Dirk Wiese, Kandidat der SPD für den 20. Deutschen Bundestag
Dirk Wiese
SPD
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Frage von Justus M. •

Frage an Dirk Wiese von Justus M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geerhter Herr Wiese

da Sie der Vertreter für meinen Kreis sind, würde ich gerne wissen, warum Sie und Ihre Partei, Herrn Snowden keine Einreise ermöglichen möchten?
Ich war sehr erschrocken das Sie, kein großes Problem mit den Menschenrechtsverletzungen seitens der USA haben. Dies muss ich zwangsläufig so annehmen, da Ihre Partei nichts gegen die Verfolgung von Herrn Snowden unternimmt. Aus meiner Sicht ist es eine Schande für einen Zivilisierten Staat, wenn Menschenrechtsverletzungen so hingenommen werden (ob bei der Überwachung der Bürger, oder bei der Politischen verfolgung von Herrn Snowden).
Herr Snowden hat uns Bürger aufgeklärt, das die Bürgerliche-, das die Wirtschaftliche-, und das die Politische- Überwachung standard sind.
Warum wird mit den USA verhandelt, wenn der Handelspartner doch sowieso weiß was wir unbedingt durchsetzen möchten und auf was wir verzichten könnten? Allein die Wirtschaftsspionage ist eine rießen Gefahr, dazu noch die Politische Überwachung, ich wiederhole, warum verhandeln wir überhaupt? Die wissen doch sowieso schon was wir durchsetzten müssen und auf was wir verzichten könnten.
Aber auch die Bürgerüberwachung ist unbegründbar, theoretisch könnte jeder Systemskritische mit Informationen dieser Überwachungen Mundtot erpresst werden, wenn dies nicht sogar schon längst passiert.
Als damals die Stasi seinen Bürgern überwacht hat, wurde dies immer stark verurteilt, zurecht. Aber in diesem konkreten Fall wie Herr Snowden, sieht Ihre Partei das anders. Er wird ausschließlich aus Politischen/Militärischen Gründen verfolfgt. Ist es nicht unsere Aufgabe diesen Menschen zu helfen? Zudem bin ich davon fest überzeugt das wir Bürger einen Anspruch darauf haben, dass Gesetztsetzbrüche korrekt vor einem (Internationalen-)Gericht verhandelt werden müssen. Wenn ein souveräner Staat noch nichtmals auf höchster Regierungsebene mit Rechtsstaatlichen mitteln agieren kann, dann wird der Rechtsstaat unglaubwürdig.

Mit freundlichem gruß,
J.Müller

Dirk Wiese, Kandidat der SPD für den 20. Deutschen Bundestag
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich freue mich, dass Sie den Dialog mit mir suchen.

Edward Snowden hat uns auf eine skandalöse Überwachung aufmerksam gemacht, von der wir ohne sein Handeln vermutlich bis heute nichts wüssten. Aus diesen Erkenntnissen müssen wir Konsequenzen ziehen. Meine Fraktion hat hierfür Vorschläge gemacht, die Sie in der Bundestags-Drucksache 17/14677 nachlesen können.

Dort werden Sie allerdings nicht die von Ihnen erhobene Forderung finden, Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren. Gerne erläutere ich Ihnen, weshalb sich die SPD-Bundestagsfraktion nicht dafür ausgesprochen hat, Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren. Ein Asylantrag im engeren Sinne wäre nicht begründet. Ein solcher Antrag bezieht sich in Deutschland auf verschiedene Schutzformen: Schutz als politisch Verfolgter nach dem grundgesetzlichen Asyl, als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder als sogenannter subsidiär Schutzberechtigter nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Für jede dieser Schutzformen kann ein Antrag grundsätzlich erst auf deutschem Hoheitsgebiet gestellt werden. Herr Snowden ist aber nicht in Deutschland. Deshalb hat das Bundesministerium des Innern (BMI) seinen Antrag im Sommer 2013 abgelehnt.

Selbst wenn Herr Snowden einen Antrag auf deutschem Boden stellen würde, wäre der voraussichtlich nicht begründet. Ihm droht in den USA ein Strafverfahren. Im internationalen Flüchtlingsschutz ist anerkannt, dass ein Strafverfahren, solange es rechtsstaatlichen Grundsätzen folgt, keine asylrelevante Verfolgung ist. Andernfalls könnten sich Straftäter durch Flucht in andere Staaten stets der Strafverfolgung entziehen. Im Fall, den wir hier diskutieren, geht es insbesondere um Geheimnisverrat, also die unerlaubte Weitergabe von vertraulichen Informationen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die USA diese unter Strafe stellen. Im Gegenteil, alle Staaten tun dies. Sie sind zum Schutz ihrer nationalen Sicherheit darauf angewiesen, dass bestimmte Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Juristisch gibt es aber einen anderen Weg, den man diskutieren kann: Das Aufenthaltsgesetz eröffnet in § 22 die Möglichkeit, einen Ausländer aus dem Ausland aufzunehmen, wenn völkerrechtliche, dringende humanitäre Gründe oder die Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik dafür sprechen. Mit anderen Worten: Wir haben eine weite Generalklausel, die es uns ermöglichen würde, Herrn Snowden aufzunehmen, wenn wir uns politisch dafür entscheiden.

Doch diese Entscheidung würde Herrn Snowden voraussichtlich mehr schaden als nützen.

Herr Snowden müsste von Russland nach Deutschland kommen. Wenn Deutschland ihm ein Visum ausstellte und er damit ein deutsches Flugzeug bestiege, müsste dieses Flugzeug zwingend über den Luftraum mehrerer anderer europäischer Staaten fliegen. Es ist möglich, dass einer oder mehrere dieser Staaten vom berühmten Passagier an Bord erführen – sei es aus offiziellen, sei es aus nachrichtendienstlichen Quellen. Auch können wir nicht ausschließen, dass einer dieser Staaten das Flugzeug zum Landen zwingen würde, um Herrn Snowden an die USA auszuliefern. Das dürfte der jeweilige Staat, weil der Luftraum zu seinem Hoheitsgebiet zählt. Auch der Seeweg wäre nicht sicherer: Der Weg durch die Ostsee führt ebenfalls durch das Hoheitsgebiet mehrerer anderer Staaten, die seerechtliche Zwölfmeilenzone.

Selbst wenn Herr Snowden trotzdem nach Deutschland gelangen würde, wäre bei seiner Ankunft mit dem nächsten Hindernis zu rechnen: Es gibt ein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und den USA. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag, an den Deutschland juristisch gebunden ist. Er verpflichtet Deutschland, auf Ersuchen der US-Regierung Verdächtige auszuliefern, um in den USA ein Strafverfahren durchzuführen. Umgekehrt wären auch die USA zur Auslieferung verpflichtet, wenn Deutschland in einem anderen Fall ein entsprechendes Ersuchen stellte. Sobald Herr Snowden nach Deutschland reiste, würden die USA ein Auslieferungsersuchen stellen. Dann würde er, vielleicht sogar noch am Flughafen, in Auslieferungshaft genommen.

Zwar argumentieren manche mit einer Ausnahme im Auslieferungsabkommen. Sie findet sich in dessen Art. 4: „Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die Straftat, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine politische Straftat, als eine Straftat mit politischem Charakter oder als eine mit einer solchen zusammenhängende Straftat angesehen wird.“ Könnte und sollte die deutsche Bundesregierung sich hierauf berufen, um sich von der völkerrechtlichen Verpflichtung zu befreien, Herrn Snowden ausliefern zu müssen? Das halte ich aus zwei Gründen nicht für sachgerecht.

Erstens: Wenn Deutschland die Auslieferung aus politischen Gründen verweigern würde, so wäre damit auch die Wertung verbunden, dass die Bundesregierung die Strafverfolgung durch die USA nicht für legitim hält. Das würde zum einen die Beziehungen mit den USA massiv belasten. Zum anderen wäre es eine unpassende Wertung. Denn Herrn Snowden wird eine Straftat vorgeworfen, die auch in Deutschland aus gutem Grund mit Strafe bedroht ist: Geheimnisverrat.

Zweitens: Solange man das Auslieferungsersuchen nicht in Händen hält, weiß man nicht, für welche weiteren Straftaten Herr Snowden eventuell gesucht wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die USA ein Auslieferungsersuchen für weitere, nicht-politische Straftaten stellen – spätestens dann müsste Deutschland ausliefern.

Die Bundesregierung würde Herrn Snowden mit einem Aufnahmeangebot also Sicherheit versprechen, die sie nicht garantieren könnte.

Auch wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind, hoffe ich, dass Sie meine Argumente nachvollziehen können. Ebenso hoffe ich, Ihnen einen Einblick gegeben zu haben, dass für politische Entscheidungen oft komplizierte Abwägungen erforderlich sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Wiese

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