Frage an Detlef Müller von Thomas L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Antwort, auch wenn sich diese leider nicht auf meine Frage speziell zum Thema Vorratsdatenspeicherung bezieht. Da Sie nach eigenem Bekunden viele Anfragen per Brief oder Mail zum Thema Vorratsdatenspeicherung erreichen und Sie zudem stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss sind, gehe ich davon aus, dass Sie sich bereits ausführlich mit diesem Thema beschäftigt haben. Daher gestatten Sie mir bitte meine nochmalige Anfrage an Sie :
Was genau ist Ihr Standpunkt zum Thema Vorratsdatenspeicherung und wie werden Sie sich bei der morgigen Abstimmung verhalten ?
Sind Sie für den Gesetzesentwurf und wenn ja, mit welchen Argumenten begründen Sie die Notwendigkeit einer präventiven Überwachung der Bevölkerung und der damit einhergehenden Einschränkung von Pressefreiheit, Datenschutz und Privatsphäre ?
Finden Sie es wirklich mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die Bevölkerung gleich dreifach "in die Zange" genommen und ausspioniert wird (durch 1. Polizei/Staatsanwaltschaft, durch 2. Nachrichtendienste [BND, MAD und nach Ratifizierung der Cybercrime-Konvention wohl auch ausländische Nachrichtendienste!] und durch 3. privatwirtschaftlichen Missbrauch / kommerzielle Verwertung der Daten / Wirtschftsspionage etc.)
Mit freundlichen Grüßen aus Chemnitz,
Thomas Linke
Sehr geehrter Herr Linke,
mit der Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung setzen wir die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um. Dabei wird das Telekommunikationsüberwachungsrecht weiter rechtsstaatlich eingegrenzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in den parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz dafür Sorge getragen, dass der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck der Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz vor schweren Straftaten mit hohen, grundrechtssichernden Schwellen verknüpft ist, so dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibt. Ich werde deshalb dem Gesetzentwurf zustimmen.
Dadurch liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung in Zukunft noch höher als jetzt. Dabei gilt künftig wie bisher, dass sie – wie künftig bei jeder eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahme auch – grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden darf.
Hürde Nr. 1: Vorliegen einer schweren Straftat
Neu ist dabei, dass Straftaten grundsätzlich nicht in Frage kommen, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Die Tat muss – auch diese ausdrückliche Regelung ist neu – auch im konkreten Einzelfall schwer wiegen.
Hürde Nr. 2: Kernbereichsschutz
Eine Telekommunikationsüberwachung ist unzulässig und hat zu unterbleiben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch die Überwachung allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung erlangt würden.
Hürde 3: Berufsgeheimnisträgerschutz
Soll ein Berufsgeheimnisträger wegen des Ermittlungsverfahrens gegen einen Dritten, an dem er selbst in keiner Weise beteiligt ist, überwacht werden, gilt Folgendes:
Das Vertrauensverhältnis zu Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten wird absolut geschützt. Sie haben eine besondere verfassungsrechtlichen Stellung. Deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden.
Die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.
Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher – nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Was Ihre Frage nach der Verwendung von Daten für die privatwirtschaftliche/kommerzielle Verwendung betrifft, so hat dies nichts mit dem Gesetzentwurf zu tun. Sicherlich wird der Gesetzgeber in Zukunft auch weiterhin ein Auge auf Praktiken von Unternehmen werfen müssen, um den Missbrauch von privaten Daten zu verhindern. Allerdings gehen auch die Bürger oftmals leichtsinnig mit privaten Daten und Fotos um, in dem sie sich damit einverstanden erklären, dass private Dinge im Internet, in Chats oder Foren veröffentlicht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB