Frage an Dietmar Bartsch von Beatrix E. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,
seit Wochen trage ich mich mit dem Gedanken, in Die Linke einzutreten.
Leider haben die Ereignisse der letzten Tage mich wieder davon abgebracht. Dazu meine Frage:
Warum konnte DIE LINKE sich nicht mit der Wahl der Opposition zum Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck einverstanden erklären und wie stehen Sie persönlich dazu?
Wäre es nicht auch aus dem Gedanken der Sparsamkeit und der Chancenlosigkeit eines eigenen Kandidaten bzw. einer Kandidatin besser gewesen, Herrn Gauck mit zu tragen, als Frau Jochimsen zu präsentieren?
M.E. hat sich die Partei damit keinen Gefallen getan. Herr Gauck ist ein ehrenwerter, bekannter Mann, der durchaus in der Lage ist, ein guter Präsident zu werden. Er ist unabhängig und wäre mit den Stimmen der LINKEN ein Gegner mit guten Chancen.
Durch das Verhalten der Bundestagsfraktion Ihrer Partei wird wieder der alte Bart der SED-Nachfolger angeklebt, was eine Reputation in Gesamtdeutschland wieder erschwert und die Ziele der Partei vorerst wieder ins Abseits rückt. Damit gewinnen die Stimmen, die sagen, daß DIE LINKE nicht regierungsfähig ist.
Ich trage viele Ideen und Absichten der LINKEN mit (Abzug BW aus Afghanistan; Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland; Rücknahme von Hartz IV;
Vermögenssteuer für Reiche; Vergesellschaftung der Energiekonzerne; Abschaffung der Kernkraftwerke etc.) und sehe mit Genugtuung, daß auch Politiker anderer Parteien langsam die eine oder andere Idee aufgreifen - ohne daß ein Aufschrei durch Deutschland geht!!!
Für mich liegt die Zukunft der Partei DIE LINKE darin, eine wirkliche Volkspartei in Deutschland zu werden. Dazu darf sie sich nicht auf die Politikfelder der altgedienten und ausgelutschten Parteien begeben, sondern muß neue, eigene Vorschläge bringen (z.B. zur Krankenversicherung, zur Rentenversicherung, zur Bildungspolitik, zum Arbeitsmarkt - also Sozialkompetenz zeigen).
Ich hoffe auf eine schnelle Antwort.
MfG
B. Ehlert
Sehr geehrte Frau Ehlert,
vielen Dank für Ihre Anfrage und zu allererst einmal freue ich mich, dass Sie erwägen, in meinem Wahlkreis in die LINKE einzutreten.
Mich haben in den vergangenen Tagen sehr viele Wortmeldungen und Anfragen zur Problematik der Kandidaturen für das Amt des Bundespräsidenten erreicht und auch zu den in Medien zitierten Aussagen von mir über ein mögliches Wahlverhalten unserer Wahlfrauen und Wahlmänner in der Bundesversammlung am 30.6.2010.
Ich nehme Ihre Anfrage daher gern zum Anlass, dazu noch einmal meine Postionen deutlich zu machen.
Erstens: Es ist politisch nicht akzeptabel, wie die Parteien der Regierungskoalition von CDU, CSU und FDP jegliche Möglichkeit in den Wind geschrieben haben, eine Kandidatin/einen Kandidaten auf dem Wege der parteiübergreifenden Abstimmung und Beratung zu finden. In übler partei- und machtpolitsicher Art und Weise wurde nicht etwa der Bevölkerung - die hat ja bei der Wahl gar keine Stimme - sondern der Bundesversammlung mitteilt, wen man sich auserkoren hat. Hier wurde erneut und gerade in einer für unser Land komplizierten Phase die Chance für eine neue Qualität von Demokratie vertan.
Frau Merkel & Co. tun einfach mal so, als ginge es um die künftige Bundespräsidentin/den künftigen Bundespräsidenten der Regierungskoalition. Das ist nicht nur falsch, sondern sagt vor allem etwas über das politische Selbstverständnis und die politische Kultur der Regierungsparteien.
Zweitens: SPD und GRÜNE tragen die Verantwortung, dass es keinen gemeinsamen Kandidaten/Kandidatin der Oppositionsparteien gegeben hat. Es hätte aus den zum Teil o.g. Gründen eine Chance gegeben, wenn schon die Kanzlerin sich zu solcher politischer Kultur nicht durchringen kann, zumindest aus den Reihen der Opposition einen parteiübergreifenden gemeinsamen Kandidaten/Kandidatin vorzuschlagen.
Drittens: In dieser Situation, die nicht DIE LINKE zu verantworten hat, ist es richtig, dass meine Partei eine eigene, und mit Luc Jochimsen eine geeignete Kandidatin aufgestellt hat.
Viertens: Wir müssen davon ausgehen, dass Wulff aufgrund der Mehrheitsverhältnisse bereits im ersten Wahlgang gewählt wird. Ob der Existenz der Regierungskoalition werden CDU, CSU und FDP „diszipliniert“ handeln.
Sollte es dennoch zu einem zweiten Wahlgang kommen, werden wir klug entscheiden.
Meine Auffassung ist, und dazu stehe ich nach wie vor, eine linke sozialistische Opposition muss auch in einer solchen Situation wie der Wahl der Bundespräsidentin/des Bundespräsidenten alle Möglichkeiten ausloten und dann auch nutzen, um der Regierung eine schwere Niederlage beizubringen.
Darauf, und das ist nachlesbar, bezieht sich meine Überlegung, der Regierung eine Abstimmungsniederlage beizufügen.
Freundliche Grüße
und ich würde mich freuen, Sie in der LINKEN begrüßen zu können
Dietmar Bartsch