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Dietmar Bartsch
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Frage von Richard R. •

Frage an Dietmar Bartsch von Richard R. bezüglich Recht

Bundesregierung überlegt, deutsche IS-Anhänger zurückzuholen ! (... die WELT vom 28.11.18)

Sehr geehrte Herr Dr. Bartsch,

die Bundesregierung prüft derzeit gefangene IS-Kämpfer aus Kurdischer Gefangenschaft zurückzuholen !
Wie ist das möglich ?
Diese Leute haben sich bewusst für ein anderes Leben und für den heiligen Krieg gegen die Ungläubigen entschieden, gegen jedwede demokratische Prinzipien.
Sollte dies umgesetzt werden, holen wir uns Terroristen ins Land die nach kurzer Haft lebenslang alimentiert werden müssen.
Welcher tiefe Sinn steckt hinter dieser "Überlegung" ? Wer sich dieser Tage die Sicherung unserer Weihnachtsmärkte anschaut muss sich bei solchen Meldungen an den Kopf fassen.
Wer sich dieser ausländischen Streitmacht anschließt verliert die deutsche Staatsbürgerschaft !
Wie will die Bundesregierung dies dem deutschen Steuerzahler beibringen, der wieder zur Kasse gebeten wird,
Dafür fehlt jegliches Verständnis.
Sollte dies so geschehen, braucht sich die Regierung nicht wundern wenn die Wähler die AfD wählen!

Mit freundlichen Grüßen
R. R.

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Sehr geehrter Herr R.,

ich kann nachvollziehen, dass die Forderung, deutsche IS-Anhänger aus Nordsyrien nach Deutschland zurückzuholen, bei Ihnen und anderen Bürgern auf Unverständnis stößt. Ich möchte diese Forderung daher versuchen, kurz zu begründen. Zum einen besteht für deutsche Staatsbürger ein Recht auf Rückkehr nach Deutschland - unabhängig davon, welche Verbrechen sie begangen haben. Das hat die Bundesregierung klargestellt. Es gibt also auch für diese Menschen einen rechtsstaatlichen Anspruch auf Rückkehr, egal wie jeder das persönlich sieht.

Die Selbstverwaltungsbehörden in Nordsyrien (Rojava) haben erklärt, dass sie mit der großen Zahl ausländischer IS-Angehöriger in ihrer Gefangenschaft überfordert sind. Es besteht daher insbesondere angesichts der fortgesetzten Angriffe der Türkei auf Nordsyrien Fluchtgefahr und damit die Gefahr, dass die IS-Kämpfer unbeobachtet nach Europa zurückkehren und ggf. hier Anschläge verüben. Da ist es aus meiner Sicht besser, diese Leute werden unter Aufsicht des BKA zurückgebracht und wir wissen, wo sie sind und was sie treiben.

Weiterhin haben die Selbstverwaltungsbehörden erklärt, dass sie die gefangenen IS-Angehörigen nicht in Nordsyrien vor Gericht stellen können und wollen. Diese müssten in ihren Herkunftsländern vor Gericht kommen. Gerade im Interesse der vielen Opfer des IS ist es erforderlich, die deutschen IS-Anhänger einem rechtsstaatlichen Verfahren zuzuführen und für ihre Verbrechen zu bestrafen. Dies muss nach einer Rückholung in Deutschland geschehen.

Die deutschen IS-Anhänger haben sich in der Regel in Deutschland radikalisiert und sind dann nach Syrien gegangen. Es ist also die Verantwortung unserer Gesellschaft, sie für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist doch verlogen, wenn die Bundesregierung einerseits Länder wie Tunesien zu zwingen sucht, ihre in Deutschland als Gefährder eingestuften Staatsbürger zurückzunehmen und sich gleichzeitig dagegen sperrt, deutsche mutmaßliche Terroristen aus anderen Ländern zurückzunehmen. Mit welchem Recht wollen Sie die Kurden, die bereits jetzt einen hohen Blutzoll für den Kampf gegen den IS geleistet haben, auch noch für die Inhaftierung und Versorgung der aus Deutschland stammenden IS-Anhänger zahlen lassen?

Schließlich sind ein Großteil der insgesamt überschaubaren Gruppe deutscher IS-Anhänger und Familien Kinder und Babys. Es ist nicht zu vertreten, diese noch länger in Lagern eingesperrt zu lassen. Gerade die Minderjährigen brauchen dringend psychologische Betreuung und langfristige fachkundige Begleitung. Wenn diese Kinder und Jugendlichen weiter in diesem Umfeld und in Kontakt mit noch überzeugten IS-Anhängern belassen werden, wächst damit die nächste Generation islamistischer Terroristen heran. Das aber gilt es zu verhindern.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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