Frage an Dietmar Bartsch von Ludwig L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bartsch,
Sie haben sich bei diese Abstimmung enthalten. Ich verstehe nicht wie dies zur angekündigten Programmatik der Linksfraktion für die gegenwärtige Legislaturperiode laut ihrem Bundeswahlprogramm passt. In dem genannten steht:
• keine Auslandskriegseinsätze der Bundeswehr zulassen – auch nicht unter UN-Mandat: keine Militärberater zur Unterstützung autoritärer Regimes entsenden;
Mir ist nicht klar, wieso dies kein Auslandskriegseinsatz der Bundeswehr ist, bzw wieso im Sudan kein autoritäres Regime existiert.
Bisher war mir eine konsequente Antikriegspolitik der Linkspartei verständlich, doch nun "torpedieren" sie sich selber. Die Linkspartei wurde doch nicht gewählt, um bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag sich zu enthalten, uns somit weder eine Position zu beziehen, bzw. ihren Wählern keine klare Stimme zu geben. Das Bundeswahlprogramm gilt doch irgendwie für alle Mitglieder der Fraktion. Warum begeben Sie sich in eine Position, die bestimmt von der Mehrheit derjeniger die sie gewählt haben, aber mehr noch von denen, die Sie persönlich und ihre Partei im Wahlkampf konsequent und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich ihren Parteigenossen an der Basis nicht mitgetragen werden kann, da diese dann sich und ihre Wahlmotivation verraten würden.
Ich würde mich freuen wenn Sie, auch wenn Sie wahrscheinlich nicht viel Zeit haben, mir antworten würden.
Mit freundlichen Grüßen
aus der Bsis in Chemnitz
Ludwig Löwe
Sehr geehrter Herr Löwe,
vielen Dank für die Frage, die mir Gelegenheit gibt, zu dieser einige Anmerkungen zu machen.
UNMIS ist ein auf die Umsetzung eines gültigen Friedensabkommens (CPA aus dem Jahre 2005) gerichteter, friedenserhaltender Einsatz im Sudan. Dieser Einsatz erfolgt auf der Grundlage geltenden Völkerrechts (mandatiert nach Kapitel VI der UN- Charta). UNMIS ist eine klassische „Blauhelm-Aufgabe“.
UNMIS ist nach Geist und Buchstabe eine peacekeeping-Mission, nicht zuletzt, weil die beiden Konfliktparteien – die NCP-Regierung in Khartoum und die Regierung des Südsudan – der Stationierung ausdrücklich zugestimmt heben. Der deutsche Beitrag im Rahmen von UNMIS besteht in der Entsendung von z.Zt. 36 unbewaffneten Militärbeobachtern, die insbesondere den Auftrag haben, den Entmilitarisierungs- und Abrüstungsteil des Friedensabkommens zu überwachen und zu kontrollieren.
Mit dem Friedensabkommen von 2005 wurde ein bis dato über zwanzigjähriger Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan beendet, der zwischen 1983 und 2005 zwei Millionen Menschenleben gekostet und vier Millionen Menschen dauerhaft zu Flüchtlingen gemacht hat.
Teil dieses Friedensabkommens ist ein Referendum im Januar 2011, bei dem über eine mögliche Abspaltung des Südens entschieden werden wird.
Die UNMIS – Blauhelme haben gerade im Vorfeld des Referendums eine wichtige Funktion. Sie erhöhen die Chance, dass eine militärische Konfrontation im Umfeld des Referendums verhindert werden kann.
Der Abzug der überwiegend aus Indien, Pakistan und Bangladesch kommenden UN-Soldaten wäre alles andere als friedensstiftend. Die Folge wäre eine Militärintervention der USA, die auch unter der Obama –Administration keinen Zweifel daran gelassen haben, dass sie militärisch auf der Seite des Süden eingreifen werden, wenn neue Konflikte entstehen.
Die Bundestagsfraktion hat in den vergangenen Jahres sowohl die UNMIS-Mission als auch die UNAMID- Mission (Darfur) überwiegend abgelehnt und zugleich gab es stets auch Abgeordnete, die sich in der Abstimmung der Stimme enthalten haben. Die Verfasser des Beschlusses der Kommunistischen Plattform haben völlig recht, wenn sie darauf hinweisen, dass „die Ziele und die Grundsätze der Vereinten Nationen.. (nicht in einem) …luftleeren Raum existieren…“
Ich hoffe, meine Ausführungen können dazu beitragen, zum einen Verständnis für die persönliche Entscheidung derjenigen zu finden, die sich bei der Abstimmung zu UNIMIS der Stimme enthalten haben.
Und zugleich will ich noch einmal bekräftigen, jede Schlussfolgerung, diese Bundestagsabgeordneten der LINKEN würden das Bundestagswahlprogramm oder andere gültige Parteibeschlüsse nicht respektieren, ist falsch.
Auch die übrigen 24 Abgeordneten unserer Fraktion, zu denen Gregor Gysi und viele andere gehören, die sich wie ich der Stimme enthalten haben, stehen voll und ganz auf dem Boden des Bundestagswahlprogramms, in dem es heißt: „DIE LINKE steht für ein friedliches und solidarisches Miteinander der Völker und Staaten, für ausschließlich zivile Konfliktlösungen. Dafür setzen wir uns ein, im Deutschen Bundestag und in der Gesellschaft. …
DIE LINKE fordert: deutsche Außenpolitik auf eine Stärkung der UNO orientieren; das Völkerrecht als vertragliche Grundlage der Beziehungen zwischen den Staaten anerkennen, durchsetzen und weiterentwickeln; die UNO demokratisch reformieren; die Instrumentalisierung der UNO für die Mandatierung von Kriegen beenden; Militärbündnisse der UNO unterordnen; der UNO-Vollversammlung mehr Rechte einräumen;…“
Letztlich will ich darauf verweisen, dass ich mich wie auch andere bei der Abstimmung im Bundestag über diese UNMIS-Mission von Beginn an enthalten habe.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch