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Detlev Pilger
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Frage von Rainer W. •

Frage an Detlev Pilger von Rainer W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Pilger,

Ich möchte niemals fremdes menschliches Gewebe oder Organe erhalten und halte diese Behandlung aus medizinischer Sicht, nicht nur für völlig ungeeignet, sondern i.d.R. für extrem schädlich. Auch soll kein Mensch sein Leben auf diese schrecklichste Art und Weise, durch Zerstückelung wie auf einem Schlachttisch, verlieren und bis hin zu Knorpelstücken oder Kniegelenken verpackt und verschickt werden.

Die Verdinglichung des Menschen als Medikament, ist für mich der absolute Maßstab von Menschenunwürdigkeit.
Tatsächlich gibt es Menschen, die gegen eine Zerstückelung Ihres Körpers nichts einzuwenden haben, auch nicht gegen den Einbau von fremden Geweben und Organen.

Beide Einstellungen lassen sich verbinden, wenn Menschen sich als Spender registrieren lassen könnten und für jedes Jahr seit der Erklärung der Spendebereitschaft, Punkte kriegen würden, für eine bevorzugte Organ-/Gewebezuteilung im Bedarfsfall. Organerkrankten, die nicht registriert sind, aber aus speziellen Gründen kurzfristig ein Organ/Gewebe brauchen, könnten nach Ihrer Registrierung sofort Zugang zu der Vergabe haben, z.b. durch ein Notfallkontingent auch ohne gesammelte Punkte. Als "Geschlossener Club" gibt es viele Möglichkeiten des Kennenlernens, was die Erfolgsaussichten einer Übertragung, durch bekannte Menschen, erhöht.
Bei denen, die nicht registriert sind bzw. sich bei einer Erkrankung auch nicht registrieren wollen, soll es bei Strafe verboten sein, Organe/Gewebe als Therapie zu verabreichen oder auch zu entnehmen. Dies kommt all den Menschen zugute, die befürchten, im bewußtlosen Zustand nicht widersprechen zu können und nach einer OP mit fremden Organen/Geweben aufzuwachen.

Der amtierende Präsident der Ärztekammer hat dieses Prinzip thematisiert https://www.waz.de/politik/aerztepraesident-organspende-bereitschaft-mit-vorzug-belohnen-id226233671.html .
Wurde dieses Vorgehen diskutiert bzw. welche Erfolgsaussichten würden Sie diesem Vorgehen geben?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr W.,

die Würde auch jener Menschen, die bereits im Jenseits weilen, ist ein hohes Gut. Diese gilt es unbedingt zu schützen. Ich kann daher Ihre starken Gefühle zu diesem sensiblen Thema sehr gut nachvollziehen. Ebenso gilt es aber auch die Schöpfung auf Erden zu schützen. Der medizinische Zweck, den Spendenorgane erfüllen, ist in der Wissenschaft unbestritten. Es steht fest: Spender*innen retten Leben.

In Deutschland haben wir die besondere Situation, dass sich drei von vier Deutschen bereit fühlen zu spenden, aber leider nur ein kleiner Bruchteil dieser Menschen als Organspender registriert ist. Hier müssen wir handeln und diesem Widerspruch begegnen. In der Politik und in der Gesellschaft werden seit einiger Zeit verschiedene Modelle diskutiert. Das von Ihnen angesprochene System kann ich nicht befürworten. Die Würde der Menschen wird nämlich nicht nur im Moment der Entnahme berührt, sondern auch im Umgang danach. Das Punktesystem, welches Sie ansprechen, mutet einem gewissen „Handel“ an, in dem gesammelte Punkte gegen Bevorzugung getauscht werden. Alleine der Anschein eines Organhandels darf unter keinen Umständen entstehen, da Menschen eben keine Ware sind. Eine Beurteilung der Erfolgsaussichten möchte ich daher nicht vornehmen.

Was die Widerspruchslösung angeht, denke ich, dass diese die effektivste Möglichkeit bei kleinstmöglichem Eingriff in die Rechte der Bürger darstellt. Sie sprachen an, dass es verboten sein soll, bei Nichtregistrierten Organe oder Gewebe zu entnehmen. Dies wird auch nach Verabschiedung des Gesetzentwurfes so bleiben. Wenn jemand Bedenken hat zu spenden, kann auch in Zukunft ganz klar und ohne Ausnahme nein gesagt werden. Daher braucht niemand befürchten, im bewusstlosen Zustand nicht widersprechen zu können, da man ja eben zuvor bereits mit dieser Entscheidung konfrontiert wurde. Gleiches gilt selbstverständlich für den Empfang von Spendenorganen. Die Entnahme erfolgt nach allen medizinischen Geboten und bei minimalmöglichen Eingriffen. Der Prozess ist vergleichbar mit einer Operation und nicht im Entferntesten mit einer Schlachtung. Häufig ist die Entnahme im Nachhinein, abgesehen von einer Operationsnaht, nicht zu erkennen.

Zusammengefasst kann ich deutlich sagen, dass ich die Widerspruchslösung als notwendige Maßnahme zur Rettung von Menschenleben befürworte. Darüber hinaus ist dieses Modell in vielen unserer europäischen Nachbarländer seit längerer Zeit gängige und gut geübte Praxis.

Mit freundlichen Grüßen
Detlev Pilger, MdB