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Ekin Deligöz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Ekin Deligöz von Gerhard R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Deligöz.

Ihre Partei rühmt sich selbst gerne als die fortschrittlichste Partei in Deutschland.

Davon ist in ihrer Familienpolitik leider noch nicht so viel zu merken. Auch Die Grünen schaffen es nicht, ein wirklich auf Gleichberechtigung basierendes Familienrecht zu fordern oder gar durchzusetzen.

Z.B. ähnelt ihre Partei in Fragen der Abschaffung des menschenrechtswidrigen Paragraphen 1626a BGB eher der CSU als den fortschrittlicheren Parteien anderer Länder indem Väter weiterhin hinter den Müttern zurück gestellt werden sollen. Echte Gleichberechtigung sieht anders aus.

In Goslar betreibt die Fraktion der Grünen in ungewohnt inniger Verbundenheit mit der CDU und der Linken die Abberufung der bundesweit bekannten Gleichstellungsbeauftragten Monika Ebeling, einzig, weil sie ihr Amt eben nicht einseitig als Frauenbeauftragte verstehen will, sondern es so ausübt, wie es ihr Titel ihr vorgibt. Als Gleichstellungsbeauftragte für Menschen beiderlei Geschlechts.

Was verstehen Sie und Ihre Partei unter "Gleichstellungspolitik"? Warum können sich die Grünen nicht auch für die Beseitigung von Nachteilen einsetzen, wenn sie nicht Frauen betreffen? Sollte eine moderne Partei nicht nur frei von rassistischen und religiösen Vorurteilen sein, sondern auch frei von sexistischen Vorurteilen?

Da ich Sie persönlich gerade als nicht so einseitig kennen gelernt habe, würde ich mich sehr für ihre Meinung bedanken. Vor Allem, wenn sie mehr enthält, als die übliche Floskel vom Kindeswohl, mit der sich ohne weiteren Beleg, alles Mögliche begründen lässt.

mfg
Gerhard Raden

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Raden,

vielen Dank für Ihre Frage auf www.abgeordnetenwatch.de. Gerne lege ich Ihnen die grüne Position zur elterlichen Verantwortung von Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, dar. Schon in der letzten Wahlperiode hat sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen für eine Neuregelung des Sorgerechtseingesetzt. Wir waren die einzige Bundestagsfraktion, die Vätern schon damals die Möglichkeit schaffen wollte, beim Familiengericht einen Antrag auf Erteilung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts stellen zu können (Drucksache 16/9361).

Nun hat im Dezember 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass die Regelung zum Sorgerecht für unverheiratete Väter eine Benachteiligung dieser gegenüber Müttern und verheirateten Vätern darstellt. Das deutsche Recht verstoße damit gegen die Europäische Menschrechtskonvention. Im Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Urteil aus dem Jahr 2003 revidiert. Es kommt zu dem Schluss, dass das verfassungsgeschützte Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes verletzt ist. Der Vater ist generell ohne Zustimmung der Mutter von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen. Er kann nicht gerichtlich überprüfen lassen, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.

Auf der Grundlage dieser höchstrichterlichen Entscheidungen vertritt die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen folgende Position (Drucksache 17/3219): Für uns gilt der Grundsatz, dass alle Kinder die gleichen Rechte haben. Auch soll das Familienrecht nicht unbegründet zwischen Kindern unterscheiden, deren Eltern verheiratet sind und denen, deren Eltern nicht verheiratet sind. Eltern haben ein genuines und von der Verfassung geschütztes Recht für ihre Kinder die Verantwortung zu tragen und verantwortungsbewusst Entscheidungen stellvertretend für und im Sinne ihrer Kinder zu treffen; sie stehen aber auch in dieser Verpflichtung.

Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, sollten Vater und Mutter gleichberechtigt behandelt werden. Kinder sollten ein Recht darauf haben, dass beide Eltern für sie die Verantwortung übernehmen, die sich auch im Sorgerecht ausdrückt.
Alle Väter, die sorgerechtliche Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, sollen diese unter vergleichbaren Bedingungen erhalten können.

Ein Vater soll zukünftig jederzeit ab Anerkennung der Vaterschaft beim Jugendamt die gemeinsame Sorge beantragen können. Das Jugendamt erteilt sie, wenn die Mutter dem nicht widerspricht oder dem Jugendamt keine Kindeswohl gefährdende Aspekte bekannt sind. Die Mutter soll acht Wochen Zeit haben, dem Anliegen des Vaters zu widersprechen. (Dieser Zeitraum kann sich gegebenenfalls um den Mutterschutz verlängern.) Wenn die Mutter widerspricht, erhält der Vater die gemeinsame Sorge im "Jugendamtsverfahren" nicht. Er kann dann jedoch einen Antrag beim Familiengericht stellen. Dasselbe gilt, wenn das Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung festgestellt hat. Auch die Mutter soll umgekehrt die Möglichkeit bekommen, beim Jugendamt zu beantragen, dass der Vater mit ihr gemeinsam die elterliche Verantwortung wahrnimmt. Das Verfahren soll dann ähnlich gestaltet sein, jedoch muss der Vater innerhalb einer Frist von acht Wochen dem Antrag der Mutter zustimmen. Erfolgt diese Zustimmung nicht, wird das gemeinsame Sorgerecht vom Jugendamt nicht erteilt.

Unser Ziel ist es, Konflikte um die elterliche Verantwortung gar nicht erst entstehen zu lassen. Sollten sie jedoch entstehen, muss der gesetzliche Rahmen so gestaltet sein, dass Information, Beratung und gegebenenfalls Mediation deeskalierend wirken. Hier ist uns die Nähe zum Jugendamt, das über Beratungsangebote und Mediation informieren soll, als Unterstützung für Konflikte im Anfangsstadium besonders wichtig.

Mit freundlichen Grüßen

Ekin Deligöz

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