Ist die Verminderung oder komplette Aussetzung von Zuführungen zum sog. Generationenfonds in Sachsen wirklich eine nachhaltige Lösung, die "Haushaltslöcher zu stopfen"?
Sehr geehrter Herr Panter,
für viele wichtige Zukunftsinvestitionen (Verkehr, Bildung, Umwelt etc.) fehle in Sachsen häufig ausreichend Geld. Aus Ihrer Sicht sollten daher die Zuführungen an den Pensionsfonds der Landesbeamten verringert/ausgesetzt werden, um finanziellen Spielraum zu gewinnen (zu lesen in Sächsische Zeitung, heute). Argumentiert wird mit der Niedrigzinsphase, wodurch die Gelder in dem Fonds nicht wertsteigernd angelegt seien.
Kennen Sie die konkrete Anlagestrategie im Generationenfonds? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Gelder einfach "rumliegen" und nicht unabhängig von Niedrigzinsen wertsteigernd investiert seien. Möglichkeiten gäbe es ja genug.
Weiterhin stelle ich mir die Frage, wenn die Zuführungen tatsächlich ausgesetzt werden sollten, wie die Pensionsansprüche der zeitnahen, hohen Altersabgänge (ab 2030) dann finanziert werden sollen? Die Belastung wäre unmittelbar im Haushalt und Kürzungsdebatten im politischen Raum wären absehbar.
Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für das aufmerksame Lesen des Interviews und für Ihre Fragen, die ich sehr gern beantworte. Ich möchte zunächst einzeln auf Ihre Anmerkungen eingehen und zum Schluss noch generell etwas zur Thematik „Zukunftsinvestitionen vs. Vorsorge“ ausführen.
"Ist die Verminderung oder komplette Aussetzung von Zuführungen zum sog. Generationenfonds in Sachsen wirklich eine nachhaltige Lösung, die "Haushaltslöcher zu stopfen"?"
Es geht nicht um das Stopfen von Haushaltslöchern. Für mich ist klar, dass laufende Aufgaben aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren sind. Aber Zukunftsinvestitionen, also die Ausgaben, die klar abgrenzbar für langfristig wirksame Aufgaben getätigt werden müssen, sollte Sachsen durch ein gesetzlich zu bildendes Sondervermögen auch langfristig finanzieren. Dafür könnten Kredite aufgenommen werden oder aber die Zuführungen an den Beamtenpensionsfonds zeitlich befristet reduziert werden.
"Kennen Sie die konkrete Anlagestrategie im Generationenfonds? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Gelder einfach "rumliegen" und nicht unabhängig von Niedrigzinsen wertsteigernd investiert seien."
Die konkrete Anlagestrategie ist mir als Haushalts- und Finanzpolitiker der SPD-Fraktion bekannt. Zum 1. Januar 2021 wurde die Anlagerichtlinie geändert. Demnach ist vorgesehen, den Aktienanteil sukzessive auf 30 Prozent des Vermögens aufzubauen. Bis Ende 2022 sollte diese Umschichtung weitgehend abgeschlossen sein. Zulässige Anlageinstrumente sind Schuldverschreibungen mit klaren Ratinganforderungen sowie Aktien bzw. Exchange Traded Funds mit europäischen (EuroStoxx50) und globalen (MSCI World) Werten. Kürzlich berichtete die LVZ (Achtung Bezahlschranke) über die Anlagen im Beamtenpensionsfonds. Zum Jahresende 2021 wurde durch die Ankäufe eine Aktienquote von 14,27 Prozent erreicht. Laut Informationen des Finanzministeriums betrug die Einstandsrendite der Neuanlagen in Schuldverschreibungen 0,22 Prozent im Jahr 2021. Bei einer Inflation, die deutlich darüber liegt, verliert das Geld im Fonds damit de facto momentan eindeutig an Wert.
Zum Ende des Jahres 2022 wird der Fonds ein Volumen von mehr als 10 Milliarden Euro aufweisen. Allein in diesem Jahr werden 984 Millionen Euro zugeführt. 2024 sollen es erstmals mehr als eine Milliarde Euro sein. Kein anderes Land betreibt in diesem Maß Vorsorge. Es ist also in Teilen doch wie von Ihnen vermutet: Das Geld „liegt (wenig rentabel) rum“ und es wird der Versuch unternommen, einen Teil des Fonds wertsteigernd zu investieren. Die Aktienanteile erhöhen aber natürlich auch die Risiken – zumal im Jahr 2021 in Zeiten von historischen Kurshöchstständen investiert wurde.
"Weiterhin stelle ich mir die Frage, wenn die Zuführungen tatsächlich ausgesetzt werden sollten, wie die Pensionsansprüche der zeitnahen, hohen Altersabgänge (ab 2030) dann finanziert werden sollen? Die Belastung wäre unmittelbar im Haushalt und Kürzungsdebatten im politischen Raum wären absehbar."
Hier ist ein Blick in die sächsische Verfassung und den Kommentar dazu nötig. Laut Artikel 95 Absatz 7 der Verfassung muss der Freistaat Sachsen eine auskömmliche Vorsorge für künftig entstehende Ansprüche der künftigen Versorgungsempfänger des Freistaates Sachsen auf Versorgung und Beihilfe nach Eintritt des Versorgungsfalles vorhalten. Um auskömmlich zu sein, muss die Fondsfinanzierung einen substantiellen, mindestens hälftigen Beitrag zu den erwartbaren Aufwendungen die nach Änderung der Verfassung 2013 sichern. Mit dem derzeitigen Fondsvolumen sind die zeitnahen Altersabgänge absolut abgesichert. Dem Verfassungskommentar ist zu entnehmen, dass das Ziel der Generationengerechtigkeit dem ausgestaltenden Gesetzgeber Raum lässt, Zuführungen zum Fonds zeitweilig auszusetzen. Und genau darum geht es mir bei meinem Vorschlag. In Zeiten von niedrigen Zinsen, hohen Aktienkursen, multiplen Krisen und gleichzeitigen hohen Investitionsbedarfen stellt sich die Frage nach einem klugen Austarieren. Ich stelle Vorsorge nicht zur Disposition – lediglich die derzeitige Ausgestaltung und bekenne mich klar zu Ansprüchen der Beamtinnen und Beamten. Letztlich geht es aber auch darum die Vorsorge wirtschaftlich zu betreiben und nicht aus ideologischen Gründen Mittel unwirtschaftlich anzulegen.
Generell zu Zukunftsinvestitionen
Wenn Sachsen bis 2045 klimaneutral werden soll, steht uns der größte Modernisierungsprozess unserer Wirtschaft seit 1990 bevor. Viele Industriebetriebe bauen ihre künftigen Fertigungsstandorte dort auf, wo sie emissionsarm produzieren können: Tesla in Brandenburg, Birkenstock in Mecklenburg-Vorpommern, der Batteriehersteller CATL in Thüringen sind hierfür Beispiele. Dass sich Intel und Bosch für neue Standorte im Osten entschieden haben, ist ein Beleg dafür, dass sich die Wirtschaftsgeografie Deutschlands gerade verschiebt. Deshalb muss Sachsen ebenso entschieden, wie es nach der Wende in einen leistungsfähigen und modernen Straßenverkehr investiert hat, in eine leistungs- und zukunftsfähige Infrastruktur für Energie, Kommunikation und Logistik investieren.
In den zwanziger Jahren wird sich entscheiden, wo Sachsen steht. Der Erfolg unserer Klimaschutzmaßnahmen wird darüber entscheiden, ob Sachsen Industrieland bleibt. Wenn wir geschickt in einen „Vorsprung Ost“ investieren, dann kann sich Sachsen als deutschland- und europaweit führender Standort in der Elektromobilität, der Wasserstoffwirtschaft, im Bereich der Künstlichen Intelligenz und in der Mikroelektronik etablieren. Dabei geht es auch um Arbeitsplätze in Sachsen und der Region.
Das ist ein Prozess, der als Voraussetzung hohe Investitionen erfordert. Die Energiewende und der Aufbau von Zukunftsindustrien werden nur mit massiven privaten Investitionen gelingen. Aber die Voraussetzungen dafür, dass diese Investitionen attraktiv sind, müssen die Regierungen von Bund und Ländern schaffen – mit öffentlichen Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur.
Der Freistaat Sachsen hat in den zehn Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie gut investiert – aber noch nicht gut genug. Dabei waren die Voraussetzungen ideal. Rohstoffkosten waren niedrig, noch mehr Fachkräfte als heute vorhanden und das Zinsniveau war historisch tief.
Gerade weil sich das Umfeld momentan ändert, wäre es fahrlässig, jetzt nicht zu investieren – im Gegenteil muss das sogar langfristig erfolgen und planbar sein. Für uns als SPD-Fraktion ist es wichtiger, ein gut ausgebautes Stromnetz, schnelles Internet, einen starken ÖPNV und massiv ausgebaute erneuerbare Energien zu haben, als eine niedrige Schuldenquote und unrentable Vorsorge.
Deshalb hat sich die SPD-Fraktion schon im Herbst 2020 für ein Sondervermögen „SachsenFonds 2050“ ausgesprochen, um Zukunftsinvestitionen zu stemmen – ähnlich wie es die Ampelregierung im Bund mit dem Klima- und Transformationsfonds macht. Wir schlagen vor, für eine begrenze Anzahl an Jahren anstatt 100 Prozent nur 50 Prozent der Pensionsansprüche an den Beamtenpensionsfonds zuzuführen. Denn damit wird dem verfassungsgemäßen Auftrag einer „auskömmlichen Finanzierung“ noch immer Rechnung getragen.
Ganz wie solide geführte Unternehmen ihre langfristigen Investitionen mit Krediten finanzieren, darf und sollte das auch die öffentliche Hand tun. Verschuldung für konsumtive Ausgaben lehnen wir jedoch ab.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Panter, MdL