Frage an Eckart von Klaeden von Jürgen O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr von Klaeden,
nachdem in der Presse veröffentlicht wurde, dass Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien sich wiedermal eine Diätenerhöhung zugestehen, frage ich Sie:
fühlen Sie sich in Ihrer Haut wohl, bei dem Gedanken, wieviel Armut Sie durch Ihre Arbeit einem grossen Teil des Deutschen Volkes beschert haben.
Ich denke an die steigende Zahl von Kindern, die in Armut leben müssen,
ich denke an die 1 € -Jobber,
ich denke an die Rentnerinnen und Rentner welche nur 0-Runden kennen. Auch das kann man erweitern.
Die exorbitante Verteuerung der Lebenshaltungskosten, wie Energie, Grundnahrungsmittel, das lässt sich fortsetzen. Bei Ihren Einkommen jenseits 7.000€ juckt dies nicht.
Nein, mein Herr, so geht das nicht, Sie verordnen den Ärmsten die finanzielle Diät und bedienen sich selbst schamlos.
Das sollte Folgen haben, Herr von Klaeden.
Ich gehe davon aus, dass Sie diese Einlassung unbeantwortet lassen, wie alles, was Ihnen unbequem ist.
Aber dieser Beitrag wird von vielen Ihrer Wähler gelesen und es wird sicher bei der Wahl zum Deutschen Bundestag Konsequenzen haben.
Freundliche Grüsse Jürgen Ost
Sehr geehrter Herr Ost,
Sie beklagen die allgemeinen Lebensverhältnisse und prangern die Diätenerhöhung an.
Heribert Prantl schreibt hierzu auf Seite 4 der Süddeutschen Zeitung vom 7. November 2007:
„Der Pranger war ein Gerät zur öffentlichen Schaustellung von Missetätern; die Strafe bestand in den Schmähungen der Passanten. Er wurde in Deutschland abgeschafft, als hierzulande 1848/49 die Demokratie begann, und in der Frankfurter Paulskirche das erste Parlament zusammentrat. Umso seltsamer ist es, dass heute Pranger in regelmäßigen Abständen wiedererrichtet werden, um dort ausgerechnet die Abgeordneten der öffentlichen Empörung preiszugeben. Der Pranger besteht heute aus Zeitungspapier, neuerdings heißt er auch Internet: Dort beginnt immer dann, wenn in einem Parlament über die Gehälter der Abgeordneten beraten wird, eine Hysterie, die so tut, als würden sich die Volksvertreter nur deswegen vom Volk wählen lassen, um im Parlament leichtes Geld zu verdienen.
Das Wort "Diäten" oder gar "Diätenerhöhung" funktioniert, man kann das derzeit wieder beobachten, wie das Klingelzeichen beim Pawlow"schen Experiment. Sogleich wird die Vorurteilsmaschinerie angeworfen und das Parlament als Raffkartell beschimpft. Diese antiparlamentarische Narretei begleitet nun schon die gesamte Geschichte der Bundesrepublik. Erstaunlich ist freilich, dass die Politikerbeschimpfung an Schärfe immer weiter zunimmt. Es existiert offenbar ein abgründiges Misstrauen in die Integrität der Volksvertreter, an dem diese selbst nur zu einem kleineren Teil schuld sind. Es gibt in Deutschland eine hohe Bereitschaft, von einzelnem Fehlverhalten und Fehlleistungen, die es immer und in allen Parteien gegeben hat, auf eine Verderbtheit der ganzen politischen Klasse zu schließen. Zeigt das ein partiell gestörtes Verhältnis zur Demokratie? Wenn pauschale Vorurteile sich so leicht aktivieren lassen, stimmt etwas nicht.
Das Parlament ist Volksvertretung; das heißt, dass die Schwächen, die es im Volk so gibt, auch in einem Parlament nicht automatisch absent sind. Das franziskanische Armutsideal hat nun einmal leider keinen hohen Rang in der Gesellschaft; und Mutter Teresa gehört auch nicht gerade zu den Leitbildern des Alltags. Die Lamentatoren gegen "die Politiker" verlangen offenbar, dass diese stellvertretend für sie so uneigennützig, selbstlos und moralisch sind, wie sie selbst es nicht sind. Indes: Wären zum Beispiel die vielen Lästerer, die den Politikern Faulheit vorwerfen, weil sie wieder einmal ein ziemlich leeres Parlament sehen, nur halb so fleißig, wie diese es ganz überwiegend sind - dann würde durch das Land der Ruck gehen, den sich einst der Bundespräsident Herzog gewünscht hat. Politik ist ein Beruf, in dem beinah rund um die Uhr gerackert wird. Das sagt noch nicht unbedingt etwas über die Qualität der Arbeit aus, aber das ist wieder ein anderes Kapitel. Es ist jedenfalls so, dass man die Menschen, die sich um das Wohl des Landes kümmern sollen, so ausstatten muss, dass sie sich einigermaßen wohlfühlen können. Reich wird man in der Politik ohnehin nicht.[...] Die Politik fürchtet aber die (unsinnige) Schlagzeile "Politiker verdoppeln ihr Gehalt." Es ist dies ein Fall, bei dem man leider sagen muss, dass die Art und Weise, wie Pressefreiheit genutzt wird, der Demokratie nicht sehr gut tut. Einer der Prominentesten am klassischen alten Pranger war der englische Schriftsteller Daniel Defoe; er wurde 1703 in London für seine Satiren dem öffentlichen Gespött ausgeliefert. Das Publikum, das ihn mochte, bewarf ihn aber nicht mit Fallobst, sondern mit Blumen und trank auf seine Gesundheit. So weit muss man ja bei den Politikern nicht unbedingt gehen. Aber ordentliche Diäten sollte man ihnen schon vergönnen.“
Gemäß Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 unseres Grundgesetzes haben die Abgeordneten des Bundestages nämlich einen „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu unmissverständlich klargestellt, dass diese Entschädigung *zwingend *von den betroffenen Abgeordneten selbst durch Gesetz festgelegt werden muss. Damit ist sie für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar.
Die Abgeordnetenentschädigung soll der Bedeutung des Amtes als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans Rechnung tragen und die unabhängige Ausübung des Mandats gewährleisten.
Ihre Höhe orientiert sich nach geltendem Recht an den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen sowie von Richtern an Bundesgerichten. Als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 200.000 bis 300.000 Wahlberechtigten vertreten, wurden Bürgermeister kleiner Städte und von Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern angesehen. Die Abgeordnetenentschädigung bleibt inzwischen jedoch deutlich hinter den gesetzlich vorgegebenen Orientierungsgrößen zurück, im Augenblick um etwa 12%; dies sind ca. 900 Euro.
Im Lichte der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet. Sie wurden zuletzt im Jahr 2003 maßvoll angehoben. In der öffentlichen Diskussion blieb dies jedoch letztlich ohne Einfluss auf die Art und Weise der regelmäßig geführten Debatte um die Höhe und die Angemessenheit der Abgeordnetenbezüge.
Die Schere zwischen dem Anstieg der Abgeordnetenentschädigung im Vergleich zu anderen Einkommensgrößen ist seit nahezu 30 Jahren immer weiter auseinander gegangen. Die nunmehr beabsichtigte Anhebung der Diäten zum 1. Januar 2008 ist zudem die erste Erhöhung seit fünf Jahren.
Die vorgeschlagene Neuregelung soll den bisher entstandenen erheblichen finanziellen Rückstand in zwei Schritten ausgleichen. Die Abgeordnetenentschädigung soll zum 1. Januar 2008 um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro angehoben werden. Die Anhebung zum 1. Januar 2008 um 330 Euro entspricht einem Prozent-Satz von 4,7. Dieser Steigerungssatz liegt damit unter dem Anstieg der durchschnittlichen Erwerbseinkommen seit der letzten Diätenerhöhung im Jahr 2003. Mit der Anhebung um weitere 329 Euro zum 1. Januar 2009 wird dann die Orientierungsgröße erreicht (B 6, Bürgermeisterbesoldung), jedoch ohne die anteiligen Sonderzahlungen („Weihnachtsgeld“) für die kommunalen Wahlbeamten und Bundesrichter. Sie werden nicht Bestandteil der Abgeordnetenentschädigung. Eine Anhebung der Entschädigung soll zukünftig nur noch erfolgen, wenn sich die Vergütung der mit den Abgeordneten vergleichbaren Bürgermeister und Bundesrichter ändert.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden, MdB