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Dietmar Bartsch
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Frage von Robert O. •

Progressive Besteuerung von Kapitalerträgen sowie Revitalisierung der Spekulationsfrist

Sehr geehrter Herr Bartsch,
als Kleinanleger, der sein erarbeitetes Geld in Aktien/ETF investiert, ärgert es mich, dass sich dieser Staat an meinen Investitionen offenbar über Gebühr bereichert. Der Finanzminister hat die Freigrenze um knapp 200 EUR erhöht (sie lag mal viel höher), doch habe ich seit April die Freigrenze überschritten und muss jetzt mehr als 25 % meiner Erträge an einen Staat abführen, der kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem hat. Was halten Sie davon, dass die Kapitalertragssteuer gestaffelt wird (z. B.): Ab 1k EUR passiv-Einkommen 5 %, ab 5k EUR dito 10 %, ab 10k EUR 20 % und ab 20k EUR 25 %? Über die Sätze kann man sich streiten. Da ich aber die Einnahmen reinvestiere, wäre eine solche Besteuerung extrem hilfreich, Vermögen aufzubauen. Ich weiß , dass Ihr Sozialismus nicht unbedingt Freund solcher Gedanken ist (Solidarität nennt man das wohl) - aber mich interessieren Ihre Ansicht. Was halten ferner Sie von einer Wiederbelebung der Spekulationsfrist? Danke!

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Sehr geehrter Herr O.,

ich könnte es mir einfach machen und auf die Beschlusslage der LINKEN verweisen. Danach würde die Abgeltungssteuer abgeschafft und Kapitalerträge würden nach denselben Sätzen besteuert wie andere Einkommen.

Warum sollte es auch eine steuerliche Bevorzugung geben, von der insbesondere Vermögende profitieren, die ihren Reichtum in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert haben?

Der Reichtum in unserem Land ist so ungleich verteilt wie nie zuvor. Das liegt nicht zuvorderst am Fleiß und der Strebsamkeit derer ganz „oben“, sondern an der Entwicklung des Anlagevermögens und Steuervorteilen bzw. Schlupflöchern. Sie müssen einem Bäckermeister, der jede Nacht hart arbeitet, schon erklären können, warum seine Steuerlast höher ist als die eines Erben von Aktien, der von den Erträgen leben kann. 75 Milliarden Dividenden werden über Deutschland ausgeschüttet. Ich glaube, das kann nicht gelingen.

Ich will hier insbesondere auf die Besteuerung von Vermögen und großen Erbschaften hinweisen. Die ist in Deutschland, auch im Vergleich mit anderen Staaten, relativ gering. So ist es möglich, dass Erben von Milliardenvermögen komplett steuerfrei bleiben. Das darf so nicht bleiben.

In einer idealen Welt bräuchten wir also höhere Steuern auf Kapitalerträge, sehr hohe Vermögen und Erbschaften und für absolute Spitzenverdiener. Dann wäre es möglich, Gering- und Normalverdiener, die überproportional zu ihrem Einkommen auch den Sozialstaat finanzieren, zu entlasten. Im Übrigen brauchen wir auch bei den Abgaben Reformen, etwa eine Erwerbstätigenversicherung, wie in Österreich, denn unser viel zu geringes Rentenniveau zwingt die Menschen in die private Vorsorge oder, wenn ihre Einkommen das nicht zulassen, in eine viel zu karge Rente.

Weil wir vom Ideal aber ein gutes Stück entfernt sind, sorgen diejenigen, die es sich leisten können, für das Alter vor. Das ist (leider) vernünftig. Etwa durch passive Indexfonds, deren Einlagen in den letzten Jahren geradezu explodiert sind. Das hat auch wenig mit Zockerei oder mit exorbitanten Vermögen zu tun. Hier geht es um den verständlichen Versuch relativ risikoarm bescheidenen Wohlstand aufzubauen, bzw. für das Alter vorzusorgen. Ich habe also Sympathien dafür zu schauen, wie man hier differenzierter als bisher vorgehen kann. Eine progressive Besteuerung würde ich als Idee also nicht vom Tisch wischen. Zumindest nicht, bis wir dem beschriebenen Ideal etwas näher sind. Eine Wiederbelebung der Spekulationsfrist halte ich nicht für zielführend. Die würde vielfach zu kompletter Steuerfreiheit führen. Das wäre kaum vermittelbar.

Freundliche Grüße,
Dr. Dietmar Bartsch

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