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Elisabeth Kaiser
SPD
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Frage von Fabian R. •

Frage an Elisabeth Kaiser von Fabian R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Warum werden Menschen mit Behinderungen die durch Erwerbslosigkeit, die trotzdem auf den 1. Arbeitsmarkt täglich 3-4 Stunden etwas leisten können mit 70% Lohn sanktionierung bestraft?

Sieht man hier vor diesen Weg endlich ein Ende zu setzen?
Es ist nicht Fair wenn man eh schon wenig Geld hat und aus einiger Initiative ergreift dafür bluten muss.
Ist dies in Ihren Auffassung gerecht?

Somit kann doch nicht die Eigenständigkeit und Inklusion von Menschen mit Behinderung fördern.
Sondern man drückt diese Personengruppen immer wieder in Zwangssystem des Sgb12
Warum gibt man dieser Personengruppen nicht Bedingungslos ein Grundeinkommen?

Ich als Mensch mit Gbd 50 habe genauso das Recht an der Teilhabe am Arbeitsmarkt hat und In der Gesellschaft seinen Platz haben will, möchte dich fair entlohnt und weiter zu kommen. Als ewig in der Spirale zu hocken. Ich will gerne arbeiten! Doch wenn man so harte Sanktionen bekommt nur weil man aus eigener Wirtschaftlichkeit nicht die Belastbarkeit hat darf so ein Unfairness nicht weiter bestehen.
Den die Ausgliederung durch schlechte Finanzen spaltet die eh schon, für ihre Situation nichts können.
Menschen wie ich haben auch das Recht sich gesunde Lebensmittel, in den Urlaub zu fahren oder ganz einfache kleine Dinge sich zu leisten.
Ein solcher Ansporn würde viele gute Hilfskräfte schaffen und die Ausgrenzung verhindern.
Daher wäre ein Freibetrag von 600€ Netto eine Möglichkeit trotz dessen Steuern zu zahlen und eine vernünftigen Rest behalt zu haben.
Solche Gelder fließen zurück in die Wirtschaft was Kaufkraft und Wohlstand fördern könnte.
Und wenn die eigene Eltern zu mir sagen nimm dir den Strick kann das nicht die Lösung sein.

Sehen Sie das auch so?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Riedel,

ich danke Ihnen für Ihre Frage und bedauere Ihre persönlichen Schwierigkeiten und den Einkommensverlust, trotz Ihres Engagements. Zur Beantwortung habe ich das Bundesarbeitsministerium und meine Fachkollegen in der SPD Bundestagsfraktion konsultiert, daher hat meine Beantwortung einige Tage gedauert.

Sie sprechen gleich zwei Aspekte an: Die geringere Bezahlung von Menschen mit Behinderungen (MmB) in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) sowie die Situation, dass Menschen mit Behinderungen weniger Geld verdienen, da sie einen großen Anteil ihres Einkommens für Assistenz und Hilfsmittel ausgeben müssen, die nicht vollkommen von der Krankenkasse und der Eingliederungshilfe bezahlt werden.

Beide Aspekte mögen auf den ersten Blick ungerecht erscheinen, sind aber über Jahrzehnte in einer abwägenden und vernetzten Gesetzgebung so entstanden und beruhen auf klaren rechtlichen Paradigmen. Das soll nicht heißen, dass diese Grundsätze und Gesetze nicht verändert werden können, aber es soll heißen, dass dies behutsam und mit Augenmaß erfolgen muss.

Zum ersten Aspekt: Denn bei der Tätigkeit in einer Werkstatt handelt es sich um ein sogenanntes arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis. Menschen (MmB) sollen dort auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Diese rehabilitative Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist mit weniger Pflichten für die Beschäftigten verbunden. Deswegen gibt es in Werkstätten keinen Mindestlohn. Dieses Angebot zur beruflichen Teilhabe ist freiwillig.

Damit Beschäftigte zum Beispiel Wohnung, Essen, Kleidung und andere Sachen bezahlen können, bekommen sie zusätzlich Geld. Ein Teil wird von der Werkstatt gezahlt. Viele Menschen bekommen aber zusätzlich auch Grundsicherung vom Sozialamt oder eine Rente. Somit muss man selbstverständlich zum geringeren Werkstattlohn diese vielen zusätzlichen Leistungen hinzurechnen.

Es gab in der letzten Zeit hierzu eine Petition, dass MmB in WfbM den Mindestlohn erhalten sollten. Das möchten wir in der SPD diskutieren, sehen es aber auch kritisch, denn es ist nur ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis. Dennoch wollen wir im ersten Schritt, dass die Gelder transparenter fließen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMAS hat hierzu folgende Sprachregelung erarbeitet, welche schon die kritischen Anmerkungen aus dem Bundestag aufnimmt:

"Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales setzt sich derzeit sehr intensiv mit dem Entgeltsystem in den Werkstätten für behinderte Menschen auseinander. Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2019 festgestellt, dass das aktuelle Entgeltsystem intransparent und für viele Werkstattbeschäftigte nur schwer nachzuvollziehen ist. Er hat daher die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von vier Jahren zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann. Hierzu wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, das im August 2020 gestartet ist. Im Rahmen des Forschungsvorhabens sollen unter anderem alternative Entlohnungs- und Entgeltmodelle entwickelt und bewertet werden. Auch die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns wird in diesem Zusammenhang untersucht. Der Abschlussbericht des Forschungsvorhabens soll bis Mitte 2023 vorliegen.

Um ein Entgeltsystem zu entwickeln, das Werkstattbeschäftigte tatsächlich besserstellt, sollte den Ergebnissen des Forschungsvorhabens nicht vorgegriffen werden. Das aktuelle Entgeltsystem ist historisch gewachsen und eng mit anderen Sozialleistungen wie der Erwerbsminderungsrente verzahnt. Änderungen am Entgeltsystem müssen daher auch mit Blick auf die Sozialleistungen, die Werkstattbeschäftigte regelmäßig erhalten, gut durchdacht sein.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt die Forderung nach einer gerechten Entlohnung in den Werkstätten für behinderte Menschen. Ob die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die Werkstattbeschäftigten die beste Lösung darstellt, ist im Rahmen des Forschungsvorhabens zu untersuchen und zu diskutieren. Die Interessenvertretung der Werkstatträte auf Bundesebene, Werkstatträte Deutschland, hält beispielsweise die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nicht für den richtigen Weg, da eine Abkehr vom arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis auch den Verlust besonderer Schutzrechte bedeuten würde. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns die Recht-fertigung für die besonderen rentenrechtlichen Regelungen für Werkstattbeschäftigte, das sogenannte „Rentenprivileg“, entfallen würde. Wie vom Deutschen Bundestag gefordert, werden gesetzliche Anpassungen nach Abschluss des Forschungsvorhabens so zeitnah wie möglich umgesetzt. Dies wird eine Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein."

Bezogen auf den zweiten Aspekt ihrer Frage, die Hinzuverdienstgrenzen: gilt es festzustellen, dass wir erst Ende letzten Jahres die Behindertenpauschbeträge erhöht haben, damit MmB mehr von ihrem Lohn behalten können.

Die SPD-Bundestagsfraktion will Behinderten und Pflegebedürftigen konkret im Alltag helfen, indem sie sowohl finanziell als auch von aufwendigen Nachweispflichten entlastet werden. Der Deutsche Bundestag hat zum Ende des Jahres 2020 das Behinderten-Pauschbetragsgesetz verabschiedet. Damit werden die Behinderten-Pauschbeträge verdoppelt, ein neuer behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt und der Pflege-Pauschbetrag verbessert.

In Deutschland gibt es rund zehn Millionen Personen mit Behinderungen und circa 1,7 Millionen Pflegebedürftige, die ausschließlich von ihren Angehörigen betreut werden. Diesen Menschen will die SPD-Bundestagsfraktion konkret im Alltag helfen, indem sie sowohl finanziell als auch von aufwendigen Nachweispflichten entlastet werden. Der SPD-Fraktion war es dabei besonders wichtig, dass die Pauschbeträge in Zukunft evaluiert werden. Die Betroffenen sollen nicht noch einmal über vier Jahrzehnte auf eine steuerliche Besserstellung warten müssen.

Die Behinderten-Pauschbeträge werden auf sämtlichen Stufen verdoppelt und die Systematik aktualisiert. So erhöht sich der Pauschbetrag bei einem Grad der Behinderung von 100 Prozent beispielsweise von 1.420 auf 2.840 Euro. Bei einem Grad der Behinderung unter 50 Prozent soll zudem auf die bisherigen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden.

Zusätzlich können Betroffene in Zukunft auf den aufwendigen Nachweis von einzelnen Fahrtkosten verzichten, da ein neuer Pauschbetrag eingeführt wird.

Schließlich wird der Pauschbetrag für die Pflege von Menschen mit den Pflegegraden vier und fünf von 924 Euro auf 1.800 Euro erhöht. Erstmals wird ein neuer Pauschbetrag für die Pflegegrade zwei und drei in Höhe von 600 Euro beziehungsweise 1.100 Euro eingeführt.

Die Änderungen sind ab Anfang 2021 in Kraft getreten.

Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und hoffe, dass sie diese Verbesserungen auch in Anspruch nehmen können.

Bleiben Sie gesund!

MfG

Elisabeth Kaiser MdB

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