Frage an Dietmar Bartsch von Alexander N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Herr Bartsch,
die Fraktion Die Linke spricht sich trotz des massiven Fehlverhaltens des Putin-Regimes gegen alle Sanktionen gegen Russland oder bestimmte Funktionäre in Russland und der Ukraine aus.
Wie bewerten Sie die beschlossenen Sanktionen der EU?
Wie bewerten Sie die beschlossenen Sanktionen der USA?
Was halten Sie grundsätzlich davon, Entscheidungsträger*innen persönlich durch Konten- und Visasperren zu sanktionieren?
Wäre es in Ihren Augen eine sinnvolle Sanktion, alle Waffenlieferungen an Russland zu stoppen und weitere zu verbieten?
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Nabert
Sehr geehrter Herr Nabert,
vielen Dank für Ihre Fragen. Gestatten Sie mir einige wenige Vorbemerkungen.
Die Annexion der Krim durch Russland ist völkerrechtwidrig und das verurteile ich. Man muss gleichzeitig die gesamte Entwicklung der letzten Monate, Jahre und Jahrzehnte betrachten.
Zu Recht rufen die Entwicklungen in der Ukraine und auf der Krim bei vielen Menschen Sorgen hervor. Das völkerrechtswidrige Vorgehen Putins verurteile ich ohne Wenn und Aber. Zu begrüßen sind alle Verlautbarungen, dass es für den Konflikt keine militärische Lösung geben wird. Gerade deshalb darf man auch nicht mit militärischen Drohgebärden hantieren.
Zugleich bin ich überzeugt, dass die EU, dass Deutschland und alle, denen es um Lösung des Konfliktes und um tatsächliche Deeskalation geht, gut beraten sind, wenn sie bei aller Empörung über Russlands Agieren davon ausgehen, dass man eine „Weltmacht“ wie Russland nicht wirklich mit Sanktionen „in die Schranken“ weisen kann. Ich bin nahe der Einschätzung von Egon Bahr, der früh resümierte, dass die Krim für die Ukraine auf absehbare Zeit verloren ist.
Im Wettstreit um Sanktionen und Gegenmaßnahmen wird es keine Sieger geben. Russland aber wird, davon bin ich überzeugt, so auch zu Haltungen in anderen politischen Fragen (Syrien, Iran) gedrängt, an denen niemanden gelegen sein kann.
Es gibt nur einen vernünftigen Weg: Diplomatie, Diplomatie und nochmals Diplomatie.
Die derzeitige Regierung der Ukraine ist auf undemokratische Art und Weise ins Amt gekommen. Deutschland hat diese Regierung viel zu schnell anerkannt, obwohl dort Faschisten beteiligt sind.
Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass die bevorstehenden Wahlen im Mai in der Ukraine nicht den erhofften Schritt hin zu einer souveränen Entwicklung der Ukraine bringen werden. Das Ergebnis wird sein, dass in einer hochbrisanten politischen Situation „Gewinner“ und „Verlierer“ entstehen. Eine „Regierung der nationalen Einheit“, an der alle demokratischen Parteien – und nicht wie jetzt auch mit der „Svoboda-Partei“ eine faschistische Schwesterpartei der NPD – und alle nationalen Minderheiten des Landes beteiligt sind, sollte gemeinsam die Voraussetzungen für wahrhaft demokratische Wahlen schaffen.
Auch wenn die „Seele“ keine politische Kategorie ist, sind alle, denen die Verhinderung einer weiteren Eskalation in der Ukraine und auf der Krim am Herzen liegt, gut beraten, die „russische Seele“ zu beachten. Jeder sollte die Geschichte der Krim, die nicht immer Teil der Ukraine war, beachten.
Die Ausweitung der NATO (Raketenschild in Polen) wurde von Russland als Bedrohung empfunden, nachdem 1990/91 im Zuge der Wiederherstellung der deutschen Einheit vereinbart war, den Einflussbereich der NATO nicht über die territorialen Grenzen Deutschlands hinaus Richtung Russland auszuweiten.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch