Frage an Ekin Deligöz von Christoph R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Deligöz,
es geht, dieser Tage fast unausweichlich, um das Zugangserschwerungsgesetz. Ich möchte uns beiden aber eine Diskussion und Wiederholung der Argumente für und gegen das Gesetz ersparen. Ich hoffe inständig, sie tun gleiches in ihrer Antwort.
Fragen zu dem Abstimmungsverhalten von ihnen und dem einiger ihrer Fraktionskollegen muss ich aber dennoch stellen.
Ich habe mit ihren Ausführungen ein Verständnisproblem, so sehr ich den innerlichen Widerspruch erahnen kann.
Frage: Ist eine bewusste Entscheidung dazu, sich nicht zu entscheiden ihrer Meinung nach überhaupt eine Entscheidung? Oder alternativ, ist es eine Entscheidung, diese zu treffen, sie aber nicht mitzuteilen eine?
Nach meinem Anspruch an Parlamentarier ist es ihre Verpflichtung, sich zu informieren, bis sie eine klare Position beziehen können.
Frage: Es gibt Gesetzentwürfe, die einen geringeren Stellenwert haben wie andere, aber meinen sie nicht, dass ein Gesetz mit Eingriffen in das Grundrecht und 134.000 Mitzeichnern dagegen ein zwingender Grund sind, Position zu beziehen?
Wenn mir mein Projektleiter eine Frage stellt, kann ich ja auch nicht einfach den Mund halten, andere für mich in die Bresche springen lassen und dann, wenn sich die Äußerungen der anderen als falsch herausstellen, proklamieren ich hätte zu dem gegenteiligen Standpunkt tendiert. Letzteres ist das, von dem ich glaube, dass es kommt, wie das Amen in der Kirche. Das beziehe ich nicht auf sie persönlich, eher auf Menschen im Allgemeinen.
Frage: In den vergangenen Wochen haben viele Menschen mit ihrem Namen klar Position bezogen und sind dafür auch diffamiert worden. Können sie nachvollziehen, dass sie mit ihren Enthaltungen bei diesen Menschen nicht unbedingt Respekt erworben haben?
Für eine Antwort, gerne auch gemeinsam mit ihren enthaltsamen Fraktionskollegen, danke ich im Voraus.
Mit freundlichem Gruß
C. Ripcke
Sehr geehrter Herr Ripcke,
die Option, sich zu enthalten, ist im Deutschen Bundestag als Entscheidungsmöglichkeit durchaus vorgesehen. Bei namentlichen Abstimmungen sammeln die Schriftführer Abstimmungskarten ein, die die Erklärung "Ja", "Nein" oder "Enthalte mich" tragen.
Anders als Sie es unterstellen, habe ich mit meiner Enthaltung durchaus Position bezogen. Die Mängel, die das Gesetz in verschiedener Hinsicht hat, konnte und wollte ich nicht übersehen. Deshalb habe ich dem Gesetz NICHT zugestimmt. Meine Enthaltung ist aber auch keine Ablehnung des Gesetzes. Den Anspruch auf eine zweifelsfrei rechtsstaatliche, verhältnismäßige und effektive Bekämpfung dieses Delikts im Internet über die aktuellen Möglichkeiten hinaus - als ein Beitrag zu einem umfassenden Kinderschutz - habe ich nicht aufgegeben. Dem wollte ich durch meine Enthaltung bei der Abstimmung Ausdruck verleihen. Ich will mit der Enthaltung zu verstehen geben, dass ich die Intention des Gesetzes teile, aber dem Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Form wegen unterschiedlicher Bedenken nicht zustimmen kann. Mit Nichten ist es so, dass ich meine Entscheidung nicht mitgeteilt hätte. Ich habe nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgegeben.
Im Hinblick auf gefällte Entscheidungen gilt es auch, unterschiedliche Meinungen zu respektieren. Mir ist durchaus bewusst, dass es einige Menschen gibt, die meine Haltung nicht teilen und es gerne gesehen hätten, dass ich dem Gesetz nicht zustimme. Ihrem Anspruch an Parlamentariern folgend, habe ich mich aber umfassend informiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich es nicht grundsätzlich falsch finde, Internetseiten mit kinderpornographischen Darstellungen zu sperren. Dem habe ich, wie gesagt, durch meine Enthaltung Ausdruck verleihen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekin Deligöz