Frage an Ekin Deligöz von Marcus P. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Deligöz,
es gibt in Deutschland viele Ehepaare, welche keine Kinder haben können. Die Krankenkassen bezahlen nur 50% der Kosten einer Kinderwunschbehandlung ( 3 Versuche). Warum werden diese Menschen durch die Steuergesetze benachteilgt? Es müssen mehr Steuern (Steuerklasse) bezahlt werden.
Die Ausgaben für die Behandlungen sind sehr kostenaufwendig. In anderen Ländern gibt es mehr Unterstützung. Was können diese Menschen dafür, dass es aufgrund medizinischer Gegebenheiten nicht möglich ist eigene Kinder zu haben und warum werden diese von der sozialen, deutschen Gesetzgebung nicht wahr genommen und von den Politiern nicht ausreichend vertreten???
Mfg
Marcus Paul
Sehr geehrter Herr Paul,
ich verstehe ihre Unzufriedenheit über die getroffene Regelung, die im Einzelfall emotional schwierig und finanziell mitunter schwer zu schultern ist. Die jetzige Regelung des § 27a SGB V (Einführung der Eigenbeteiligung von 50%, Einführung von Altersgrenzen 25-40 Jahre Frauen, 25-50 Jahre Männer sowie die Reduzierung der durch die gesetzlichen Krankenkassen (mit)finanzierten Versuche von 4 auf 3) war ein hart erkämpfter Kompromiss zwischen allen Beteiligten. Im Rahmen der Verhandlungen zwischen der damaligen rot-grünen Koalition und der Union waren auch die Bundesländer beteiligt und haben den dort gefundenen Kompromissen zugestimmt.
Die damalige Entscheidung ist Teil eines Gesamtkonzeptes Gesundheitspolitik gewesen, mit dem die Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung deutlich gesenkt werden sollten, bei gleichbleibend guter Qualität der Versorgung für alle. Neben grundsätzlichen systematischen Veränderungen (verstärkte Wettbewerbselemente in der ambulanten Versorgung, z. B. Gesundheitszentren und integrierte Versorgung, Einführung von Hausarztmodellen, Reformen des ärztlichen Vergütungssystems, mehr Wettbewerb in der Arzneimittelversorgung) wurden auch verschiedene Entscheidungen getroffen, die eine höhere Selbstbeteiligung oder sogar die Streichung einzelner Leistungen beinhaltete. Dies betrifft z. B. die vollständige Finanzierung des Krankengeldes durch die Versicherten, Veränderungen bei der Versicherung des Zahnersatzes, die Herausnahme der sogenannten OTC-Arzneimittel aus der Erstattung durch die Krankenkassen sowie die Erhöhung von Zuzahlungen.
Mit der Änderung des § 27a SGB V wird Paaren, die sich einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung unterziehen, mehr finanzielle Eigenverantwortung abverlangt, jedoch die Leistung nicht gänzlich gestrichen. Die damals getroffene Entscheidung ist ein Kompromiss, der aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen der Vielschichtigkeit der mit der künstlichen Befruchtung zusammenhängenden Fragen gerecht wurde. Dies bestätigen auch Entscheidungen des Bundessozialgerichtes aus dem letzten Jahr, das zu verschiedenen Aspekten, zu denen Betroffene Klage erhoben haben, im Sinne der bestehenden Regelung des § 27a SGB V entschieden hat. Das Bundessozialgericht hat im Mai 2007 die Altersgrenze für Männer (50 Jahre) bestätigt. Im September 2007 hat das Bundessozialgericht den Eigenanteil von 50% als rechtmäßig beurteilt. Die Regelung verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Die Argumentation des Klägers (Benachteiligung Behinderter und Diskriminierung sozial Schwacher) träfen nicht zu.
Mit Blick auf die steigenden Kosten im Gesundheitswesen und die Einführung des Gesundheitsfonds mit all seinen Risiken bleibt zu hoffen, dass zumindest die hälftige Übernahme der Kosten bei 3 Versuchen künstlicher Berfuchtung erhalten bleibt. Ab dem Jahr 2010 soll der Gesundheitsfonds nur noch 95% der Ausgaben der Krankenkassen finanzieren. Den Rest sollen sich die Kassen dann über Zusatzbeiträge bei ihren Versicherten holen. In der Summe ist das eine Zusatzbelastung der Versicherten von rund 4 Mrd. Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Ekin Deligöz