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Ekin Deligöz
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Frage von Philipp M. •

Frage an Ekin Deligöz von Philipp M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Frau Deligöz ,

als Abgeordneter aus meinem Wahlkreis Neu-Ulm wende ich mich an Sie. Ich habe in einem Bericht der "Berliner Umschau" gelesen, daß die CDU/CSU-Fraktion plant, Empfängern von "Harz IV" sogenannte "Abeitsanreize" zu bieten. So wie ich den Artikel verstehen heißt dies, das die Empfänger bei verweigerung von Arbeit mit der teilweisen oder vollständigen Streichung der Bezüge rechnen müssen.

Bitte teilen Sie mir mit, ob ich den Artikel richtig verstanden habe, also die CDU/CSU-Fraktion dies wirklich plant.
Bitte teilen Sie mir mit, inwiefern diese Form des Arbeitsanreizes mit Artikel 2 des ILO-Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeiten vereinbar ist. Bitte teilen Sie mir mit, wie die Fraktion Bündnis90/Die Grünen dazu Stellung beziet.

Nachfolgend der Ausschnitt aus dem Artikel der "Berliner Umschau", zitiert aus der Seite mit der Adresse http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=20072009ArtikelPolitikDuremont1

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Meier

Zitat: BU
[...] Die Pflicht zur Gegenleistung für das stattliche Almosen soll nach dem Willen der Union gesetzlich verankert werden, was nichts weiter bedeutet, dass Hartz IV Empfängerinnen und Empfänger in Zukunft ihre Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung zu stellen haben, ansonsten werde ihnen sämtliche Leistungen ersatzlos gestrichen. [...]

[...] In Artikel 2 des ILO-Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeiten wird präzise definiert, dass "jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat" ausdrücklich verboten sind, und zwar sowohl nach Artikel 8 III des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (in Deutschland in Kraft getreten am 23. März 1976) als auch nach den ILO-Übereinkommen Nummer 29 und Nummer 105 über die Abschaffung von Zwangsarbeit vom 5. Juni 1957. [...]
ZITAT ENDE

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meier,

vielen Dank für Ihren Beitrag vom 22. Juli 2009. Für die Auslegung des Wahlprogramms der CDU/CSU sind die Unionsparteien vermutlich am besten qualifiziert. Dennoch beantworten wir Ihre Frage natürlich gerne. Wörtlich heißt es im Programm der Union auf S. 21 lediglich, "Wir wollen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Anreize zur Arbeit durch die Neuordnung der Hinzuverdienstregelungen sowie eine konsequente Missbrauchsbekämpfung verstärken." Von Zwangs- oder Pflichtarbeiten ist hier also nicht ausdrücklich die Rede. Rein formal kann der Union deshalb auch kein beabsichtigter Verstoß gegen das ILO Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit vorgeworfen werden.

In der großen Koalition ist jedoch während der vergangenen vier Jahre ausreichend deutlich geworden, dass die Union die Mißbrauchsbekämpfung als umfassendes Fordern ohne Fördern interpretiert. Die gesetzlich möglichen Sanktionen wurden maximal verschärft, so dass die gesamte Leistung versagt werden kann und dem Hilfebedürftigen buchstäblich nichts mehr zum Leben bleibt. Außendienste wurden eingerichtet, die Hilfebedürftige bespitzeln und zu Hause besuchen. Die so verstandene Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs hat dazu geführt, dass hilfebedürftige Bürger sich nicht mehr trauen, notwendige Hilfen nachzufragen, und in ein obrigkeitsstaatliches Unterwerfungsverhältnis gepresst werden. Aus unserer Sicht muss sich die Aufmerksamkeit stattdessen dringend auf eine bessere Betreuung der Hilfebedürftigen und die Stärkung ihrer sozialen Rechte richten.

Die schematische Fallbearbeitung mittels EDV-Masken muss einem qualifizierten, individuellen und umfassenden Fallmanagement weichen. Sowohl Scheinangebote zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft als auch Sanktionsandrohungen und -automatismen darf es in Zukunft nicht mehr geben.
Wir wollen weg von der Unkultur des Misstrauens und des Sanktionierens. Dafür müssen Hilfebedürftige und ihre Angehörigen im SGB II in ihren Rechten gestärkt werden. Statt jährlich rd. 1 Milliarde Euro für meist sinn- und perspektivlose Ein-Euro-Jobs auszugeben, muss dieses Geld in die schulische und berufliche Qualifikation von Arbeitssuchenden fließen.

Für eine ausführliche Darstellung unserer Forderungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende möchten wir Sie auf die entsprechenden Passagen in unserem Wahlprogramm zur Grünen Grundsicherung verweisen. Das Programm finden Sie hier:
http://www.gruene-partei.de/cms/files/dokbin/295/295495.wahlprogramm_komplett_2009.pdf

Mit freundlichen Grüße
Ekin Deligöz

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