Frage an Elisabeth Schroedter von Matthias D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schroedter
Im März dieses Jahres wurde der „Euro Plus- Pakt“ beschlossen. In diesen wird weiterhin von der „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vom Wachstum der Wirtschaft. geschrieben.
Nationale Anstrengungen dazu sollen von der EU Kommission kontrolliert werden. Die jeweiligen nationalen Wettbewerbs Schritte sollen unter ständiger Kontrolle der EU Kommission stehen .Hinzu sollen Haushaltspläne der nationalen Parlamente einer Genehmigung der Kommission unterliegen.
Heute vereinbarten Herr Sarkozy und Frau Merkel sich stark zu machen für eine einheitliche EU Wirtschafsregierung Die soziale Lage verschärft sich immer mehr.
Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach nötig um die Situation wieder zu Stabilisieren?
Hebelt eine einheitliche EU Wirtschaftregierung nicht die Rechte des Bundestages und die des EU Parlamentes aus und die Verfassung auch?
Mit freundlichen Grüssen
Matthias Dörr
Sehr geehrter Herr Dörr,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Eurokrise.
Die Versuche die Eurozonen-Krise zu lösen, beschränken sich bisher hauptsächlich auf Maßnahmen, die zu spät und vor allem nicht weitreichend genug waren. Unter nationalstaatlicher Regie wurden verschiedene Lösungsrezepte vorgestellt, wie z.B. der Vorschlag von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy, mit zweijährlichen Gipfeln eine Wirtschaftskoordination zwischen den Mitgliedsstaaten zu erreichen. Eine solche sporadische Kooperation kann jedoch nicht demokratisch legitimierte Entscheidungen europäischer Institutionen ersetzen. Zudem konnten diese zwischen Mitgliedsstaaten vereinbarten Maßnahmen weder die Märkte noch die Bürgerinnen und Bürger beruhigen, wie vor allem die Reaktion der Märkte auf das letzte Rettungspaket für Griechenland verdeutlicht hat. Deswegen sind jetzt effektive wirtschaftspolitische Entscheidungen notwendig, um die Krise in den Griff zu bekommen. Für uns Grüne bedeutet dies: Die Mitgliedsstaaten müssen durch eine Europäische Wirtschaftsunion in der Wirtschaftspolitik enger zusammenarbeiten.
Diese Wirtschaftsunion braucht ein Europäisches Finanzministerium, um sicherzustellen, dass solche Mitgliedsstaaten, die finanzielle Hilfen der Eurozonen-Gemeinde annehmen, dauerhaft ihre Haushaltsdefizite abbauen. Ein starkes Kontrollrecht des Europaparlaments gegenüber einem Europäischen Finanzminister, würde die demokratische Legitimität dieser neuen Institution sicherstellen. Daneben bliebe die Rolle der nationalen Parlamente gewahrt. Seit dem Lissabonvertrag haben die Bundestagsabgeordneten in europäischen Gesetzgebungs- und Regulierungsfragen eine hohe Verantwortung, ihrerseits die Bundesregierung im Europäischen Rat zu kontrollieren und zu begleiten und auch zu beauftragen. Der Lissabon-Vertrag sieht für die nationalen Parlamente ein "Rote-Karte-Verfahren" vor, falls europäische Gesetzesverfahren weiter, als in der EU vereinbart wurde, in nationale Kompetenzen "hineinregieren" sollten. Insofern bliebe das Haushaltsrecht des Bundestages gewahrt.
Gleichermaßen sind Eurobonds zur Finanzierung aller Euroländer das richtige Mittel, denn sie ermöglichen allen eine günstigere Finanzierung ihrer Schulden. Ein Mitspracherecht der Parlamente könnte die diesbezüglichen Entscheidungen zusätzlich demokratisch legitimieren. Auch der Europäische Rettungsschirm EFSF braucht mehr demokratische Kontrolle, beispielweise durch ein Mitentscheidungsrecht des Europaparlaments bei der Kreditvergabe. Eine verbesserte Steuerkooperation festigt das finanzielle Fundament der Europäischen Wirtschaftsunion, indem es die Erosion der nationalen Steuereinnahmen verhindert.
Damit die wirtschaftlich angeschlagenen Mitgliedsstaaten wieder auf die Beine kommen und der Dreifachkrise aus Finanzkrise, Sozial- und Gerechtigkeitskrise und der Klimakrise begegnet werden kann, fordern wir Grüne außerdem umfassende Finanz-, Wirtschafts-, und Sozialreformen, einen Green New Deal. In Zukunftssektoren wie erneuerbaren Energien oder dem Bildungsbereich darf auch in der Krise nicht gespart werden. Wie hart die sozialen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind, zeigt die hohe Jugendarbeitslosigkeit in manchen EU-Ländern. Die Schere zwischen arm und reich wird immer größer und grade viele junge Menschen sind ohne berufliche Perspektive. Besonders wichtig ist es daher Arbeitsplätze zu schaffen. Vor allem im Bereich erneuerbarer Energien und der Energiewende könnten viele neue grüne Jobs entstehen, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen würden. Hier finden Sie meinen Bericht zum Thema Grüne Arbeitsplätze, den ich im Auftrag des Sozial- und Beschäftigungsausschusses verfasst habe: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2010-0299+0+DOC+PDF+V0//DE&language=DE
Weitere Informationen können Sie den Positionspapieren der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament entnehmen, die Sie unter http://www.greens-efa.eu/de/dokumente/69-positionspapiere.html abrufen können.
Auf der Zweiten Grünen Europäischen Sommeruniversität vom 8. - 11. September 2011 in der Viadrina in Frankfurt/Oder und Slubice werden wir die von Ihnen gestellten Fragen weiter intensiv diskutieren. Am Samstag, den 10.9. steht der von mir vorbereitete Workshop zu Green Jobs auf dem Programm. Für das Solarcluster Frankfurt/Oder ist das ein wichtiges Thema. Mehr Information dazu finden Sie auf meiner Homepage unter http://www.elisabeth-schroedter.de/schwerpunkte
Mit freundlichen Grüßen,
Elisabeth Schroedter, MdEP