Frage an Dietmar Bartsch von Antonio C. bezüglich Soziale Sicherung
Lieber Dietmar,
heute Morgen bin ich an einem Werbeplakat vorbeigelaufen, der Wortlaut in etwa "Verzichten sie auf zwei Kugeln Eis und machen sie dafür ein Kind eine Woche lange satt". Dieses Plakat regte mich zum Nachdenken an.
Laut einer Studie der Umweltstiftung WWF landen allein in Deutschland jedes Jahr rund 18,4 Millionen Tonnen an Nahrung im Müll, davon rund 346 Millionen Kilogramm Fleisch. Abgesehen von der Verschwendung mussten dafür umgerechnet 45 Millionen Hühner, vier Millionen Schweine und 200.000 Rinder sterben.
Insgesamt landen, allein in Deutschland, 30-40% der Lebensmittel im Müll. Davon fallen knapp 40% in Privathaushalten an, die übrigen Anteile fallen auf Gastronomie, Handel und Produktion.
Ich frage mich, warum es keine Steuer für derartige Lebensmittelabfälle gibt? Könnte man mit einer solchen Steuer doch viele Probleme auf einmal lösen. Weniger sinnlose Schlachtungen, Hilfe für Entwicklungsländer, ein nachhaltiger Handel und vielleicht sogar ein neues Bewusstsein für Lebensmittel in der Gesellschaft. Und immerhin zahlen wir ja auch für unser Abwasser.
Warum also, wird so etwas Naheliegendes nicht im Bundestag thematisiert oder -noch besser- umgesetzt?
Persönlich würde ich es bevorzugen, wenn die Erlöse aus dieser Steuer ungehindert und unbürokratisch in die Dritte Welt fließen. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Mit besten Grüßen
Antonio Chrome
Sehr geehrter Herr Chrome,
zunächst teile ich Ihre Sorge, dass in unserer Gesellschaft zu viel weggeworfen wird, auch an Lebensmitteln. Ich bin jedoch nicht davon überzeugt, hier über die Einführung einer besonderen Steuer zu regulieren. Eine solche Maßnahme würde letztlich wie eine Erhöhung von Verbrauchssteuern auf Lebensmittel wirken - es sei denn, wir stellten an jeder Mülltonne eine Art Müllpolizisten ab, was mir überzogen und unverhältnismäßig scheint. Meine Partei will das Gegenteil einer Erhöhung von Verbrauchssteuern auf Lebensmittel.
Dennoch ist wünschenswert, dass sich ein bewussteres Konsumieren herausbildet. Es mag paradox erscheinen, aber dafür ist eine Erhöhung der Masseneinkommen, gerade bei den niedrigen Einkommen erforderlich. Menschen müssen eine reale Wahl haben, ob sie billiges Fleisch aus der Massentierhaltung kaufen oder vielleicht doch Fleisch aus einer ökologischen Tierhaltung mit kurzen Transportwegen, das wahrscheinlich teurer sein wird. Aber diese reale Wahl haben sie nur mit besseren Einkommen.
Um auf die so genannten Entwicklungsländer einzugehen: Auch hier ist die Massenproduktion ein Problem, vor allem in Verbindung mit den EU-Agrarsubventionen. Diese untergraben die Bedingungen für eine funktionierende Landwirtschaft gerade in afrikanischen Staaten. Das wäre für mich ein viel versprechender Ansatzpunkt.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch