Frage an Eckart von Klaeden von Henner L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Die Hildesheimer Allgemeine berichtet am 16.04.2008 (Seite 2, unten rechts):
ZUR PERSON
Roman Herzog, Altbundespräsident, hat sich nach seinen Warnungen
vor einer „Rentnerdemokratie“ erneut die Politiker vorgeknöpft und sie
mitverantwortlich gemacht für die Reformmüdigkeit der Bürger.
In der „Bild“-Zeitung vom Dienstag warf er ihnen mangelnde
Führungskraft vor. „Wenn ich mir das aktuelle Personal anschaue, weiß ich nicht,
ob ich lachen oder weinen soll“, sagte der 74-Jährige. Er beklagte, „dass sich das
Volk nicht bewegt“. Zwar gebe es eine gewisse Bereitschaft zu Veränderungen.
„Aber es bräuchte politische Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren“,
mahnte Herzog an. Die Reformpolitik der letzten zehn Jahre sei „dilettantisch
durchgeführt“. Auf die Frage, warum wohl die große Mehrheit der Bevölkerung
Mindestlöhne befürworte, antwortete Herzog: „Es gibt auch ein Grundrecht auf
Dummheit.“ ap/p
Sehr geehrter Herr von Klaeden,
Roman Herzog berichtet auch über Sie!
Mich als Wähler interessiert Ihr Statement dazu.
Herzliche Grüße
Ihr Henner Lenfers
Sehr geehrter Herr Lenfers,
Ihre Anfrage vom 22.4.2008 beantworte ich wie folgt:
Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat in der ihm eigenen, unverwechselbaren Sprache seiner Sorge Ausdruck verliehen, dass der notwendige und weiterzuführende Reformprozess angesichts endlich sinkender Arbeitslosenzahlen und der Abflachung der Neuverschuldung des Bundeshaushalts zum Erliegen kommen könnte.
Diese Sorge ist nicht gänzlich unbegründet, wenn man bedenkt, wie in der gegenwärtigen politischen Diskussion bestimmte Problemlagen heute einen völlig anderen Zungenschlag bekommen haben als noch vor drei Jahren. So konzentrierte sich bis 2004/2005 die sozialpolitische öffentliche Debatte darauf, wie Arbeitslose mit geringer Qualifikation an den Arbeitsprozess herangeführt werden können, damals kamen insbesondere Vorschläge zu verschiedenen Kombi-Lohn-Modellen auf, die aus der Überlegung entstanden waren, dass es besser sei, wenig Arbeit oder Arbeit in einem einfachen Arbeitssegment zu haben und ergänzende öffentliche Leistungen zu empfangen, als überhaupt keine Arbeit. Nachdem diese Vorstellungen Wirkungen gezeigt haben, werden nun aber solche Tätigkeiten als "Hartz-IV-Aufstocker" diskreditiert und über die Forderung nach flächendeckenden Mindestlöhnen das Risiko eingegangen, die erzielten Effekte einschließlich der sanierten Finanzen der Bundesagentur für Arbeit und der abgesenkten Beiträge für die Arbeitslosenversicherung wieder zunichte zu machen. Immerhin konnte die Arbeitslosigkeit, die in ihrer Spitze über 5 Millionen Menschen erfasste, mittlerweile um etwa 40 % gesenkt werden. Ich kann daraus nur schließen, dass dieser von der Bundesregierung eingeschlagene Weg richtig ist und daher fortgesetzt werden muss und nicht abgebrochen werden darf.
Darüber hinaus schieben sich langsam, aber allmählich immer stärker spürbar, die Verwerfungen unseres demographischen Bevölkerungsaufbaus in den Vordergrund. In der Tat kann es sich zu einem massiven Problem nicht nur der Staatsfinanzen, sondern unserer Staatsform auswachsen, wenn eine Mehrheit von Leistungsempfängern aus den vorhandenen Sozialsystemen von einer Minderheit von Erwerbstätigen eine immer weiter ansteigende Abgabenquote erzwingen wollte. Individuell haben sich schon viele Menschen durch Schwarzarbeit aus diesem Sozialsystem verabschiedet, Schätzungen zufolge beträgt das volkswirtschaftliche Volumen der Schwarzarbeit über 350 Milliarden € jährlich. Da liegt die Befürchtung nicht fern, dass es bei Überdehnung der Abgabenquote auch zu kollektiven Eruptionen kommen kann. Hierfür sollten wir unseren Blick schärfen, anstatt uns dabei aufzuhalten, dass jemand die Sprache der political Correctnis meidet.
Übrigens: Die Feststellung, es gäbe auch ein Grundrecht auf Dummheit, ist im Kern nicht neu, sondern nur die ins Republikanisch-Gegenwärtige übersetzte Erkenntnis aus der Antike, derzufolge selbst Götter vergebens gegen die Dummheit känpften.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB