Frage an Dietmar Bartsch von Wolf B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,
wie ist eigentlich die Position der Linken zu den massiven Vermögensverlusten der Sparer durch die Geldpolitik der EZB? Gerade habe ich in einer Fernsehdiskussion die Meinung eines Bankexperten gehört:"Das interessiert die Politiker nicht mehr, seit Herr Draghi ihnen diese Sorge abgenommen hat ."Eine andere Expertenmeinung gestern abend in der Phönix-Runde:"Die EZB kann die Zinsen gar nicht erhöhen, weil dann einige Staaten in Südeuropa sofort pleiten gehen würden." (Prof.Dr. Sinn) Für mich und meine FRau bedeutet dies: die Altersvorsorge funktioniert nicht mehr, weil unser Erspartes an Wert verliert, anstatt etwas einzubringen. Meine entsprechende mündliche Anfrage an Herrn Heil wurde so beantwortet:"Ich glaube, Herrn Draghi sollten Sie nicht die Schuld daran geben." Im Augenblick tendiere ich dazu, bei den Europawahlen die AfD zu wählen, ich mag zwar die Burschen nicht, aber sie scheinen mir die einzigen, die explizit gegen die Europolitik sind. Aber vielleicht hat ja die Linke auch eine fundierte Position.
Sehr geehrter Herr B.,
als Grundproblem sehen wir bei Vermögensverlusten die Privatisierung der Altersvorsorge, in welche die Bürgerinnen und Bürger gedrängt wurden. Dort gibt es niedrigere Renditen als in gesetzlichen Modellen und das hat negative Auswirkungen auf die Sparerinnen und Sparer. Außerdem würde die Zinspolitik sich normalisieren, wenn mehr öffentlich investiert würde - dies vorweg.
Die Politik der EZB ist dabei den Entwicklungen der Eurozone in den letzten 20 Jahren geschuldet. In den 2000er Jahren haben sich südliche Staaten, etwa Spanien, Italien und Griechenland, massiv bei deutschen Banken verschuldet, um deutsche Waren einkaufen zu können. Diese Entwicklung ist durch die deutsche Lohnpolitik, die auch als Lohndumping bezeichnet wird, verstärkt worden. Genauer gesagt wurden Löhne nicht ausreichend an den Produktivitätszuwachs in Deutschland angepasst, wodurch deutsche Exportprodukte auf dem europäischen Markt extrem wettbewerbsfähig und die übrigen Eurostaaten abgehängt wurden. So entwickelten sich gefährliche Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Eurostaaten. Als in der Finanzkrise dann Steuerzahler für die Spekulationen von Banken zahlen mussten, führte die Instabilität des Bankensektors gemeinsam mit den Ungleichgewichten zur Eurokrise. Da im Bankensektor kein Vertrauen mehr herrschte, waren die Kreditinstitute nicht mehr in der Lage, an Geld zu kommen, weil ihnen aus Angst vor Rückzahlungsausfällen keine andere Bank mehr Geld leihen wollte. Damit die nationalen Wirtschaften weiterhin mit Krediten versorgt werden konnten, war die Europäische Zentralbank angehalten, expansive Geldpolitik zu betreiben und die Leitzinsen zu senken.
Die Nullzinspolitik bringt aber auch Probleme mit sich. So verlieren Sparerinnen und Sparer ihre Zinserträge. Das Sparvermögen hingegen bleibt wegen der sehr geringen Inflation weitestgehend unangetastet. Denn die expansive Geldpolitik der EZB ist größtenteils im Finanzsektor verblieben und hat die Preise für Waren und Dienstleistungen nicht wesentlich angezogen.
Was es braucht, um die Geldpolitik zu entlasten, ist expansive Fiskalpolitik. Große, öffentliche Investitionen - etwa in Straßen, Kindergärten und Schulen - wären notwendig gewesen und sind es weiterhin. Diese könnten direkt von der EZB finanziert werden. Ebendies gilt auch für die Lohnpolitik, denn nur eine starke Kaufkraft fordert Unternehmen, zu produzieren und fördert damit das gesunde volkswirtschaftliche Wachstum.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch