Frage an Dietmar Bartsch von Gerhard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo ! Herr Bartsch
In letzter Zeit ist in der LINKEN oft vom "Politischen Geralstreik" die Rede.
Könnten Sie mir kurz erläutern, was die LINKE darunter versteht ??
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Strecker
Sehr geehrter Herr Strecker,
Ihre Frage beantworte ich gern.
Nach Auffassung der LINKEN sollte der in den 50er Jahren in der BRD getroffene Gerichtsentscheid, wonach politischer Generalstreik verboten ist, aufgehoben werden.
Wir diskutieren in der LINKEN, ob das Recht auf den politischen Streik, der zum Ziel hat, mit massenhaften Demonstrationen im ganzen Land gegen politische Entwicklungen und Entscheidungen zu protestieren, die sich gegen die Lebensinteressen der Menschen richten, sinnvoll ist
Anlass für die Wahrnehmung eines solchen verbrieften Streikrechts liefert die Bundesregierung in immer kürzer werdenden Abständen.
Ob es um die Verlängerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr geht oder um die Rente erst ab 67, ob es um die neoliberalen Pläne bei der Gesundheitsreform („Kopfpauschale“) geht oder um Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose - immer wieder werden politische Entscheidungen getroffen, die sich gegen den Willen einer Mehrheit der Bevölkerung richten.
Damit muss Schluss sein. Regierungen müssen durch Demonstrationen dazu gebracht werden können, ihren politischen Kurs zu ändern.
Politische Streiks haben in Deutschland kaum Tradition - sie gehören bislang nicht zur Kultur und zum Instrumentarium der politischen Auseinandersetzungen.
Dieses Kampfmittel wirksam einzusetzen verlangt ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und - Fähigkeit von Gewerkschaften, Parteien, Initiativen, Bewegungen etc.
Der politische Streik ist nur dann erfolgversprechend, wenn es den verschiedenen und oft sehr unterschiedlichen Initiatoren gelingt, in breite Teile der Gesellschaft auszustrahlen und diese zur Bereitschaft, sich daran zu beteiligen zu gewinnen.
Diese Herausforderung ist nicht zu unterschätzen. Parlamentarische Mehrheiten im Bundestag berufen sich allzu oft und nicht ganz zu unrecht darauf, dass sie in Wahlkämpfen als Partei durchaus schon für jene Positionen geworben haben, deren Umsetzung anschließend in der Bevölkerung Ablehnung, Protest und Widerstand auslösen. Das trifft beispielsweise auf Auslandseinsätze der Bundeswehr ebenso zu wie auf die Rentenpolitik der letzten Bundesregierungen.
Das Instrument des politisch begründeten Streiks gegen die Politik in Europa, im Bund oder im Land kann eine wirksame Waffe sein.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch