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Eckart von Klaeden
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Frage von Thorsten J. •

Frage an Eckart von Klaeden von Thorsten J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Klaeden,

Sie haben die Anerkennung von Abchasien und Südossetien durch Russland völkerrechtswidrig genannt. Dazu habe ich 4 Fragen an Sie:

1. Wieso wird der Kosovo als eigenständiger Staat von Deutschland anerkannt, obwohl für dessen Unabhängigkeit keine völkerrechtlich legitimierte Resolution des Sicherheitsrats zustande gekommen ist? Und wieso ist dieser Vorgang nicht völkerrechtswidrig und verletzt nicht die territoriale Integrität Serbiens, während die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens völkerrechtswidrig sein soll und die territoriale Integrität Georgiens verletzen soll?
2. Sie haben den Einmarsch Russlands in Georgien als nicht völkerrechtlich legitimiert genannt und deshalb Konsequenzen gefordert. Der Einmarsch der USA in den Irak war nach Aussagen von Völkerrechtlern ebenfalls nicht völkerrechtlich legitimiert, was mittlerweile auch durch mehrere Gerichtsurteile bestätigt worden ist. Trotz der fehlenden völkerrechtlichen Legitimation hat die CDU damals den Angriff der USA gegen den Irak unterstützt. Wieso spielt einmal bei Ihnen das eine Mal das Völkerrecht eine Rolle, das andere Mal nicht?
3. Die UN-Charta beinhaltet das Selbstbestimmungsrecht der Völker. In Referenden haben sowohl Abchasen als auch Südosseten klar für eine Unabhängigkeit gestimmt. Da Sie gegen die Unabhängigkeit dieser beiden Völker von Georgien sind, möchte ich Sie fragen, wie Sie zum völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrecht der Völker und zur UN-Charta stehen?
4. Die eben genannten Beispiele können den Eindruck hinterlassen, dass Sie die UN-Charta und das Völkerrecht selektiv auslegen. Gilt aus Ihrer Sicht das Völkerrecht immer oder dürfen Staaten das Völkerrecht auch selektiv anwenden?

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Jakubowski

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Sehr geehrter Herr Jakubowski,

zu Ihrer 1. Frage: Die Fälle Kosovo und Abchasien/Südossetien sind nicht gleich gelagert.
Kosovo war seit 1999 nicht mehr von Serbien verwaltet worden, sondern von den Vereinten Nationen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem Russland ja als ständiges Mitglied angehört, war ständig mit der "Kosovo-Frage" befasst. Mit russischer Zustimmung wurde Marti Ahtisaari zum VN-Sonderberichterstatter ernannt und mit einem Mandat zur Vermittlung einer Lösung zwischen der serbischen Regierung und den Kosovo-Albanern betraut. Doch dann schwenkte Russland um, machte sich allein die serbische Position zu eigen. Auch eine auf Wunsch Moskaus initiierte Troika-Mission von EU, USA und Russland unter Leitung des deutschen Diplomaten Ischinger konnte vor diesem Hintergrund keine Erfolge zeitigen.
Ganz anders ging nun Russland in der Georgien-Krise vor. Moskau hatte nie etwas zur Lösung der so genannten frozen conflicts in Abchasien und Südossetien unternommen und die Konflikte auf unterschiedliche Weise sogar geschürt. Obwohl in Punkt 6 des Waffenstillstandsabkommens vom 12. August 2008 "Die Aufnahme internationaler Gespräche über Modalitäten für die Sicherheit und Stabilität in Südossetien und Abchasien" festgeschrieben wurde, hat sich Russland nicht daran gehalten, sondern ohne Konsultationen in den entsprechenden Gremien der Vereinten Nationen und der OSZE Fakten geschaffen und die Unabhängigkeit der beiden abtrünnigen Regionen anerkannt. Dies festzustellen ist nicht - wie Sie schreiben - eine sehr einseitige Verurteilung Russlands. Das militärische Vorgehen Russlands gegen Georgien, der Einmarsch in einen anderen Staat, ohne angegriffen worden zu sein oder durch die Vereinten Nationen mit einem entsprechenden Mandat legitimiert worden zu sein, ist und bleibt völkerrechtswidrig.
Was die Völkermord-These angeht, so muss ich Sie auch hier korrigieren. Vor dem Eingreifen der NATO im Kosovo waren die Albaner durch die serbischen Truppen verfolgt und vertrieben worden. Umgekehrt war es in Abchasien und Südossetien: Dort wurde die georgische Bevölkerung - mit Hilfe russischer Milizen - vertrieben. Während die albanische Bevölkerung im Kosovo immer die Mehrheit darstellte, waren vor den Vertreibungen aus den separatistischen Regionen die Georgier gar in der Mehrheit gewesen. In Südossetien lebten die Bevölkerungsgruppen weitgehend friedlich nebeneinander. Im Übrigen muss man die russischen Behauptungen, die Georgier hätten in Tschinvali einen Genozid begangen, als Gräuelpropaganda bezeichnen. Die renommierte Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch widerspricht der russischen Darstellung in einem ausführlichen Bericht. Vielmehr seien georgische Ortschaften in Südossetien geplant systematisch zerstört worden, mit der Absicht, die Gebiete "ethnisch zu säubern".

Anliegend finden Sie einen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. August 2008 ( http://www.nzz.ch/nachrichten/international/suedossetien_ist_nicht_kosovo_1.817400.html ). Ich empfehle ihn Ihrer Lektüre.
Außerdem möchte ich auf meine Rede vom 26. März 2009 in der Bundestagsdebatte "60 Jahre NATO" verweisen. Hier der Link: ( http://www.cducsu.de/Titel__Reden/TabID__1/SubTabID__2/InhaltTypID__2/InhaltID__12626/Inhalte.aspx ).

Zu Ihrer 2. Frage: Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich gravierende Unterschiede zwischen dem Einmarsch der Russen in Georgien und dem der Amerikaner in den Irak.
Die Vorgeschichte für den Ausbruch des Konflikts ist jeweils eine ganz andere. Saddam Hussein führte im Irak ein brutales, menschenverachtendes System. Darüber geben Ihnen die Berichte von renommierten Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch, aber auch Institutionen der Vereinten Nationen hinreichend Auskunft.
Im Gegensatz zum Irak ging von Georgien keine Gefahr aus - weder für die eigene Bevölkerung noch für die Nachbarländer. Georgien verfügt über keine Massenvernichtungswaffen, deren Besitzes Saddam Hussein sich selbst rühmte.
Die Politik Saddam Husseins war wiederholt Thema im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mehrmals wurde das irakische Regime aufgefordert, mit der IAEO zusammenzuarbeiten. Im November 2002 hatte der VN-Sicherheitsrat einstimmig (d.h. einschließlich Russlands) in Resolution 1441 von einer vom Irak ausgehenden Gefährdung des Friedens und der internationalen Sicherheit gesprochen. Wie VN-Chefinspekteur Hans Blix selbst feststellen musste, war das irakische Regime ohne militärische Drohung zu keinerlei Kooperation bereit. Mit Resolution 1441 strebte der Sicherheitsrat eine friedliche Entwaffnung durch ernst gemeinte Drohungen an. Ohne Erfolg.

Zu Ihrer 3. Frage: In der Charta der Vereinten Nationen ist nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Völker (Art. 1, Abs. 2) festgeschrieben, sondern auch das Recht auf territoriale Integrität oder Unversehrtheit eines Staates (Art. 2, Abs. 4). Hier stehen sich also zwei Prinzipien gegenüber, die durchaus auch im Widerspruch zueinander stehen können.
Unter Völkerrechtlern herrscht die Meinung vor, dass sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker grundsätzlich nicht das Recht zur Abspaltung und Gründung eines eigenen Staates ableiten lässt. Demnach könne und müsse das Selbstbestimmungsrecht auch innerhalb des Staates realisiert werden, z.B. durch Minderheitenschutz, Respektierung der jeweiligen Kultur und Sprache. Die jeweilige Staatsführung hat gleichzeitig die Pflicht, diese Rechte der Ethnien, meist ja Minderheiten, auf ihrem Territorium zu achten und zu gewährleisten. Die Frage ist also wesentlich komplizierter als Sie sie darstellen.

Zu Ihrer 4. Frage: In meinen Antworten zu vorhergehenden Fragen habe ich deutlich gemacht, dass ich das Völkerrecht keineswegs selektiv auslege, sondern die Regeln des Völkerrechts als für alle geltend betrachte sowie die Charta der Vereinten Nationen in allen Facetten respektiere.

Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB