Frage an Dieter Janecek von Christian N. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Neubauer,

vielen Dank für Ihre Anfrage und bitte entschuldigen Sie die etwas längere Antwortdauer. Diese ist einerseits den zwei aufeinander folgenden Sitzungswochen geschuldet, die hinter uns liegen, andererseits aber vor allem auch den immer wieder anders lautenden Aussagen von Regierungsvertreter*innen dahingehend, ob sich die Große Koalition nun auf die ins Auge gefassten Maßnahmen verständigt hat oder aber nicht. Momentan scheint wohl die CSU den Gesetzesentwurf zu blockieren, die SPD scheint nicht bereit, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Aber zur Bewertung der sich bisher abzeichnenden Regelungen:

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu unterbinden und zu verhindern, dass Personen in so genannter Schein-Selbstständigkeit durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre Situationen gedrängt werden. Dieses Ziel unterstützen wir als Grüne Bundestagsfraktion, die von Ministerin Nahles geplante Umsetzung lehnen wir jedoch ab.

Die Bundesregierung plant Abgrenzungskriterien abhängiger Beschäftigung von anderen Vertragsformen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und will damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen sowie Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen und mit denselben Kriterien unterbinden. Wir sind der Auffassung, dass das den unterschiedlichen Problemen nicht gerecht wird.

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Schein-Selbstständigkeit und tatsächlicher Selbstständigkeit ist schwierig. Ein Grund dafür ist, dass die Gruppe der Selbstständigen sehr uneinheitlich ist. Viele haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und brauchen – sofern sie tatsächlich für das Alter abgesichert sind – den Schutz und die Fürsorge des Staates nicht. Sie können im Regelfall gut von ihren Honoraren leben. Zudem ist uns bewusst, dass unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige Statusfeststellungsverfahren, viel Bürokratie und widersprüchliche Gerichtsurteile eine massive Beeinträchtigung für viele Selbstständige und Freiberufler darstellen. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind zentrale Leitmotive für grüne Politik und wichtige Gründe für Menschen, sich selbständig zu machen. Wir wollen mit unserer Politik Risikobereitschaft und Kreativität fördern und sie nicht behindern.

Dumpinghonorare und Scheinselbstständigkeit tun aber genau das und sind mit einer nachhaltigen und fairen Gründungskultur nicht zu vereinbaren. Ein Teil der formal Selbstständigen muss mit niedrigsten Einkommen auskommen, die kaum ihre Ausgaben decken. Dazu gehören beispielsweise viele Paketzusteller*innen, Lehrkräfte und Pflegende. Viele von ihnen haben nur einen Auftraggeber, von dem sie wirtschaftlich abhängig sind. Ein Viertel aller Selbstständigen erzielt rechnerisch ein Einkommen von weniger als 8,50 € pro Stunde (DIW 2015). Im Alter bleibt diesen Menschen oft nur die Grundsicherung.

Notwendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste Kriterien, die Scheinselbstständigkeit unterbinden, ohne die tatsächlichen Selbstständigen in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen, sondern vielmehr diese zu unterstützen. Damit Selbstständige und ihre Auftraggebende nicht unter Generalverdacht gestellt werden, muss das Statusfeststellungsverfahren rechtssicher und transparent reformiert werden, so dass es beiden Seiten Rechtssicherheit verschafft. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, die gesetzlichen Abgrenzungskriterien im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht zu vereinheitlichen, um mögliche Doppel- bzw. Dreifachprüfungen zu vermeiden. Die von der Bundesregierung angedachten Regelungen sind nach unserer Überzeugung dafür ungeeignet. Einen Gesetzentwurf auf Grundlage derartiger Regelungen werden wir im parlamentarischen Verfahren deutlich kritisieren. Wir selbst arbeiten gerade an einem Vorschlag, der eine einfache und praxistaugliche Abgrenzung möglich macht. Für Ihre Anregungen sind wir dankbar.

Mit den besten Grüßen,

Team Janecek