehr geehrter Herr Makowski,
vielen Dank für Ihre Zuschrift, die mir die Gelegenheit gibt, einige Missverständnisse in Bezug auf das am vergangenen Donnerstag verabschiedete Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz) aufzuklären und damit hoffentlich auch Vorbehalte gegen dieses Gesetz auszuräumen und die Debatte zu versachlichen.
Zunächst einmal geht es im Zugangserschwerungsgesetz ausschließlich um die Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. Eine Sperrung soll künftig den Zugang zu Seiten mit kinderpornografischen Inhalten vor allem für Zufallsnutzer erschweren. Eine Ausweitung von Internetsperren auf andere Zwecke ist ausdrücklich nicht beabsichtigt. Wer im Internet eine Seite mit kinderpornographischem Inhalt anklickt, wird dort künftig auf ein virtuelles „Stopp-Schild“ stoßen. Erfahrungen in anderen Ländern, in denen das sog. „access blocking“ schon seit Jahren praktiziert wird zeigen, dass die technische Sperrung von Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten durch die Internetanbieter einen wichtigen Beitrag leistet, um die Verbreitung und Besitzverschaffung von Kinderpornografie zu erschweren. Zum Beispiel werden so in Norwegen täglich bis zu 18.000, in Schweden sogar 50.000 Zugriffe auf Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten verhindert.
Bereits im April diesen Jahres hat die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das BKA mit den fünf größten Internetserviceprovidern in Deutschland eine Vereinbarung geschlossen, in der sich diese verpflichtet haben, zeitnah und spätestens mit Ablauf von sechs Monaten Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu sperren. Das Zugangserschwerungsgesetz sichert nun diese Mitwirkung der Zugangsvermittler beim Kampf gegen Kinderpornografie gesetzlich ab und schafft Rechtssicherheit für Provider und Benutzer, insbesondere auch bei der Frage nach dem Umgang mit Benutzerdaten.
Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass dieses access blocking keinesfalls vergleichbar ist mit der Internet- und Pressezensur, wie sie derzeit von der chinesischen Regierung betrieben wird. Uns geht es mit dem Zugangserschwerungsgesetz um die Bekämpfung von Kinderpornografie, also der Verhinderung der Verbreitung von Bildern erniedrigter, gequälter und vergewaltigter Kinder, einem abscheulichen Verbrechen, das wir bereits im Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt haben. Hierbei kann und darf sich nach meiner festen Überzeugung niemand auf die Freiheit des Internets oder die Informationsfreiheit berufen; das Internet darf kein rechtsfreier Raum für Verbrechen an Kindern sein. In China werden hingegen nach neuesten Medienberichten u.a. ab Juli nur noch Computer mit einer vorinstallierten Zensursoftware verkauft, kritische Webseiten wie die der Menschenrechtsorganisation Amnesty International oder der verbotenen Religionsbewegung Falun Gong sind gesperrt, auch Internetplattformen wie Twitter und Facebook sind von der Zensur betroffen, der Internetdienst google ist phasenweise überhaupt nicht mehr verfügbar. Bei meinem Besuch habe ich von dort lebenden Journalisten erfahren, das z. B. auch ganze Seiten aus ausländischen Zeitungen rausgerissen werden, wenn sie dem Regime unliebsam sind. Von alldem kann hier wirklich keine Rede sein!
Auch die von Ihnen angesprochene Indizierung von Konsolenspielen steht in keinerlei Zusammenhang mit dem nun verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetz. Rechtsgrundlage für das Indizierungsverfahren ist §18 Jugendschutzgesetz, nach dem Medien mit jugendgefährdendem Inhalt von der Bundesprüfstelle in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen sind, also auf einen Index zu setzen sind. Es geht hier nicht um Informationsfreiheit, sondern um Jugendschutz. Zuständig sind – wie Sie doch schon selber anführen – die Kommission für Jugendschutz als Antragsteller und die BPjM, deren Entscheidung man vielleicht zunächst abwarten sollte. Dort können Sie sich gerne nach den Gründen erkundigen.
Ich möchte noch kurz auf das Gesetzgebungsverfahren eingehen. Bei dem nun verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetz ging es vor allem auch um die Frage, wo die Freiheit des Internets ihre Grenzen findet, also ob, wann, wie und mit welchen Mitteln der Staat eingreifen darf oder gar muss. Wie gespalten hier die Ansichten waren zeigen zwei Zahlen: Zum einen die von Ihnen genannte Online-Petition gegen Internetsperren, die innerhalb kurzer Zeit 135.000 Unterzeichner gefunden hat, zum anderen eine aktuelle Umfrage des Allensbach-Instituts, nach der sich 90 % der Bevölkerung für Internetsperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie aussprechen.
Im Verlauf der intensiven Beratungen, in die all diese Positionen und Meinungen mit eingeflossen sind und insbesondere nach einer Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschat und Technologie haben sich daher auch noch zahlreiche Änderungen und Verbesserungen zum ursprünglichen Entwurf ergeben.
• Anders als zunächst vorgesehen, bleibt die Anfrage einer mit einem Stoppschild versehenen Seite nun strafrechtlich folgenlos; Internetanbieter sollen die Daten von Nutzern nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten.
• Die Sperrung ist nicht wie ursprünglich vorgesehen als Änderungsgesetz zum Telemediengesetz, sondern als eigenes Spezialgesetz geregelt, was nochmals herausstellt, dass es allein um Sperren für kinderpornografische Inhalte und nicht um andere Bereiche geht.
• Verankert wurde ferner der Grundsatz „Löschen vor Sperren“: Seiten mit kinderpornografischem Inhalt dürfen nur in die vom Bundeskriminalamt zu führende Sperrliste aufgenommen werden, wenn die Inhalte der Seiten nicht gelöscht werden.
• Auch eine zentrale Forderung der Online-Petition wurde aufgenommen: Die Arbeit des BKA wird von einem fünfköpfigen Gremium, das beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt wird, kontrolliert, wodurch die mit der Online-Petition kritisierte fehlende Kontrolle und Transparenz der BKA-Liste nun gewährleistet ist.
Im Ergebnis haben wir mit dem Zugangserschwerungsgesetz einen ausgewogenen Kompromiss gefunden zwischen der staatlichen Pflicht zur Bekämpfung von Kinderpornografie einerseits und dem Einsatz für ein freies Internet als Ort der Kommunikation und Information andererseits.
Ich hoffe, ich konnte mit diesen Erläuterungen Ihre Bedenken gegen das Gesetz ausräumen und insbesondere den absurden Vorwurf der staatlichen Zensur entkräften, denn es geht eben nicht um die Beschneidung der Informationsfreiheit, sondern ausschließlich um die Bekämpfung eines Verbrechens und den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker