Frage an Eckart von Klaeden von Wolfgang H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr von Klaeden!
Ich darf mich nunmehr auf eine Rentenerhöhung von 0,25 % freuen. Die Freude hält sich allerdings in Grenzen wenn ich sehe, was mein Bekannter als pensionierter Oberstleutnant an Pension und nachträglicher Pensionserhöhung ab 1.1.2013 bekommt.
Mir ist bewußt, dass die Rentnergeneration im Jahre 2010 - zu der ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gehörte - eine Rentenkürzung hätte hinnehmen müssen, weil die so genannte Netto-Lohn-Quote ein negatives Vorzeichen aufwies. Weil diese Rentenkürzung jedoch nicht vorgenommen wurde, erfolgt nun quasi eine Verrechnung.
Dazu meine Fragen:
1. Warum wird mir als Neu-Rentner die aus 2010 resultierende Verrechnung zugemutet?
2. Trifft es zu, dass in die für die Rentenerhöhung maßgeblichen Netto-Lohn-Quote auch die Mini-Jobber, Aufstocker und sonstigen von Lohndumping-Systemen Betroffenen mit einfließen und damit den Durchschnitt des Netto-Lohns negativ beeinflussen?
3. Warum wird diese für die Rentenerhöhung angewandte Netto-Lohn-Quote nicht im gleichen Ausmaß auf die Pensionsbezieher angewandt - und wie steht die CDU zu einem solchen Änderungs-/bzw. Anpassungsansinnen?
4. Warum werden die Diäten der Bundestagsabgeordneten nicht an den Rhythmus und die prozentuale Erhöhung der gesetzlichenRenten angepasst - und wäre dies nicht eine vortreffliche Wahlkampfaussage Ihrer Partei zum Thema "Abbau sozialer Ungerechtigkeiten"?
5. Was müssen 20 Mio. Retner nach Ihrer Auffassung tun oder unterlassen, um ihre Interessen wirksamer durchzusetzen - eine erfolgreiche Interessenvertretung wie die Pensionäre mit dem Deutschen Beamtenbund und deren Lobbyisten gründen oder die A 2 am Hannover Kreuz in beide Fahrtrichtungen Ost-West und Nord-Süd für mehrere Tage blockieren?
Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Fragen - trotz der teilweise emotionalen Entrüstung - vollständig beantworten. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Hartmann,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und nicht als Staatsminister im Namen der Bundesregierung beantworte.
zu Frage 1:
Der aktuelle Rentenwert gilt stets für Neu- und Bestandsrentner gleichermaßen. In unserem solidarisch organisierten und im Umlageverfahren finanzierten gesetzlichen Rentensystem wird der aktuelle Rentenwert nicht für jeden Jahrgang im Rentenzugang gesondert errechnet. Das wäre weder systemgerecht, noch praktikabel. Für Neurentner ist der aktuelle Rentenwert die maßgebende Größe bei der Rentenberechnung zu Rentenbeginn und für Bestandsrentner die maßgebende Größe bei der jährlichen Anpassung der Renten. Als bisherige Beitragszahler haben Neurentner bislang bei dem Aufbau ihrer Rentenanwartschaften ebenfalls von der sichernden Wirkung der Schutzklauseln bei früheren Rentenanpassungen profitiert. Damit ist auch für Neurentner im Jahr 2013 in den alten Bundesländern der aktuelle Rentenwert momentan noch höher, als er ohne Eingreifen der Schutzklausel in der Vergangenheit wäre. Daher ist es nur sachgerecht, dass sich ebenfalls Neu-Rentner am Abbau des Ausgleichsbedarfs entsprechend beteiligen.
In den Jahren 2005, 2006 und 2010 kam die im Jahr 2004 eingeführte und im Jahr 2009 zur sog. Rentengarantie erweiterte Schutzklausel bei der Rentenanpassung zur Anwendung. Das heißt, der aktuelle Rentenwert blieb in diesen Jahren in seiner Höhe unverändert und die Bruttorenten haben sich nicht vermindert, obwohl dies rein rechnerisch erforderlich gewesen wäre. Dadurch konnten die Rentner auf die Sicherheit ihrer Rente vertrauen. Der Betrag, um den der aktuelle Rentenwert aufgrund der Schutzklausel höher ist als bei rein rechnerischer Anwendung der Rentenanpassungsformel, wird im sogenannten Ausgleichsbedarf erfasst.
Der Ausgleichsbedarf für die alten Bundesländer beträgt nach der Rentenanpassung 2013 noch 0,46 Prozent (zuvor 0,71 Prozent). Das heißt, die Renten im Westen sind ab Juli für Neu- und Bestandsrentner noch 0,46 Prozent höher, als sie es ohne Anwendung der Schutzklausel wären. Im Osten ist dieser Ausgleichsbedarf bereits seit Juli 2012 vollständig abgeschmolzen.
zu Frage 2:
Die Intention der Rentenanpassungsformel ist eine Rentenanpassung, die sich im Grundsatz an der Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte der Versicherten orientiert. Dies ist sachgerecht, weil sich hierin die wirtschaftliche Entwicklung aller Beitragszahler widerspiegelt. Diese Daten liegen allerdings erst mit einer Zeitverzögerung von zwei Jahren vor und können daher in der Rentenanpassungsformel entsprechend berücksichtigt werden (also bei der Rentenanpassung zum 1. Juli 2013 die Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte des Jahres 2011 gegenüber dem Jahr 2010). Um die Rentnerinnen und Rentner dennoch zeitnah an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen, wird bei der Rentenanpassung als Basis zunächst auf die Lohnentwicklung gemäß den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) des Vorjahres (also bei der Rentenanpassung zum 1. Juli 2013 auf die Entwicklung der Löhne und Gehälter des Jahres 2012 gegenüber dem Jahre 2011) zurückgegriffen. Darin sind zwar auch die Entgelte nicht rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer und die Entgelte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen enthalten. Nicht berücksichtigt werden allerdings die Entgelte aus Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante von Beziehern der Grundsicherung für Arbeitsuchende (auch als „Ein-Euro-Jobs“ bezeichnet) , vgl. § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Um Verzerrungen auszuschließen und im Ergebnis allein die Entwicklung der versicherungspflichtigen Entgelte bei der Rentenanpassung abzubilden, wird zudem die VGR-Lohnentwicklung noch korrigiert durch einen Faktor, der die relative Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte zu derjenigen der Lohnentwicklung nach VGR des Vorvorjahres berücksichtigt, vgl. § 68 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Bei der Berücksichtigung der beitragspflichtigen Entgelte werden einzig die Bezieher von Arbeitslosengeld I nach dem SGB III mit einbezogen. Diese sind aber versicherungspflichtig in der Rentenversicherung abgesichert, so dass es dadurch nicht zu Verzerrungen kommt.
zu Frage 3:
Zum jeweiligen Anstieg der Pensionen bzw. Renten kann ich Ihnen als Hintergrund erläutern, dass die Pensionen für Versorgungsempfänger an die aktuellen Bezüge der Beamten, Richter bzw. Soldaten geknüpft sind, während die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) , wie oben dargelegt, erst im Folgejahr an die Entwicklung der Löhne und Gehälter der Beitragszahler angepasst werden. Daher tritt die Rentenanpassung jeweils verzögert ein; dies gilt jedoch im positiven wie im negativen.
Bei den von Ihnen kritisierten Unterschieden in den Alterssicherungssystemen Rente und Versorgung darf nicht verkannt werden, dass beide Systeme historisch unterschiedliche Wurzeln haben und damit auch eine jeweils eigene Entwicklung aufweisen. Während die gesetzliche Rentenversicherung den Platz einer Regelsicherung einnimmt, zu der regelmäßig zusätzlich die Leistungen einer weiteren Absicherung (betrieblichen Alterssicherungen) treten, nimmt die Beamtenversorgung beide Aufgaben gleichzeitig wahr. Berücksichtigt man dies, relativieren sich die Unterschiede. Zudem ist zu berücksichtigen, dass beim offiziell ermittelten Rentenniveau netto bereits der Abzug für Krankenversicherungsbeiträge verrechnet ist, während die entsprechenden Beiträge bei den Pensionen noch in Abzug gebracht werden, womit sich das Pensionsniveau netto (vor Steuern) faktisch verringert. Daneben gilt es zu beachten, dass die Pensionen der vollen Versteuerung unterliegen, während die Renten mit einem erheblichen Teil noch steuerfrei sind.
Im Übrigen haben die Gesetzgeber von Bund und Ländern vor dem Hintergrund der Veränderungen im System der GRV eine Reihe von Einschnitten bei der Anpassung der Pensionen beschlossen. So wird bei einem Anstieg der Pensionen infolge steigender Beamtenbezüge ein Teil der Steigerungen zum langfristigen Aufbau eines eigenständigen Versorgungswerks genutzt, um die Pensionslasten der öffentlichen Haushalte langfristig zu entlasten. Außerdem wird als Bemessungsgrundlage für die Pensionen nicht mehr das Endgehalt, sondern die durchschnittliche Einkommenssituation im Laufe des Erwerbslebens herangezogen. Da für bestehende Pensionen und Anwartschaften jedoch Vertrauensschutz besteht, können diese Regelungen erst allmählich greifen. Schließlich wurden im Bund - und teilweise auch bereits in den Ländern - auch im Beamtenrecht entsprechende Regelungen zur „Rente mit 67“ eingeführt.
zu Frage 4:
Das Bundesverfassungsgericht hat eine formelhafte Festlegung der Abgeordnetenentschädigung untersagt, vielmehr habe der Deutsche Bundestag in freier Entscheidung stets selbst darüber zu befinden. Nach § 11 Absatz 1 Abgeordnetengesetz orientiert sich die Abgeordnetenentschädigung an den Monatsbezügen eines Richters bei einem obersten Gerichtshof des Bundes und eines kommunalen Wahlbeamten auf Zeit. Diese Regelung halte ich im Hinblick auf die arbeitsmäßigen Belastungen in diesen drei Berufen für sachgerecht.
zu Frage 5:
Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland als die zentrale Säule der Absicherung im Alter muss den Interessen von Jung und Alt gleichermaßen gerecht werden. Die generationengerechte Ausgestaltung und damit die Berücksichtigung der Interessen beider Seiten ist daher zentraler Maßstab bei der Fortentwicklung und Nachjustierung des Rentensystems. Die Reformen der vergangenen Jahre belegen dies: Sowohl heutige und künftige Beitragszahler als auch die Rentnerinnen und Rentner partizipieren an den beschlossenen Reformmaßnahmen, wie der behutsamen Absenkung des Rentenniveaus über den so genannten Nachhaltigkeitsfaktor oder auch der schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters (Rente mit 67). Sie tragen damit gemeinsam dazu bei, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig und zukunftsfest ausgestaltet ist. Im Übrigen gibt es vielfältige Möglichkeiten für Sie, darüber hinaus Ihre Interessen zur Rentenpolitik organisiert zu vertreten, beispielsweise über Sozialverbände, wie z.B. den Sozialverband Deutschlands (SoVD) oder den VdK.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB