Frage an Dietmar Bartsch von Thomas K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,
hre Partei setzt intensiv für die Rechte von Minderheiten ein, der Kampf gegen Diskriminierung ist ein zentrales Anliegen ihrer Partei.
Es gibt meines Erachtens keine gesellschaftliche Gruppe in Deutschland, die einer so starken gesellschaftlichen Ablehnung, einem solchen Hass, ausgesetzt ist, wie Menschen mit einer pädophilen Sexualpräferenz.
Pädophile werden in der Regel mit Sexualstraftätern identifiziert, per se als triebhaft und unkontrolliert empfunden und auch medial dergestalt präsentiert. Tatsächlich jedoch lehnt ein erheblicher Anteil aller Pädophilen jegliche sexuellen Kontakte zu Kindern sowie den Konsum von Kinderpornographie grundsätzlich und vorbehaltlos ab.
Im öffentlichen Diskurs wird jedoch nicht zwischen diesen Pädophilen und Sexualstraftätern unterschieden. Auch wenn sich derjenige nie etwas zu Schulden kommen lassen hat, steht er aufgrund seiner sexuellen Präferenz in der öffentlichen Meinung doch auf einer Stufe mit Menschen wie Marc Dutroux. Sollte die Neigung eines Pädophilen bekannt werden, hat dies fast durchweg radikale Konsequenzen für diesen Menschen zur Folge. Angefangen bei Job- und Wohnungsverlust bis hin zur totalen sozialen Isolation.
Die Folgen die dieser gesellschaftliche Umgang mit diesem Thema hat, sind m.E. fatal. Fatal für den Pädophilen, aber auch für viele Kinder, denn gerade der gesellschaftliche Umgang mit diesem Thema führt dazu, dass bei vielen extrem grosse Hemmungen bestehen sich proffesionelle Hilfe zu suchen. Oft bleiben als einzige Ansprechpartner radikale Pädophilengruppen, die pädosexuelle Kontakte verharmlosen, oft sogar glorifizieren. Die Betroffenen werden dort in eine verzerrte Weltsicht eingebunden, welche sexuelle Übergriffe auf Kinder zumindest begünstigt.
Wie sieht ihre Partei, wie sehen Sie als Person diese Problematik? Inwieweit bezieht sich das Antidiskriminierungsgesetz auch auf diese Problematik?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kipp
Werter Herr Kipp,
der von Ihnen kritisch angesprochene differenzierte Umgang mit dem Sachverhalt der Pädophilie ist ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem.
Zugleich muss man einräumen, dass es dafür keine einfachen Lösungen gibt und ich daher auch nicht auf solche verweisen kann.
An den Anfang meiner Antwort stelle ich aber um jegliche Missverständnisse ausschließen zu wollen eine klare Feststellung:
Für mich und für meine Partei hat in diesem Konfliktgefüge der umfassende, uneingeschränkte Schutz der Kinder, ihres körperlichen, seelischen und geistigen Wohles, oberste Priorität und daran dürfen unter keinen Umständen Abstriche oder Einschränkungen gemacht werden.
Ich finde es falsch und lehne es ab, in diesem Kontext mit Überlegungen und Forderungen nach Minderheitenschutz zu agieren.
Wir wollen und werden auch künftig alles tun, dass der Schutz der Kinder vollumfänglich durchgesetzt und wo erforderlich erweitert wird. Das schließt aber ein, dass die Gesellschaft Menschen mit pädophiler sexueller Orientierung, die, wie Sie beschreiben, aber jegliche sexuellen Kontakte zu Kindern sowie den Konsum von Kinderpornographie grundsätzlich und vorbehaltlos ablehnen, umfassend Hilfe und Unterstützung anbietet, damit sie ihre sexuelle Orientierung nicht ausleben bzw. praktizieren und dadurch zur realen Gefahr für Kinder und letztendlich zu Straftätern werden.
Im Grundsatzpapier der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Queer in der Partei DIE LINKE heißt es unter anderem:
Eingriffe in die freie Entwicklung von Kindern müssen sich immer am Ziel der Befähigung zur Selbstbestimmung legitimieren. Auch deshalb betrachten wir sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen in keinem Fall als einvernehmlich. Machtunterschiede, wie finanzielle Zwänge, sehr unterschiedliche Erfahrungen, psychische und physische Gewalt führen dazu, dass sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen nicht selbst bestimmt für alle Beteiligten lebbar sind. Wir treten dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Kinderpornografie und der Prostitution Minderjähriger aktiv entgegen. Wir wenden uns gegen die Pädophilie und nicht gegen Pädophile, d.h. Menschen mit diesem Begehren sollten Beratungs - und Therapiemöglichkeiten erhalten, um zu lernen mit ihrem Begehren umzugehen, damit sie es nicht ausleben.
Das von Ihnen benannte Problem ist aus meiner Sicht in den zurückliegenden Jahren völlig zu recht stärker in den Blickpunkt gesellschaftlicher Diskussionen geraten. Und nach meiner Wahrnehmung haben die Angebote für anonymisierte, niedrigschwellige professionelle Hilfs- und Therapieangebote deutlich zugenommen. Ich verweise hier auf Projekte der Berliner Charitè.
Diese Angebote müssen in Umfang und Differenziertheit weiter bedarfsorientiert ausgeweitet und vervollkommnet werden. Es wird immer die bewusste persönliche Entscheidung Betroffener bleiben, aus eigenem Willen von diesen Angeboten Gebrauch zu machen.
Freundliche Grüße
Dr.Dietmar Bartsch, MdB