Frage an Dirk Panter von Claus F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Panter,
warum bekomme ich freche Briefe von einem Beitragsservice, obwohl ich die öff. Medien nicht nutze und auch nicht nutzen möchte? Leben wir nicht in einem Land, in dem Bezahlung immer auch eine Gegenleistung erfordert oder kann ich in Zukunft beim Bäcker Brot ohne Bezahlung mitnehmen (Mein Wohlergehen ist ja auch im öffentlichen Interesse, da ich die Wirtschaft in Sachsen mittrage)?
Zur Präzisierung: Ich zahle gerne Steuern für eine hochqualitative Infrastruktur, Bildung, Wissenschaft, Landesverteidigung und eine respektvolle innere Sicherheit. Ich bin auch nicht generell gegen Staatsmedien. Wo aber sind da die Prinzipien des verantwortungsbewussten freien Bürgers geblieben auf die unsere Gesellschaft einst so stolz war? Wie schätzen Sie übrigens die Berichterstattung unserer öffentlich-rechtlichen Medien ein? Ich höre nur Negatives.
Erfüllen sie ihren Bildungsauftrag oder wird der nicht schon längst von anderen Medien viel besser geleistet? Darf ich als mündiger Bürger nicht selbst entscheiden wie ich mich bilde? Erinnert der Zwang Staatsmedien mitfinanzieren zu müssen nicht an Gefängnis und Obrigkeitsstaat für dessen Überwindung so viele Deutsche leiden mussten oder ihre Leben lassen mussten? Warum brauchen wir über 80 öffentlich-rechtliche Medienanstalten mit Milliardenbudget während unsere Forschung zunehmend Not leidet? Warum werden immense Geldbeträge für Talkmaster (auch für nichtgeleistete Arbeit siehe Gottschalk) und Fußballer aus diesen Beiträgen ausgegeben und die Finanzierung von Dokus und Bildungssendungen reduziert?
Könnte außerdem diese fast 20 EUR - für einkommensschwache Familien nicht gerade wenig Geld - nicht besser für unsere Nachkommen, Schulhefte, Bücher, etc. ausgegeben werden? Empört Sie die nicht die trickreichen Maschen und Einschüchterungsversuche des Beitragservices und unserer Medienanstalten nicht auch?
Daher möchte ich wissen, wer dafür verantwortlich ist. Haben Sie das auch mitunterzeichnet?
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich Ihnen gerne beantworte.
Lassen Sie mich zunächst vorwegnehmen, dass für die sächsische SPD und mich als medienpolitischer Sprecher der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) für eine funktionierende Demokratie von großer Bedeutung ist. Der ÖRR sichert mit seinen Programmen und Angeboten der Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung und sorgt damit für Meinungsvielfalt. Er kann dies leisten, weil er hinsichtlich der Programmgestaltung unabhängig von wirtschaftlichen oder staatlichen Einflüssen organisiert ist. Der ÖRR ist deshalb meiner Meinung nach das Gegenteil von dem von Ihnen angesprochenen Obrigkeitsstaat. Die Aufsicht über die Rundfunkanstalten obliegt Gremien, die sich aus vielen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zusammensetzen. Am Beispiel des MDR können Sie das über diesen Link nachvollziehen: http://www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/mitglieder/index.html. Allerdings unterliegt spätestens seit dem so genannten ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien einer generellen Prüfung. Mehr dazu in aller Ausführlichkeit finden Sie hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2014/bvg14-026.html
Um seinen oben genannten Auftrag erfüllen zu können, braucht der ÖRR eine ausreichende Finanzierung. Ich bedauere deshalb, dass Sie die Rechnungen des Beitragsservice als „frech“ empfinden. Sicher ist „Behördendeutsch“ kein sehr einfühlsamer Stil und Zahlungsaufforderungen bekommt niemand gern. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass Sie und ich, als Teil einer Gemeinschaft, gewisse gesellschaftliche Aufgaben erfüllen müssen. Dazu gehört auch der Bildungsauftrag der Medien. Vielleicht ist es nicht unbedingt eine Aufgabe, die Sie als notwendig erachten oder deren Ergebnis Sie durchgehend nutzen, aber es ist eine Aufgabe, die der gesamten Bevölkerung dient und deswegen auch durch alle Bürgerinnen und Bürger finanziert wird. Gleiches gilt natürlich auch für die Forschung, Bildung, Straßenbau, Verteidigung u.ä. Der Unterschied ist, dass Sie diese Ausgaben mit Ihren Steuern bezahlen – das Prinzip ist jedoch ähnlich. Sicherlich könnte man auch eine "Brotsteuer" erheben und Sie könnten dann das Brot kostenlos im Laden erhalten. Bezahlt haben Sie es natürlich trotzdem, wenn auch im Voraus.
In puncto Qualität der öffentlich-rechtlichen Medien kann ich Ihnen teilweise zustimmen. Sicher laufen auf den gängigsten Sendern in TV und Radio nicht nur die Sachen, die Ihnen und mir gefallen oder die wir für berichtenswert empfinden. Das liegt daran, dass die Sendeanstalten alle Bevölkerungsgruppen ansprechen sollen und somit ein sehr vielfältiges Programm zusammenstellen. Dass dabei nicht zu jeder Zeit für alle etwas dabei ist, liegt in der Natur der Sache. Die Veränderungen des Medienkonsums durch die Digitalisierung haben an dieser Stelle allerdings eine Entwicklung angestoßen, die nicht mehr aufzuhalten ist und die in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Sendungen werden vermehrt im Netz gesehen bzw. gehört und dort auch über einen längeren Zeitraum nachgefragt. D.h. der fortlaufende Ausbau der Mediatheken von ARD und ZDF führt dazu, dass Sie praktisch zu jeder Zeit ein Angebot des ÖRR bekommen können, das Ihnen ggf. eher zusagt als das zeitaktuelle Programm.
Die angesprochene Entwicklung ist aber natürlich auch eine Herausforderung für den ÖRR. Denn es stimmt, wenn Sie schreiben, dass es jenseits dieser Angebote eine Vielzahl von hervorragenden privaten Medien – insbesondere im Netz - gibt. Diese tragen ebenso zur Meinungsvielfalt bei und bereichern das Angebot. Der ÖRR gerät hier unter Wettbewerbsdruck und muss sich den neuen Zeiten stellen. Dies gelingt mal mehr und mal weniger gut.
Zu Ihrer Frage nach der Höhe des monatlichen Beitrags. 17,50 Euro pro Haushalt halte ich in Anbetracht der Leistung für einen vertretbaren Betrag. Ich gebe Ihnen jedoch recht, das ist für viele Menschen in Deutschland kein „kleines Geld“. Für Haushalte, die diesen Betrag aus finanziellen, gesundheitlichen oder sozialen Gründen nicht leisten können, gibt es allerdings Möglichkeiten von der Rundfunkgebühr befreit zu werden. Zum Beispiel als Empfänger von Sozialgeld oder ALGII, als Empfänger von BaföG/Berufsausbildungsbeihilfe/Ausbildungsgeld uvm.
Zum Schluss möchte ich noch auf Ihre Frage nach den Verantwortlichkeiten eingehen. Die Rechte und Pflichten des ÖRR sowie die Höhe des Rundfunkbeitrags werden in Rundfunkstaatsverträgen geregelt. Diese Verträge müssen zwischen allen Bundesländern vereinbart und in den jeweiligen Länderparlamenten beschlossen werden. Erst wenn alle 16 Länder zugestimmt haben, tritt der Vertrag in Kraft. Insofern hatte bzw. habe ich als Mitglied des Sächsischen Landtages eine Stimme bei diesen Entscheidungen. Seit ich 2009 in den Landtag gewählt wurde habe ich den entsprechenden Rundfunkstaatsverträgen jeweils zugestimmt.
Ich hoffe ich konnte einen Teil Ihrer Skepsis auffangen und stehe für Nachfragen gerne zur Verfügung. Wenn Sie mögen auch unter buergerbuero@dirk-panter.de .
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Panter