Frage an Dieter Janecek von Elisabeth H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Herr Janecek,
in der Bild sagte die Grünen-Chefin Peter folgendes:
BILD: Sind Sie wie die Linke für unkontrollierte Zuwanderung aus anderen EU-Ländern?
Peter: „Wir fordern keine unbegrenzte, sondern fair geregelte Zuwanderung. Dank der Freizügigkeit kommen dringend benötigte Fachkräfte. Von massenhafter Armutszuwanderung kann nicht die Rede sein. Allerdings gibt es Armut und Diskriminierung in Europa. Das muss mit unserer Unterstützung vor Ort bekämpft werden. Da haben CDU und auch CSU in den letzten acht Jahren die Hände in den Schoß gelegt.“
Zitat Ende.
Worin besteht Ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen der Einwanderungspolitik der Linkspartei und der Grünen?
Wie man in diesem Beitrag sah, kam ein ganzes Dorf nach Berlin:
Warum ist die Politik nicht so ehrlich und sagt: " Das ist der Preis für Europa"?
Vielleicht wäre es mal an der Zeit, die Bevölkerung zu fragen, ob sie noch mehr solche Zuwanderung und noch mehr EU-Staaten möchte, die aus meiner Sicht nicht EU-reif sind. Was meinen Sie dazu?
Von 240.000 neuen Stellen sollen in diesem Jahr laut diesem Bericht nur 37.000 neue Stellen an Arbeitslose, aber der Großteil an Zuwanderer gehen:
http://www.rp-online.de/wirtschaft/auch-2014-wird-es-keinen-job-boom-geben-aid-1.3708096
Ich finde es nicht gut, dass man sich in Deutschland damit abgefunden hat, dass manche Menschen offensichtlich keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Finden Sie so eine Entwicklung für gut? Wenn die eigenen Arbeitslosen abgeschrieben sind?
Worin besteht der Unterschied zwischen "Armutszuwanderer" und Arbeiter? Für die Stelle die ein Zuwanderer bekommt, müssen wir doch einen hier lebenden Menschen mit Sozialhilfe ausstatten, wenn er die offene Stelle nicht bekommt, oder?
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Huber
Sehr geehrte Frau Huber,
erstmal bitte ich um Entschuldigung für die späte Antwort - leider hat die Weiterleitung Ihrer Frage per E-Mail nicht funktioniert und das haben wir lange nicht gemerkt.
Zu Ihrer Frage:
Die Freizügigkeit in der Europäischen Union hat Deutschland wirtschaftlich stärker, kulturell reicher und gesellschaftlich bunter gemacht. Als Grüner bin ich überzeugter Europa und verteidige jederzeit das Grundrecht auf Freizügigkeit - aus prinzipiellen Gründen und natürlich auch deshalb, weil Deutschland wie kaum ein anderes Land von Europa profitiert. Insofern kann ich mich der Aussage meiner Parteichefin Simone Peter problemlos anschließen.
Europapolitisch trennt Grüne und Linke Vieles, beim Thema Freizügigkeit sind mir aber keine grundlegenden Unterschiede bekannt. Übrigens sehe ich da auch keinen großartigen Widerspruch zur SPD oder FDP. Nur Teile der Union, vorrangig die CSU, positioniert sich da anders.
Ein Großteil der Unionsbürgerinnen und -bürger aus Bulgarien und Rumänien sind hoch qualifizierte Fachkräfte, 22 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Die meisten sind jung und wollen sich in Deutschland eine Perspektive aufbauen, die sie in ihrem Herkunftsland nicht sehen. Die Beschäftigtenquote von Einwandern aus Bulgarien und Rumänien liegt im Bevölkerungsdurchschnitt und über dem Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung. Und sie zahlen insgesamt mehr in die deutschen Sozialkassen ein, als sie herausbekommen - sprich: insgesamt profitieren Wirtschaft und Sozialsysteme. Und infolge des demografischen Wandels braucht Deutschland sowieso dringend Einwanderung.
Eine Bevorzugung von deutschen Staatsbürgern vor Staatsbürgern aus anderen EU-Staaten widerspricht dem Diskriminierungsverbot und damit dem Geist der Europäischen Einigung. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Politik Langzeitarbeitslose abschreiben darf - im Gegenteil, wir stehen natürlich in der Verantwortung, dass alle Menschen, die wollen und können, einen Arbeitsplatz finden, der sie auch ordentlich ernähren kann. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, dass Langzeitarbeitslose nur deshalb keinen Job finden, weil EU-Bürger ihnen den Arbeitsplatz "wegnehmen". Eher umgekehrt ist eine hohe Quote an ausländischen Staatsbürgern ein Beleg für die Wirtschaftliche Dynamik einer Region. Bundesweit hat die Region München, wo mein Wahlkreis liegt, mit den höchsten Anteil ausländischer Arbeitnehmer, darunter sehr viele EU-Bürger, und erlebt auch aktuell einen starken Zuzug junger, gut qualifizierter Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten. Und die Region München hat gleichzeitig eine besonders niedrige Arbeitslosigkeit.
Wir verschließen unsere Augen natürlich nicht vor den Herausforderungen, mit denen einzelne Kommunen und Stadtteile real konfrontiert sind. Es wäre unredlich zu behaupten, dass Einwanderung und Integration nicht auch mit Anstrengungen verbunden sind – und zwar für alle Beteiligten. Kommunen, die durch den Zuzug von niedrig qualifizierten Unionsbürgern vor besonderen Herausforderungen stehen, benötigen zusätzliche Unterstützung vom Bund und den Ländern. Dazu wollen wir unter anderem mit Hilfen des Programms "Soziale Stadt" in betroffenen Stadtvierteln Zugang zu Wohnraum, Bildung, Arbeit, Gesundheit und Kultur erschließen.
Zu Ihrer Frage nach weiteren EU-Beitritten: Grundsätzlich haben wir Grünen uns schon immer stark gemacht für die Einführung von Volksentscheiden auf allen Ebenen. Bei so manchem Ruf nach einem Volksentscheid im Falle weiterer EU-Beitritte vermute ich aber weniger eine grundsätzliche Bekenntnis zur direkten Demokratie, sondern den Versuch, Stimmung gegen die europäische Einigung zu machen.
Grundsätzlich ist aber in der Lage, in der sich die EU derzeit befindet, kurzfristig nicht mit weiteren Beitritten zu rechnen. Am wahrscheinlichsten wäre wohl aktuell noch der Beitritt von Island, aber diese Pläne werden von der neuen isländischen Regierung nicht weiter verfolgt und sind damit wohl einstweilen vom Tisch - übrigens unter großen Protesten der Bevölkerung. Als Grüne treten wir aber klar dafür ein, dass Länder wie Serbien, Montenegro, Albanien oder Mazedonien zur EU beitreten können, wenn sie die Beitrittskriterien erfüllen. Das wird aber sicher noch Zeit in Anspruch nehmen - und die EU müsste sicher zuerst auch ein paar eigene Hausaufgaben machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Janecek