Frage an Ekin Deligöz von Bernhard A. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Deligöz,
Seit 2005 sind die globalen Lebensmittelmärkte so instabil wie nie zuvor. Weltweit wird Ackerland von Investoren als Mittel zum Profit eingesetzt, ländliche Familien verlieren ihre Lebensgrundlage und die Profite sammeln sich zunehmend bei einer kleinen Elite von Agri-Industriellen und Investoren.
Jedoch auch in Europa und in Deutschland sind kleine Bauernhöfe vom Aussterben bedroht. Die "konventionelle" brennstoff-, mineral- und chemieintensive Landwirtschaft wird immer rationalisierter. Das ist nicht schlimm per se, jedoch bedeutet das den Verlust von Arbeitsplätzen, Landflucht, Verlust von Kultur- und Sozialstrukturen auf dem Land und Umweltschäden wie Bodenerosion, Versauerung der Böden, Massentierhaltung, Pestizidbelastung und mehr.
Sollten wir nicht lieber auf lokale Märkte setzen, in denen bäuerliche Betriebe Arbeitsplätze in einem lebenswerten ländlichen Raum schaffen? Lebensmittel sind mehr als nur eine Handelswahre. Mit ihnen verbunden sind Tradition, Vielfalt, und Regionale Spezialitäten. Das hat der Menschheit bis jetzt das Überleben gesichert und Artenvielfalt erhalten, die wir im Angesicht des Klimawandels mehr denn je brauchen um auch in Zukunft Essen auf dem Tisch zu haben.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Subventionen im Agrarbereich. Im Gegenteil. Wenn diese Subventionen ökologisch und sozial nachhaltige (bäuerliche nicht agroindustrielle) Landwirtschaft fördern sehe ich sie als richtig an! Mit der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik GAP geschieht jedoch genau das Gegenteil! Der Weltmarkt bestimmt was unser Essen, und damit was ländliches Leben WERT ist. Und die Reform soll jetzt verwässert werden.
Was tun Sie, damit wir in Zukunft vielfältiges, lokales, und gesundes Essen produzieren?
Was tun Sie, damit die Kleinbauern und Familien von unseren Lebensmitteln profitieren und nicht internationale Konzerne und Spekulanten?
Mit freundlichen Grüßen aus Neu-Ulm,
Bernhard Arnold
Sehr geehrter Herr Arnold,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zur Nahrungsmittelspekulation.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema – es ist keinesfalls so, dass wir nicht versuchen, Nahrungsmittelspekulation einzudämmen: Die Fraktion hat im vergangenen Jahr einen umfangreichen Antrag eingereicht, es gab eine Anhörung im Agrarausschuss, sowie die Beschäftigung mit dem Thema im Entwicklungsausschuss.
Exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln auf den Finanzmärkten verschärft Preisspitzen auf den realen Märkten und trägt somit zu Hunger und Armut der schwächsten Gruppen in den Entwicklungsländern bei.
In unserem Antrag fordern wir Preis-, Positions- und Tempolimits, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln effektiv einzudämmen. Finanzjongleure müssen mehr Sicherheiten, also eigenes Kapital, hinterlegen, um nicht auf Pump Wetten von unvorstellbarer Dimension einzugehen.
Dass sich die EU und die Nationalstaaten mit einer Regulierung so schwer tun, liegt nicht zuletzt an der gigantischen Lobby der Finanzindustrie. Diese lässt es sich nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation FinanceWatch eine Million Euro am Tag kosten, um in Brüssel Gesetze zu verhindern, die zu ihrem Nachteil wären, aber für die Hungernden der Welt moderatere und berechenbarere Preise für Lebensmittel bedeuten würden. Die Bundesregierung darf den Argumenten der Lobby nun nicht länger auf den Leim gehen und sollte sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass auf europäischer Ebene eine effektive Regulierung verabschiedet wird.
Mehr Informationen finden Sie auf unserer Fraktionshomepage www.gruene-bundestag.de im Themendossier Entwicklung http://www.gruene-bundestag.de/themen/entwicklungspolitik_ID_161195.html und Ernährung http://www.gruene-bundestag.de/themen/ernaehrung_ID_127836.html .
Mit freundlichen Grüßen
Ekin Deligöz