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Dietmar Bartsch
DIE LINKE
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Frage von Pete O. •

Frage an Dietmar Bartsch von Pete O. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Bartsch,

Ihre Antwort vom 22.03.2011 !

Prekäre Beschäftigung gibt es auch heute leider schon. Betriebe sollen ganz sicherlich auch Gewinne machen, sonst bräuchten sie gar nicht erst unternehmerisch tätig sein und das ein Betrieb auf Gewinnmaximierung abziehlt ist eigentlich logisch - dafür sollte ja der Staat dann da sein, dies zu re-regulieren durch Steuern.

Und wenn geringer verdienende keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zahlen, sondern die topverdiener statt dessen, heißt das ja lange noch nicht, das sie dann auch nicht sozial abgesichert seien, sondern nur, das die Kosten dafür die topverdiener zahlen, die ihre Gewinne ja auch von den wohl auch geringer verdienenden Konsumenten beziehen.

Das die Zahlen dafür funktional angepasst werden müssten wäre klar - aber wären Sie denn im Grundsatz dagegen, das geringverdiener ihre Lohne soweit als möglich Brutto=Netto behalten könnten, und die superverdiener die Kosten tragen müssten, oder wäre das auch Ihr Ziel in der Endkonsequenz ? Das dies auch von denen mit getragen wird, welche auch davon gut verdienend profitieren, wie Beamte und Abgeordnete braucht man für mein Dafürhalten gar nicht erst zu diskutieren, das sollte mehr als selbstverständlich sein.

Und was halten Sie neben dieser Frage der, wer die Kosten tragen soll, von der Idee des Grundeinkommens (nicht bedingungslos, sondern grundsätzlich - Einkommen ohne Zwänge, sofern erforderlich und sinnvoll) ?

Also 1. Sollen geringverdiener die Sozialversicherungskosten weiter mit tragen,

1b wie hoch sollte Ihrer Meinung nach der Freibetrag (also nicht nur für Steuern) sein, und,

2. was halten sie von der grundsätzlichen Idee des Grundeinkommens (also kein Arbeitszwang) ?

Mit freundlichem Gruß
Ording
PS. als letztmaliger linke Wähler ist dies entscheidend für meine nächste Wahlentscheidung in Bremen am 22.April (kann zum G.kein Aprilscherz werden), noch.... will ich meine Stimmen wieder auf die Linken verteilen - sonst wähle ich gar nicht!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Ording,

gern antworte ich auf Ihre drei Fragen auf diesem Wege, möchte aber darauf verweisen, dass es nicht möglich ist, in diesem Rahmen alle Aspekte der von Ihnen aufgeworfenen Fragen umfassend darzustellen und bitte Sie daher, diverse andere Informationsmöglichkeiten, die die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag unter http://www.linksfraktion.de anbietet, zu nutzen.

Zu Ihrer Frage „Sollen Geringverdiener die Sozialversicherungskosten weiter mit tragen und wie hoch sollte …der Freibetrag sein (für den keine Sozialversicherungskosten zu zahlen sind)?“:

Die Diskussion über Entlastungen bei den Sozialabgaben für Menschen mit geringem Einkommen hat als wesentliche Quelle die Tatsache, dass auch in Deutschland in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Politik betrieben wurde, durch die sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Diese neoliberale Politik geht einher mit einem Sozialstaatsverständnis, das auf Individualisierung und Privatisierung setzt, was letztlich zur Entsolidarisierung führt.

DIE LINKE hat ein anderes Verständnis vom modernen Sozialstaat. Wir meinen, zu einer modernen Sozialpolitik gehören die Systeme der sozialen Sicherung, die typische Risiken in einer solidarischen und kollektiven Art und Weise absichern.

Die Überlegung, Sozialabgaben erst ab einem Einkommen über 400 Euro zu erheben, ist aus meiner Sicht nicht der geeignete Ansatz, um Ihrem berechtigten Interesse nach höherem Nettolohn zu entsprechen. Da Sozialabgaben Bestandteil des Lohnes sind, würde die Anhebung der Sozialversicherungspflichtgrenze zum einen eher die Tendenz stärken, Beschäftigte in billigere sozialversicherungsfreie Lohnzone zu drängen. Zum anderen müsste man, um das erforderliche Niveau der Sozialleistungen in der Summe aufzubringen, diejenigen, die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen haben, erheblich mehr belasten. Dafür gibt es Grenzen und es gibt bessere Lösungen.

DIE LINKE fordert, dass die Löhne in Deutschland steigen, dass die verhängnisvolle Ausweitung des Niedriglohnsektors und der prekären Beschäftigungsverhältnisse beendet wird. Dann könnten Sozialabgaben in dem Maße sinken, wie sich die Beschäftigungssituation insgesamt deutlich verbessert, wie mehr dauerhafte und besser bezahlte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden.

In der Krankenversicherung setzen wir auf eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle Menschen einbezogen werden. Wenn bei der Einzahlung in eine solche solidarische Versicherung alle Einkommensarten herangezogen werden (also Lohne, Mieten, Pachten, Kapitalerträge etc.) und wenn in diese Versicherung auch die heute privat Versicherten einzahlen, wenn die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würde, reicht ein Versicherungssatz von jeweils maximal fünf Prozent für die Versicherungsnehmer und für die Arbeitgeber, um all das zu bezahlen, was heute bezahlt wird. Praxisgebühr und Zuzahlungen könnten abgeschafft werden. Eine umfassende Gesundheitsversorgung würde für alle Menschen gewährleistet. Auch bei der Rentenversicherung fordert die LINKE einen grundlegenden Kurswechsel. Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen müssen wieder Renten erhalten, die einen deutlichen Abstand zur Grundsicherung aufweisen. Schrittweise sollen alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenzen abgeschafft werden.

(Siehe auch http://die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand20082010/beschluesse/10punktefuereinesolidarischeundsichererente/)

Zu Ihrer Frage nach der „Idee des Grundeinkommens ohne Arbeitszwang“ ist zunächst festzustellen, dass es in unserer Gesellschaft und in der LINKEN eine intensive und zum Teil auch kontroverse Debatte gibt, in der durchaus unterschiedliche Modelle einer Grundsicherung vertreten werden. Zu welchen Ergebnissen sie führen wird, ist offen.

Ich teile eine Reihe von Ansätzen und Zielen, mit denen diese Diskussion geführt wird. Zum einen bin ich überzeugt, dass letztliche eine breite gesellschaftliche Mehrheit, die Parteigrenzen überwindet, für eine wie auch immer ausgestaltete und finanzierte Grundsicherung sein muss, sonst gibt es sie nicht. Ich teile die Auffassung, dass eine Grundsicherung nur im Kontext mit einem modernen Arbeitsbegriff jenseits der Legende, wonach nur traditionelle Erwerbsarbeit gesellschaftlich anerkannte Leistung ist, realisierbar ist. Grundsicherung ist für mich darauf gerichtet, wirtschaftlich begründete Existenzängste zu überwinden und die Voraussetzungen zu schaffen für die Verwirklichung eines emanzipatorischen Menschenbildes, für eine Gesellschaft, in der sich jede und jeder nach seinen Fähigkeiten einbringen kann.

Letztlich stimme ich auch jenen zu, die in dieser Diskussion den Standpunkt vertreten, dass eine „Grundsicherung“ zum einen so bemessen sein muss, dass damit heutige Sozialleistungsansprüche wie HARTZ-IV, Bafög, Eltern- und Kindergeld abgegolten sind und zum anderen repressionsfrei sein muss. Die Finanzierung wäre ein weiteres Thema ...

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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