Frage an Eckart von Klaeden von Werner C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr von Klaeden,
in Ihrer Funktion als Koordinator für das Programm "Bürokratieabbau" müsste es Ihr Anliegen sein, nicht mit neuen Gesetzen den ohnehin hoch belasteten Bereich bürgerlichen Rechts weiter zu strapazieren.
Ihnen ist sicher bekannt, dass auch heute schon jeder Veröffentlicher im Internet eine elegante und einfache Lösung hat, wenn er nicht gefunden werden möchte: die robots.txt.
Diese Lösung erzeugt überhaupt keine neuen Verwaltungs- und Bürokratiefolgen und -kosten.
Die Bundesregierung hat nun unter dem Tema "Leistungsschutzrecht" eine Gesetzesänderung eingebracht, dies sie 1. als alternativlos beschreibt,- was immer geschieht, wenn Kreativität am Ende ist,- und 2. den zu erwartenden Bürokratiezuwachs schlicht verschweigt.
Die Begründung des Gestzentwurfes sagt ausdrücklich:
"Der Informationsfluss im Internet wird durch die vorgeschlagene Regelung nicht beeinträchtigt. Schon im Jahre 2003 hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00 – „Paperboy“), dass eine bloße Verlinkung keine Verletzung des Urheberrechts ist. Dies soll auch hin- sichtlich der Verletzung des neuen Leistungsschutzrechts für Presseverlage gelten."
Mit etwas Programmieraufwand wird der Leser also durch Klick die Links an Ort und Stelle einblenden können.
Ist Ihnen vielleicht nicht bewusst, dass wir in einer Zeit Leben, wo der menschliche Geist recht schnell Wege finden kann?
Was sollen also solche sinn- und nutzlosen Gesetzesentwürfe, die unser aller Leben nur noch höher belasten?
Wollen Sie mit dafür verantwortlich sein, dass sich ein Volk zunehmend eingesperrt fühlen muss in undurchschaubaren Paragraphendschungeln?
Trägt das wirklich zum Frieden im Land bei?
Wem nützt das?
Mit demokratisch freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Copray,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich als Abgeordneter des Deutschen Bundetages und nicht als Staatsminister im Namen der Bundesregierung beantworte.
Der Gesetzentwurf der Koalition zielt darauf, Presseverlage mit anderen sogenannten Werkmittlern gleichzustellen. Das Urheberrechtsgesetz kennt schon heute eine Vielzahl von Leistungsschutzrechten, durch die die spezifische Leistung eines Werkmittlers, z.B. eines Schauspielers, Musikers, Musik- oder Filmproduzenten, unabhängig vom Urheber als dem Schöpfer des Werkes rechtlich geschützt wird.
Presseverleger dagegen verfügen bisher nicht über ein entsprechendes Leistungsschutzrecht, obwohl sie ähnlich wie die genannten Berufsgruppen urheberrechtlich geschützte Werke, nämlich journalistische Artikel, einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen. Die spezifische Leistung des Verlegers liegt in der berufsmäßigen Veröffentlichung einer Vielzahl von Presseartikeln, die mit einem erheblichen technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist. Ähnlich wie Produktmarken bürgen Verlage für eine besondere Qualität ihrer Erzeugnisse. Auswahl, Arrangement und Präsentation der Artikel bieten dem Leser Orientierung und erleichtern ihm den Qualitätsvergleich. Es ist auch ein Gebot der Gleichbehandlung und Fairness, dass diese verlegerische Leistung ähnlich wie bei anderen Werkmittlern rechtlich geschützt wird.
Das Schutzbedürfnis der Verleger ist in besonderer Weise mit der Verbreitung des Internets entstanden. Solange Presseerzeugnisse ausschließlich in gedruckter Form verfügbar waren, wurden diese wegen des kurzen Vermarktungszeitraums nicht in nennenswerter Weise von Dritten zu eigenen gewerblichen Zwecken verwertet. Durch das Internet aber ist es für Dritte möglich, im Internet verfügbare Presseartikel ganz oder teilweise zu kopieren und wirtschaftlich auszunutzen. Ich halte es aber für sachgerecht, wenn kommerzielle Angebote, die sich die Leistung der Presseverlage systematisch zunutze machen, künftig von diesen Lizenzen erwerben müssen. Wer mit der Leistung anderer Geld verdienen will, muss diesen zuvor um Erlaubnis fragen und das verlangte Entgelt zahlen.
Zwar ist es richtig, dass Verlage schon bisher mit technischen Mitteln eine Nutzung ihrer Seiten etwa durch Suchmaschinen verhindern (Auslistung über robots.txt) oder ihr Angebot mit Bezahlschwellen versehen können. Gleichwohl ändert dies aus meiner Sicht nichts daran, dass es sachgerecht ist, der verlegerischen Leistung als Form der Werkvermittlung ein eigenes Leistungsschutzrecht zuzuordnen. Nach meiner Überzeugung ist es Aufgabe des Rechtsstaates, auch Werkvermittler vor Rechtsverletzungen zu schützen oder ihnen rechtliche Mittel zur Rechtsdurchsetzung an die Hand zu geben. Überdies betrifft die Einführung des Leistungsschutzrechts nicht nur Suchmaschinen wie z.B. Google, sondern desgleichen auch sog. Newsaggregatoren, die ohne Zustimmung des Verlegers mit Metacrawlern auch Paywalls unterlaufen und Presseerzeugnisse aufbereiten und wirtschaftlich weiternutzen. Deswegen brauchen die Verlage ein eigenes Recht, um sich gegen diesen Missbrauch zur Wehr setzen zu können.
Nach dem Gesetzentwurf soll das Leistungsschutzrecht nur die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen zu gewerblichen Zwecken erfassen. Ausdrücklich wird dabei nur auf Suchmaschinen und sogenannte Newsaggregatoren abgestellt. Andere Nutzer wie z.B. Blogger, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft und private oder ehrenamtliche Nutzer sind vom Leistungsschutzrecht nicht betroffen. Das Zitatrecht und die übrigen Schranken des Urheberrechts gelten auch für das Leistungsschutzrecht.
Einen Konflikt mit dem rechtlichen Schutz der Urheber, d.h. vor allem der Journalisten, sehe ich schließlich nicht: Nach dem Gesetzentwurf kann das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers ausdrücklich nicht zum Nachteil des Urhebers geltend gemacht werden. Ferner bestimmt der Gesetzentwurf, dass der Urheber angemessen an der Vergütung, die durch die Lizenzierung des neuen Leistungsschutzrechts generiert wird, zu beteiligen ist. Die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage liegt damit auch im wirtschaftlichen Interesse der am Presseerzeugnis beteiligten Urheber.
Ich darf Ihnen abschließend versichern, dass wir den Gesetzentwurf im Rahmen des laufenden parlamentarischen Verfahrens und der Anhörung im Rechtsausschuss intensiv beraten werden. Dabei werden wir die vorgetragenen Argumente für und gegen das Leistungsschutzrecht und im Hinblick auf mögliche Änderungen des Gesetzentwurfs im Einzelnen sorgfältig prüfen.
Ich halte es aber für notwendig. auch geistiges Eigentum und das Recht der Werkvermittler effektiv zu schützen. Diese Zielrichtung des Gesetzentwurfs ist fair und keineswegs – wie Ihre Frage indirekt ausdrückt – eine Einschränkung freiheitlicher Rechte.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB